Staatsmedien in Polen: Tusk räumt Propaganda-Sender TVP auf

    Medien-Thriller in Polen:Tusk räumt Propaganda-Sender TVP auf

    von Natalie Steger, Milena Drzewiecka
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    Die neue Regierung in Polen macht ernst mit dem Umbau der Medien zur Unabhängigkeit. Politiker der abgewählten PiS protestieren. Darum geht's.

    Menschen vor Sender TVP
    Da sie die Agenda der abgewählten PiS-Partei unterstützt haben soll, hat der neue Premierminister Polens, Tusk, die Entlassung der Spitze von TV- und Radiosendern veranlasst. 21.12.2023 | 1:40 min
    "Eine Quelle des Giftes", so wurden die staatlichen Medien in Polen unter der PiS-Regierung kritisiert. Doch die neue Regierung will dem nun ein Ende setzen.
    Die Frage war nicht ob, sondern wie und wann würde man die öffentlich-rechtlichen Medien in Polen umbauen. Die frühere PiS-Regierung hatte sie zum Arm der Partei-Propaganda gemacht. Noch vor Weihnachten beschloss die neue Regierung von Donald Tusk, diese Propaganda auszuschalten.

    Neue Botschaft in den Hauptnachrichten

    Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Am Stichtag um 11:18 Uhr hörte der Nachrichtenkanal TVP Info auf zu senden. Dieser Kanal ist immer noch nicht völlig im Betrieb, aber der Anfang der neuen Zeit wurde Donnerstagabend markiert. Um 19:30 Uhr sahen die TVP-Zuschauer die erste Ausgabe der Hauptnachrichten unter der neuen Führung. Sogar der Name der Sendung wurde geändert, von "Wiadomosci" (Nachrichten) auf "19.30". "Um politische Spaltung zu überwinden, muss die Sprache des Fernsehens geändert werden. Wir müssen einfach informieren", sagte der Moderator Marek Czyz.
    Czyz arbeitete im TVP noch vor der PiS-Zeit, musste dann aber gehen. Er ist einer der vielen, die jetzt zurückkommen und die Rundfunklandschaft wieder in echte öffentlich-rechtliche Medien mit pluralistischem Angebot zurückverwandeln sollen.
    Heute in Europa
    Ziel der neuen Regierung: Das Programm der Medien soll wieder pluralistischer und neutraler werden. 21.12.2023 | 2:20 min

    Medienrückbau: PiS-Partei protestiert

    Die letzten TVP-Gesichter sind empört. Obwohl der Medien-Rückbau vom neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk im Wahlkampf versprochen und von vielen, auch ausländischen Institutionen, erwartet worden war, stehen viele unter Schock, dass es nur eine Woche nach dem Machtwechsel bereits passiert. Und zwar nicht gerade mit Samthandschuhen.
    Die pro-europäische Koalitionsmehrheit von Donald Tusk hatte im Parlament einen Beschluss zur Wiederherstellung "der Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien" verabschiedet. Die meisten Abgeordneten der bislang regierenden nationalkonservativen PiS boykottierten die Abstimmung. Anstatt im Plenarsaal waren sie in der TVP-Zentrale zu finden. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte:

    Es gibt keine Demokratie ohne Medienpluralismus oder starke regierungskritische Medien - und in Polen sind das die öffentlich-rechtlichen Medien.

    Jaroslaw Kaczynski, PiS-Chef

    PiS als Verteidiger der freien Medien klingt wie ein Witz. Denn erst hatte die PiS-Regierung die öffentlich-rechtlichen Medien auf Parteilinie gebracht, dann wollte sie die Freiheit der privaten unabhängigen Medien begrenzen, dann kaufte sie - durch den Staatsölkonzern Orlen- viele regionale Zeitungen und Nachrichtenportale auf - und nun sprechen ausgerechnet sie von Medienfreiheit.
    Tusk während eine Rede im polnischen Parlament.
    Donald Tusk will eine führende Rolle für Polen in der EU.12.12.2023 | 1:12 min

    Staatliche Medien bisher "Quelle des Giftes"

    Jedem, der in den letzten Jahren TVP oder Polskie Radio verfolgt hat, ist klar: Mit objektivem Journalismus hatte das nichts zu tun. Für Bartosz Wielinski von der Zeitung "Gazeta Wyborcza" waren die staatlichen Medien "eine Quelle des Giftes".

    Die Leute, die in den letzten acht Jahren meine Mitbürger absichtlich belogen haben und sogar sich mit den Regierungsmitgliedern berieten, was sie denn berichten sollten oder nicht, dürfen nicht länger in öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten und das Geld aus Steuergeldern bekommen. Das muss radikal gemacht werden.

    Bartosz Wielinski, Zeitung "Gazeta Wyborcza"

    Standbild anstatt Nachrichten in Polen

    Und in der Form sieht das tatsächlich radikal aus. Die gesamte Führungsriege der Öffentlich-Rechtlichen ist entlassen. Neue Aufsichtsräte sind ernannt. Das Logo des Senders ist als Standbild zu sehen anstatt laufender Nachrichten, die Website des News-Channels ist außer Betrieb, Polizisten bevölkern die TV-Zentrale - das sind nicht die Bilder, die man sich in der Demokratie wünschen würde. Aber die Tusks Wähler wünschten sich Änderungen.
    "Wir werden mit der Situation aufräumen, aber gleichzeitig ist es unsere Absicht, solche Regelungen, solche Gesetze vorzubereiten - und ich zähle auf die Zusammenarbeit von und mit allen - die die elementare Neutralität der öffentlichen Medien wiederherstellen werden", so Tusk. Die Zusammenarbeit mit dem Staatspräsidenten Andrzej Duda wird allerdings schwierig. Für ihn sind die letzten Manöver rund um die öffentlich-rechtlichen Medien "eine Anarchie".

    Tusk geht großflächigen Umbau des Landes an

    Eins aber sollte man nicht vergessen - Duda steht der PiS-Partei nah und die wünscht sich weiter seine Unterstützung. Bedeutet das, es wird einen Clinch geben? Nicht der erste und nicht der letzte. Beim Thema Rechtsstaatlichkeit wird es weiter auf mehrere Konflikte zwischen Duda und Tusk kommen, da der Staatspräsident bei Gesetzen sein Veto einlegen kann. Aber das ist ein ganz anderer Thriller, der auf Polen noch wartet.
    Im Moment jedenfalls geht Tusk den großflächigen Umbau des Landes an. Das mag radikal wirken. Doch die neue polnische Regierung kehrt schlicht wieder auf die vor PiS-Zeit vor acht Jahren zurück. Und tut damit genau das, was internationale unabhängige Institutionen und auch Brüssel längst von Polen erwarten.
    Natalie Steger ist Leiterin des ZDF-Auslandstudios in Warschau.

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