Abwehr gegen Russland: Balten bereiten sich auf Putin vor

    Neue Bunker und Schutzräume:Abwehr gegen Putin: Balten bereiten sich vor

    von Natalie Steger und Roman Krysztofiak
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    In Schweden findet der Nordisch-Baltische Gipfel statt. Die Teilnehmer misstrauen Moskau zutiefst und warnen vor dem Ernstfall. Lettlands Motto: Vorbereitung statt Panik.

    Es ist eine salutierende Frau des lettischen Militärs zu sehen.
    Lettland warnt beim Nordisch-Baltischen Gipfel vor Moskau: Vorbereitung statt Panik lautet das Motto, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.
    Quelle: epa

    Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson hat eingeladen - in seinen Sommersitz Harpsund. Neben den nordischen und baltischen Staaten ist auch Polen dabei. Die Themen: Sicherheit, die Ukraine und der Umgang mit Russland. Besser gesagt: der Schutz vor einem unberechenbaren Putin. "Es ist eben Russland", heißt es aus Riga.

    Schutz für Zivilisten

    Es ist Marktsamstag in Riga, im hippen Stadtteil Kalciems. Alle drängen sich, das Angebot riesig: auffallend viel Bio, die Preise nicht niedrig. Und dann, mittendrin zwischen Rigaer Sprotten und exotischen Früchten für solvente Kundschaft ein Stand, der nichts verkauft, sondern verschenkt. Zemessardze, die lettische freiwilligen Armee. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs hätten sie enormen Zulauf, sagen sie uns, aus allen Teilen der Bevölkerung. Sie verteilen Heftchen mit Tipps, was in den ersten 72 Stunden eines Angriffs zu tun ist, was generell zu Hause auf Vorrat sein sollte, wie man sich informieren soll. Militär hat hier einen guten Ruf, für viele gehört es zur patriotischen Pflicht, bereit zu sein, sein Land zu verteidigen.
    großes Auslandsjournal a im Vordergrund, daneben Frau steht mit Handy neben der Ladefläche von einem LKW
    Estland, Lettland, Litauen und Polen grenzen an Russland. Europa war für sie das Versprechen von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Nach 20 Jahren in der EU ist die Angst zurück.02.05.2024 | 44:30 min
    Eine unterirdische Verabredung mit Kaspars Adijāns von der Stadt Riga. Er führt uns in einen riesigen Keller. "Das ist ein Bunker, da muss man runtergehen. Wie du siehst, wird er weiter zivil genutzt." Wir sind unter der medizinischen Fachhochschule der lettischen Hauptstadt. Über uns ist ein guter Meter Betondecke, lange Flure mit luftdrucksicheren Türen, manuelle Luftversorgung mit Kohlefilter ist möglich. Nach der russischen Invasion in der Ukraine hat die Stadt Schutzraumpläne ausgearbeitet. Stand jetzt, so Kaspars Adijāns, könnten in städtischen Objekten etwa 60.000 Personen Schutz finden im Falle eines Angriffs.

    Einkaufszentren und Tiefgaragen für den Kriegsfall

    Nun eine weitere Initiative der Stadt: Unternehmen, die ihre Räume als luftschutzsicher ausbauen, können sich die Kosten über die Steuer erstatten lassen. Auch Einkaufszentren und Tiefgaragen sollen ausgebaut werden. Die Stadt Riga hat sich früh entschieden, offen die Gefahr eines möglichen Angriffs zu kommunizieren, Panik sollte vermieden werden:

    Wir kamen zu der Schlussfolgerung, dass informiert sein das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung steigert.

    Kaspars Adijāns von der Stadt Riga

    Ukraine, Pokrowsk: Auf diesem vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten zur Verfügung gestellten Foto zeichnet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) Soldaten in der Frontstadt Pokrowsk aus, dem Schauplatz der schwersten Kämpfe mit den russischen Truppen in der Region Donezk.
    Vor gut 1.000 Tagen hat Russland die Ukraine angegriffen. 19.11.2024 | 1:39 min
    Es sei wichtig, dass die Menschen schon in den ersten Stunden und Tagen eines Angriffs wissen, was zu tun ist.

    Hunderte Bunker an der Nato-Ostgrenze

    Lettland setzt aber nicht nur auf zivile Schutzräume. Entlang der Grenzen zu Russland und Moskaus Verbündetem Belarus baut es zusammen mit den baltischen Nachbarn Estland und Litauen eine Verteidigungslinie mit Bunkern, Schützengräben, Versorgungslinien und Fahrzeugsperren. Ganze Reihen von Betonpyramiden, genannt "dragon teeth" (dt. Drachenzähne) stehen bereits an den lettischen Grenzen, um eine mögliche russische Invasion zu verlangsamen.
    Veranstaltung „Baltischer Weg“, 23. August 1989. Am 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Nichtangriffspakts zwischen Deutschland und der Sowjetunion schlossen sich Menschen in Litauen, Lettland und Estland zusammen, um eine Menschenkette von Vilnius nach Tallin zu bilden .
    Vor 35 Jahren bildete sich in Estland, Lettland und Litauen eine Kette aus Hunderttausenden Menschen. Sie protestierten für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. 23.08.2024 | 1:34 min
    "Das Material wurde im Zweiten Weltkrieg benutzt", sagt Kaspars Lazdins, technischer Inspektor der lettischen Armee. Jetzt sollen sie feindliche Aktionen verhindern und abschrecken. Getestet wurde bereits, ob die Barrieren auch gepanzerte Fahrzeuge stoppen können. Die Betonblöcke seien besonders effektiv und vielseitig, heißt es von der lettischen Armee.
    Eine enorme Kriegsangst herrscht in Lettland nicht. Aber wie auch die baltischen Nachbarn hält man den ehemaligen Besatzer für unkalkulierbar. Kaspars Adijāns von der Stadt Riga steht im unterirdischen Schutzraum. Ob er es für realistisch hält, dass Russland angreift, fragen wir ihn.

    Wir denken nicht, es wäre verrückt, aber es ist eben Russland.

    Kaspars Adijāns von der Stadt Riga

    Natalie Steger ist ZDF-Studioleiterin in Warschau, Roman Krysztofiak ist dort Producer.

    "Das ist unser Land"
    :Wie Moskau die baltischen Staaten bedroht

    Russland rüstet massiv auf, bedroht das Baltikum. Ex-Präsident Medwedew nennt es abfällig "unsere Provinzen". Kommt es hier irgendwann zu einem Krieg Russlands gegen die Nato?
    von Oliver Klein, Nils Metzger, Jan Schneider
    Der russische Präsident Wladimir Putin gibt ein Interview am 12.03.2024 in Moskau.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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