Viktor Orban und seine Politik: Eine Gefahr für Europa

    Interview

    Experte warnt vor großer Gefahr:Orban und Co könnten EU "zerstören"

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    Viktor Orban schießt immer wieder gegen die EU und setzt auf rechte Verbündete. Wie der Ungar tickt und wieso ein Duo Orban-Trump fatale Folgen haben könnte. Ein Experten-Gespräch.

    Archiv: Viktor Orban mit Marine Le Pen, in Budapest am 26.10.2021.
    Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban schießt regelmäßig gegen die EU. Könnte seine Politik eine Gefahr für Europa darstellen? (Archivbild mit Marine Le Pen)
    Quelle: Imago

    Am ungarischen Nationalfeiertag, dem 15. März, wird besonders der Freiheitskampf der Ungarn 1848 gefeiert - eine Steilvorlage für Viktor Orban, der immer gern gegen den neuen "Unterdrücker" Brüssel schießt und auf neue rechtspopulistische Verbündete setzt. Südosteuropa-Experte Ulf Brunnbauer erklärt im Gespräch, wie Viktor Orban tickt - und welche Folgen eine Allianz mit Rechts sowie ein Trump-Sieg bei der US-Wahl 2024 für ganz Europa haben könnte.
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    ZDFheute: Kann es Viktor Orban sich überhaupt leisten, gegen die EU zu sein?
    Ulf Brunnbauer: Bislang schon. Als innenpolitisches Geschäftsmodell funktioniert das sehr gut. Aber die Konflikte mit der EU nehmen zu. Es sind ja viele Milliarden an Hilfsgeldern für Ungarn blockiert wegen der Rechtstaatsverstöße. Also vielleicht geht dieses Spiel auch nicht mehr allzu lange auf.

    … wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung. Zudem hält er den Lehrstuhl für die Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg inne. Im Rahmen seiner Forschung beschäftigt der Professor sich unter anderem mit der Gesellschaftsgeschichte des Balkans sowie zuletzt mit globalhistorischen Bezügen Südosteuropas.

    ZDFheute: Kann er sich das wirtschaftlich leisten, EU-Gelder nicht zu bekommen?
    Brunnbauer: Nein, langfristig nicht. Die ungarische Wirtschaft ist hochgradig auf den Zufluss von Mitteln aus dem Ausland angewiesen. Auch ausländische Investoren werden zunehmend zurückhaltend, weil für einen Investor ist vielleicht das politische Image einer Regierung eines Landes nicht so wichtig, aber Rechtsstaatlichkeit schon. Und da hapert es in Ungarn eben massiv, so werden ausländische Unternehmen schikaniert.
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    ZDFheute: Wie nah ist Orban anderen rechtspopulistischen Parteien oder Personen wie Donald Trump oder der AfD?
    Brunnbauer: Grundsätzlich sind sie sich sehr nahe, zumindest in ihrer Ideologie. In der konkreten Zusammenarbeit werden sich dann schnell immer auch Probleme ergeben, weil natürlich ein so egoistischer Nationalismus, der im Grunde genommen Politik als Nullsummenspiel begreift, nicht auf bilaterale Zusammenarbeit ausgelegt ist.
    ZDFheute: Trotzdem scheint sich da eine Allianz zu bilden, global und in der EU. Orban hat ja auch schon öfter betont, er wolle ein anderes Europa. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass es ihm gelingt?
    Brunnbauer: Ich sehe die Gefahr sehr groß, dass Viktor Orban und seine ideologischen Genossen, die AfD, Marine Le Pen und so weiter, das Europa, wie wir es kennen, also die Europäische Union, zerstören. Ein anderes Europa sehe ich eigentlich nicht wirklich, weil sich diese Parteien letztlich dann wohl nicht auf ein gemeinsames Projekt, das über bornierten Nationalismus hinausgeht, einigen können. Aber sie haben das Potenzial, die EU zu zerstören.
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    ZDFheute: Kürzlich gab es ein Treffen von Trump und Orban. Beide versicherten, dass sie der Ukraine keinen Cent geben würden. Wenn Donald Trump Präsident würde und Orban Ministerpräsident in Ungarn bleibt, welche Folgen hätte das für den Ukraine-Krieg und für die EU?
    Brunnbauer: Ganz fatale. Und ich glaube, wir sind uns ihrer Dimension noch gar nicht so sehr bewusst. Diese Konstellation ist eine sehr bedrohliche, besonders für die Ukraine. Für sie wäre das Ausbleiben weiterer amerikanischer Militärhilfen fatal. Und es besteht dann womöglich auch die Gefahr, dass Trump sich doch auf direkte Verhandlungen zwischen den USA und Russland einlässt, was Orban auch unterstützt, und das ohne Einbeziehung der Ukraine. Das ist durchaus realistisch. Insofern ist das für die Ukraine eine ganz existenzielle Bedrohung.

    Wenn die Ukraine diesen Krieg verliert, dann wird das bedeuten, dass die Sicherheit in Europa völlig zerstört ist.

    Ulf Brunnbauer

    Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass Präsident Wladimir Putin dann damit enden wird, die Ukraine zu kontrollieren, zu erobern, zu zerstören. Warum sollte er?
    Von links: Nicole Deitelhoff, Michael Roth, Carlo Masala, Maybrit Illner, Wolfgang Ischinger
    Putin zeigt Härte, an der Front – im eigenen Land. Je schlechter die Lage der Ukraine, umso lauter die Beistandsschwüre aus Europa. Ist der Krieg für die Ukraine noch zu gewinnen? 29.02.2024 | 65:35 min
    ZDFheute: Das ist das Erstaunliche, dass Viktor Orban, der geografisch sozusagen als Nächstes an der Reihe ist, diese Gefahr offensichtlich gar nicht so sieht.
    Brunnbauer: Viktor Orban spielt immer mit dem Gedanken, dass der Westen ohnehin dem Untergang geweiht sei. Natürlich genießt er die Vorteile dem Westen anzugehören, indem zum Beispiel viel Geld nach Ungarn fließt, solange es ihn noch gibt. Aber er hatte schon vielfach das chinesische oder russische Modell als viel zukunftsfähiger gepriesen. Orban ist jemand, der in längeren Zeitkategorien denkt. Er muss sich ja auch keine Sorgen machen, bei der nächsten Wahl abgewählt zu werden. Da kann man langfristige Visionen entwickeln.

    Und wer weiß, auf welcher geopolitischen Landkarte er Ungarn sieht und vor allem: Wer weiß, welche Grenzen er in Europa imaginiert.

    Ulf Brunnbauer

    Was das bedeuten würde, kann man sich ausrechnen, nämlich weiteren Krieg, Massenvertreibungen, Massengewalt. Also das ist vielleicht nicht das besonders realistische Szenario, aber es wird eben von Tag zu Tag auch nicht unrealistischer.

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    Das Interview führte ZDF-Südosteuropa-Korrespondentin Britta Hilpert.

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