Rugby: Mehr als ein WM-Finale für Südafrika

    Südafrika im WM-Finale:Rugby: Mehr als ein Finale für Südafrika

    Verena Garret, Leiterin ZDF-Studio Johannesburg
    von Verena Garrett, Johannesburg, Südafrika
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    Das Rugby-WM-Finale zwischen Südafrika und Neuseeland ist der Höhepunkt des Turniers. Für die südafrikanische Mannschaft und ihr Land aber ist es symbolisch so viel mehr als das.

    Zu Hause heißen sie nur "Springboks", benannt nach der Springbock-Antilope. Die südafrikanische Rugby-Nationalmannschaft wird geliebt, verehrt, bewundert - wie so viele Spitzensportler. Und doch ist es in Südafrika anders: Die Springboks sind ein Team, das mehr Gewicht und Erwartungen in sich trägt als wahrscheinlich jedes andere.
    Kaum ein Land braucht Helden mehr als Südafrika. Es ist eine zerbrechende und in manchen Fällen zerbrochene Nation. Wo Politiker versagen, bieten die Boks und ihr Spiel eine Atempause. Sie einen ein Volk, das vielfältiger nicht sein könnte. Und tragen die Hoffnungen von Millionen auf ihren Schultern.

    Kolisi - Schwarzer Kapitän im Sport der Weißen

    Siya Kolisi ist seit 2018 der erste Schwarze Rugby-National-Kapitän des Landes. In einem Township geboren, half ihm ein Rugby-Stipendium an einer Privatschule später, seinen Weg aus der Armut zu finden. Englisch musste er erst lernen, er sprach die Sprache seiner Volksgruppe, der Xhosa.
    Ein Schwarzer Mann, der die Farben einer Mannschaft trägt, die einst ein Synonym für Rassentrennung war. Kolisi gilt als einer der besten Flügelspieler der Welt, ist ein leuchtendes Beispiel für Nelson Mandelas Vision einer Regenbogennation. Und ein Symbol der Hoffnung für sein Land, sagt Shaun Landsberg, Sportpsychologe und Rugbyexperte:
    "Kolisi steht für alles, was man durch Mut und Hartnäckigkeit erreichen kann. Ganz unabhängig von Herkunft, eigener Geschichte oder Kultur, er ist das beste Beispiel dafür, was man trotz schwieriger Lebensumstände schaffen kann."
    Nach 2019 will Kolisi zum zweiten Mal den Siegpokal in den Himmel halten - nicht für sich selbst, wie er sagt, sondern für 62 Millionen Südafrikaner unterschiedlicher Stämme, Hautfarben und Glaubensrichtungen.

    Südafrika und die Macht der Bilder

    Südafrika ist ein Land der Symbolik. Als das Team vom Kap 1995 Rugby-Weltmeister wurde, war auch Nelson Mandela auf der Tribüne. Zum ersten Mal feierten Weiße und Schwarze zusammen einen Erfolg in dieser Sportart. Bis dahin galt für Schwarze der Rugby-Sport als Symbol der Unterdrückung, der von Weißen gespielt wurde. Nun einte er die Nation für einen kurzen Moment. Die Bilder gingen um die Welt.
    Der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki folgte 2007 Mandelas Beispiel, als die Springboks zum zweiten Mal den WM-Titel holten. Und beim dritten WM-Sieg 2019 war der amtierende Staatschef Cyril Ramaphosa dabei. Auch für das aktuelle Finale am Samstag im Stade de France hat sich der südafrikanische Präsident angekündigt. Vielleicht braucht Ramaphosa diesen Sieg mehr als je zuvor.

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    Stimmung in Südafrika vor den Wahlen 2024

    Ramaphosa will seine Partei, den African National Congress (ANC), im kommenden Jahr in die Wahlen führen. Aber die Stimmung im Land ist schlecht und der ANC wird dafür verantwortlich gemacht:
    Arbeitslosigkeit, Kollaps der Staatskonzerne, Korruption, Stromausfälle, Wasserknappheit, Kriminalität. Südafrika ist immer noch das Land mit der größten Ungleichheit weltweit. Ein Sieg der Springboks würde zumindest teilweise die Stimmung heben.

    Schwerer Weg ins Rugby-Finale

    Das Team hatte keinen leichten Weg ins Finale: Irland und Frankreich waren harte Gegner, das Halbfinale gegen England sah bis kurz vor Ende verloren aus. Und dann drohte den Boks noch die Sperre eines ihrer wichtigsten Spieler: Mbongeni Mbonambi soll einen englischen Nationalspieler rassistisch beleidigt haben.
    Der Weltverband untersuchte den Vorfall, am Ende konnte Mbonambi nichts nachgewiesen werden. Die Sache aber macht deutlich, wie angespannt die Beziehungen zwischen Südafrikas Bevölkerungsgruppen auch heute noch, 29 Jahre nach der ersten demokratischen Wahl, sind. Es braucht nicht viel, um alte Wunden aufzureißen.

    Springboks vereinen Millionen

    Immer wieder betonte die Mannschaft während des Turniers: "Wir tun es für die Fans, fürs Land". Nie waren die Springboks diverser, nie dem Land ähnlicher, für das sie spielen. Durch die zunehmende Vielfalt haben die Spieler ein besseres Verständnis dafür gewonnen, wen sie repräsentieren. Sie wissen um ihre Rolle in der Gesellschaft: Sie lösen keine Probleme, aber sie können Hoffnung und eine greifbare Vision davon bieten, wie Erfolg aussieht und sich anfühlt.
    Gegen Neuseeland winkt den Springboks nun der vierte Titel nach 1995, 2007 und 2019 - damit wären sie alleinige Rekord-Weltmeister. Auch die "All Blacks" aus Neuseeland, bisher ebenfalls mit drei WM-Titeln dekoriert, hoffen auf diesen besonderen Erfolg. In Südafrika sind Millionen in Vorfreude auf dieses Spiel vereint.
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