Russlands Schwarzmeerflotte: Dezimiert, aber gefährlich

    Analyse

    Russlands Schiffe:Schwarzmeerflotte: Dezimiert, aber gefährlich

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Die russische Schwarzmeerflotte war schon vor dem Krieg in schlechtem Zustand. Warum sie trotz schweren Verlusten und strukturellen Problemen gefährlich bleibt.

    Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte
    Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Ein Kommandowechsel und viele Probleme - die russische Schwarzmeerflotte ist alles andere als in bester Verfassung. Schwere Verluste haben die Flotte dezimiert, hinzu kommen Probleme mit den noch vorhandenen Schiffen sowie dem Personal. Trotzdem bleibt sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Ukraine.

    Kommandowechsel bei der russischen Flotte

    Anfang März 2024 hat Russland den Befehlshaber seiner Flotte ausgetauscht: Admiral Nikolaj Jewmenow wurde durch Admiral Alexander Moisejew ersetzt. Ursprünglich U-Boot-Fahrer und Spezialist für elektronische Kriegsführung, ist Moisejew für sein Interesse an technologischen Innovationen und waghalsigen Aktionen bekannt. Für seinen Dienst bei der Nordflotte, der lange Einsätze unter dem arktischen Eis und mehrere erfolgreiche Raketenstarts und andere Experimente umfasste, wurde er 2011 als Held der Russischen Föderation ausgezeichnet.
    Während seines Kommandos über die russische Flotte wird eine der Hauptaufgaben von Admiral Moisejew darin bestehen, die dezimierte Schwarzmeerflotte wieder in Ordnung zu bringen - und dafür wird er sein ganzes Organisationstalent brauchen. Moisejew hat die Schwarzmeerflotte bereits für eine kurze Zeit, von Juni 2018 bis Mai 2019, kommandiert, so dass er mit der Einheit vertraut ist.
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    Probleme: Schiffe veraltet, Personal wenig geeignet

    Anders als die Nordflotte war die russische Schwarzmeerflotte seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nie ein besonders innovativer oder gut ausgerüsteter Teil der Marine. Einer der Gründe dafür ist, dass die Ukraine in einem russisch-ukrainischen Abkommen von 1997 zwar die Stationierung der Schwarzmeerflotte auf der Krim erlaubte, dies aber nicht die Möglichkeit einschloss, die dort verankerten russischen Kriegsschiffe zu modernisieren. Daher ist die Flotte in technologischer Hinsicht zunehmend veraltet.
    Außerdem war die Krim dank ihres guten Klimas und ihrer freundlichen Umgebung schon immer ein bequemer und beliebter Dienstort. Dies zog sowohl Offiziere an, die über die notwendigen Verbindungen verfügten, um hier eingesetzt zu werden, als auch ältere, oft zu alte Kommandanten, die ihren Dienst an einem günstigen Ort beenden wollten. Alles in allem ist die Schwarzmeerflotte im Gegensatz zur rauen und anspruchsvollen Nordflotte immer mehr zu einer Art Urlaubsort für Uniformierte innerhalb der russischen Marine geworden.
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    Schwarzmeerflotte: Nicht fit für den Krieg

    Diese Probleme traten schnell zutage, als der Krieg Russlands gegen die Ukraine in vollem Umfang begonnen hatte. Trotz der ursprünglichen Pläne, eine Landungsoperation in Odessa durchzuführen, war die Flotte nicht in der Lage, den Kampf der russischen Bodentruppen im Februar und März 2022 effizient zu unterstützen, da ukrainische Schiffsabwehrraketen befürchtet wurden.
    Der Untergang des Flaggschiffs Moskva hätte ein Weckruf sein können: Es fuhr allein, ohne Deckung und ohne Hilfsschiffe gefährlich nahe an der ukrainischen Küste, als er am 14. April 2022 getroffen wurde. Es konnte die ankommenden Raketen nicht einmal erkennen, da sein Hauptradar nicht funktionierte und das Feuer konnte sich schnell ausbreiten, da einige Explosionsklappen nicht richtig geschlossen waren. Alles in allem war der Untergang der "Moskau" rückblickend gesehen ein radikaler Indikator für den schlechten technischen Zustand und die Disziplin der gesamten Flotte.
    Christian Mölling
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    Schwerste Verluste: Rund 30 Prozent versenkt oder beschädigt

    Seit dem Sommer 2022 hat die Flotte immer wieder schwere, schmerzhafte Verluste erlitten. Etwa 30 Prozent ihrer Schiffe, darunter sieben große Überwasserschiffe wurden entweder versenkt oder schwer beschädigt. Das Hauptquartier der Flotte wurde im September 2023 durch eine Salve von Storm Shadow-Marschflugkörpern zerstört, ebenso wie mehrere andere Elemente der Flotteninfrastruktur.
    Trotz der ständigen Verluste gelang es der Flottenführung nicht, sich an die Kriegsbedingungen anzupassen. Es wurden keine angemessenen Abwehrmaßnahmen gegen Drohnenangriffe auf See getroffen: Das zuletzt gesunkene russische Kriegsschiff, die Sergei Kotov, wurde bereits zweimal angegriffen, und seine Besatzung drängte vergeblich auf Gegenmaßnahmen gegen Drohnen.
    Der Verlust von Landungsschiffen beeinträchtigt zudem die Logistik der russischen Bodentruppen, die in den Regionen Cherson und Saporischschja kämpfen, da diese Schiffe in Ermangelung einer Invasion als Fähren für den Transport von militärischen Versorgungsfahrzeugen genutzt wurden.
    Rauch über dem Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte nach einem ukrainischen Raketenangriff am 22.09.2023.
    Laut dem russischen Verteidigungsministerium hat die Ukraine im September erfolgreich die Zentrale der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim angegriffen.22.09.2023 | 0:47 min

    Schwarzmeerflotte bleibt gefährlich

    Dennoch sollte man die Schwarzmeerflotte nicht unterschätzen. Trotz des Verlustes zahlreicher Schiffe verfügt sie noch über vier bis fünf U-Boote der Kilo-Klasse, vier Fregatten mit Lenkwaffen, die Kalibr-Marschflugkörper abschießen können, mehrere Korvetten, etwa zehn Minensuchboote sowie Patrouillenboote und andere Schiffe. Sie ist immer noch eine bedeutende Seestreitkraft, auch wenn sie veraltet ist.
    Selbst wenn ukrainische Marschflugkörper- und Drohnenangriffe ihre Überwasserschiffe dazu zwingen sollten, sich ins östliche Schwarzmeerbecken zurückzuziehen, verfügt die Flotte über umfangreiche Fähigkeiten zur Zugangsverweigerung und Gebietsverteidigung, um ukrainischer Marineoperationen zu verhindern, die über kleine Spezialeinsätze hinausgehen.
    Auch wenn ein Invasionsversuch an der ukrainischen Küste äußerst unwahrscheinlich ist, stellt die Schwarzmeerflotte aufgrund der an Bord befindlichen Marschflugkörper sowie des Seeverkehrs von und zu den ukrainischen Häfen eine ernsthafte Gefahr für die Ukraine dar, falls Russland versuchen sollte, den zivilen Schiffsverkehr zu stören.
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