Neuseeland: Māoris erklären Wale zu juristischen Personen

    Tausende tote Tiere jedes Jahr:Māoris erklären Wale zu juristischen Personen

    Hannah Mosbach
    von Hannah Mosbach
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    Zu viele Schiffe rammen Wale - die Kollisionen zählen zu den Haupttodesursachen der Tiere. Indigene Völker pazifischer Inseln haben den Walen nun Persönlichkeitsrechte verliehen.

    Mere Takoko bei der Unterzeichnung der Erklärung, das Wale als juristische Personen angesehen werden
    Hochrangige Vertreter der Maori rund um Mere Takoko bei der Unterzeichnung der Erklärung. Wale sollen als juristische Personen angesehen werden.

    Ein Schiffskapitän hat oft nur zwei Möglichkeiten: Einem Wal auszuweichen und Strafe fürs Zuspätkommen im Zielhafen zu zahlen, oder ihn zu rammen und pünktlich anzukommen. Viele entscheiden nach Profit - bis zu 20 000 Wale sterben jedes Jahr durch Kollisionen mit den Ozeanriesen. Laut der Tier- und Umweltschutzorganisation OceanCare geht von der kommerziellen Frachtschifffahrt eine der größten Bedrohungen für die Walpopulationen aus. Die blutigen Bilder von japanischen, norwegischen und isländischen Walfangaktionen verblassen dagegen, wenn man nur die Zahlen betrachtet.
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    Um Wale besser zu schützen, haben die neuseeländischen Māori und die indigenen Völker von Tahiti und den Cook-Inseln in einer gemeinsamen Erklärung, der "He Whakaputanga Moana", den Tieren jetzt Persönlichkeitsrechte verliehen.

    Wale sollen ein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben

    Das bedeutet, dass Wale in Zukunft ein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben sollen. Die Hinemoana Halo Ocean Initiative hat die Erklärung mit ausgearbeitet.

    Neben dem Schutz vor Schiffskollisionen, gehören auch das Recht auf eine lebenswerte Umwelt, gesunde Nahrung und Reproduktion dazu.

    Mere Takoko, Gründerin der Hinemoana Halo Ocean Initiative

    Die indigenen Völker der pazifischen Inselstaaten wollen damit eine Blaupause für andere Länder schaffen, sollten sie den Schutz der Tiere in ihren nationalen Verfassungen verankern wollen. Das Besondere: Statt Bestrafung schlagen sie die Einführung eines Belohnungssystems vor.
    Eine Blauwalkuh mit Jungtier im Meer aus der Vogelperspektive
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    "Das Bestrafungssystem ist ein britisches Konzept"

    Polynesische Völker hatten nie ein Bestrafungssystem, das ist eher ein britisches Konzept. Uns geht es darum, gutes Verhalten zu belohnen.

    Mere Takoko, Gründerin der Hinemoana Halo Ocean Initiative

    So sollen Staaten Reedereien zum Beispiel Geld dafür bieten, wenn sie Antikollisions-Sensoren an ihren Schiffen anbringen. Zwei pazifische Inselstaaten, die noch nicht genannt werden wollen, seien bereits auf einem guten Weg, den Schutz von Walen bald gesetzlich festzuschreiben, so Takoko. Auch, wenn die Erklärung bislang in keinem Staat rechtlich bindend sei, sei sie hoffnungsvoll, damit etwas in Bewegung gesetzt zu haben.

    Bei den Māori gehören Wale zur Familie

    Für indigenen Völker haben die Wale, die sie "tohorā" nennen, eine ganz besondere Bedeutung: "Sie haben ihre eigene Kultur, ihre eigene Sprache und ihre eigene Identität, genau wie wir. Deswegen wollen wir sicherstellen, dass unsere Wale ein gutes Leben genießen können," sagt Takoko. Bei den Māori gehören Wale zur Familie. Dem Volksglauben nach führten die Tiere ihre Vorfahren nach Neuseeland und beschützten sie auf dem Weg dorthin. Noch heute geben die Māori den Walen, die ihre Ufer besuchen, eigene Namen.

    Wir wollen die Melodie unserer Wale über unsere Ozeane hinweg hören. Es wäre verheerend für unsere Kultur, wenn unsere Enkel diesen Gesang nicht mehr hören könnten.

    Mere Takoko, Gründerin der Hinemoana Halo Ocean Initiative

    Weiter erklärt Takoko: "Schon jetzt nimmt der Bezug unserer Kinder zum Ozean ab."
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    Zwei Millionen US-Dollar - so viel sei ein Wal wert

    Es gehe jedoch nicht nur um den Schutz der eigenen Kultur, so Takoko. Wale seien für die ganze Weltgemeinschaft von großer Bedeutung: Laut der Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) durchmischen Wale die Nährstoffe im Ozean und fördern mit ihren Ausscheidungen das Wachstum von Phytoplankton, das den Sauerstoff im Meer herstellt. Besonders wichtig aber: Der Körper eines Wals speichert große Mengen klimaschädlichen Kohlenstoffs, der dadurch nicht in die Atmosphäre gelangt. Ein einzelner Großwal speichere allein durchschnittlich bis zu 33 Tonnen CO2 - so Wissenschaftler in einer Ausgabe der Finance & Development des International Monetary Fund (IMF) von 2019. Zum Vergleich: Im Durchschnitt könne ein Baum etwa 22 Kilogramm CO2 pro Jahr speichern, so die Studie.
    Wale
    Wale sind wichtig für die Umwelt - und benötigen selbst mehr Schutz.18.10.2022 | 1:30 min
    Die pazifischen Völker verstehen sich als "Hüter der Meere" und versprechen sich von ihrer Erklärung Rückenwind: Im nächsten Jahr wollen sie die Vereinten Nationen auf der UN Ocean Conference davon überzeugen, ihrem Beispiel zu folgen und Wale zu juristischen Personen mit umfassenden Rechten zu erklären.

    Wenig Nahrung und Giftstoffe
    :So bedroht der Klimawandel Wale und Delfine

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