Erstmals in USA: Gefangener mit Stickstoffgas hingerichtet

    EU-Kritik an Tötung in USA:Hinrichten mit Stickstoff "besonders grausam"

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    Erstmals ist ein Häftling in den USA mit Stickstoff hingerichtet worden. Die Exekution ist hoch umstritten - es sei eine "besonders grausame" Methode, kritisierte die EU.

    Pressekonferenz nach der Stickstoff-Hinrichtung in Albama
    In den USA ist erstmals ein zum Tode Verurteilter mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Seine Anwälte hatten vergeblich versucht, die Hinrichtung zu stoppen.26.01.2024 | 0:20 min
    In den USA ist erstmals ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der wegen Mordes verurteilte 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde am Donnerstagabend (Ortszeit) in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels sogenannter Stickstoffhypoxie exekutiert, wie Alabamas Justizminister Steve Marshall im Anschluss mitteilte.
    Die Hinrichtungsmethode sei nicht nur in den USA, sondern weltweit erstmals zum Einsatz gekommen, erklärte Marshall.

    Gezuckt und abnormal geatmet

    Hingerichtet wurde Smith in einem Gefängnis in der kleinen Stadt Atmore in dem Bundesstaat im Süden der USA. Nach Angaben von Marshall dauerte die Prozedur weniger als 30 Minuten. Bei der Exekution waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHNT. Ihr zufolge sagte Smith kurz vor seinem Tod:

    Heute Abend hat Alabama die Menschheit dazu gebracht, einen Schritt zurück zu machen. [...] Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht.

    Kenneth Eugene Smith

    Die Reporterin berichtete weiter, mit dem Start der Stickstoffzufuhr habe Smith begonnen, sich zu winden und zu zittern. Mehrere Minuten lang habe er schwer geatmet, bevor schließlich keine Atemzüge mehr zu beobachten gewesen seien.
    Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden und entspreche dem Forschungsstand zu Stickstoffhypoxie.

    Bei der sogenannten Stickstoff-Hypoxie wird dem Häftling über eine Gesichtsmaske reiner Stickstoff zugeführt, wodurch er keinen Sauerstoff einatmen kann und stirbt. Dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, halten Experten der Vereinten Nationen für nicht wissenschaftlich bewiesen. Drei Staaten - Alabama, Mississippi und Oklahoma - haben die Stickstoffhypoxie als Hinrichtungsmethode zugelassen.

    Quelle: dpa, AP

    UNO und EU verurteilen Hinrichtung mit Stickstoffgas

    Die EU und die Vereinten Nationen verurteilten die Hinrichtung. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte, die neuartige und unerprobte Methode des Erstickens durch Stickstoffgas könne womöglich "Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen".
    Ein EU-Sprecher sagte, nach Einschätzung von Experten handele es sich um eine "besonders grausame" Methode.
    Alabama ist einer von drei US-Bundesstaaten, die eine Hinrichtung mit Stickstoffgas erlauben.

    Eilantrag in letzter Minute abgewiesen

    Smiths Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Hinrichtung zu stoppen. Doch weder die zuständigen Gerichte in Alabama noch der Oberste US-Gerichtshof waren ihren Gesuchen gefolgt. Der Supreme Court wies noch in letzter Minute am Donnerstagabend einen weiteren Eilantrag ab.
    Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen auch die Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey, aufgefordert, noch zu intervenieren - auch das vergeblich.
    31.01.24, Montgomery: Demonstranten stehen mit Schildern und Plakaten vor dem State Capitol um gegen eine Hinrichtung mit Stickstoff zu protestieren.
    Trotz Bedenken von Menschenrechtsexperten plant der Bundesstaat Alabama die Hinrichtung eines Mannes durch Stickstoff. Eine Intervention der Gouverneurin gilt als unwahrscheinlich.26.01.2024 | 2:18 min
    Alabamas Justizminister Marshall tat all das als Druckkampagnen von Aktivisten ab, die die Todesstrafe ablehnten und ignorierten, dass die neue Methode "human und effektiv" sei. Er verkündete:

    Alabama hat etwas Historisches erreicht.

    Steve Marshall, Justizminister von Alabama

    Trotz der internationalen Bemühungen von Aktivisten, das Justizsystem zu untergraben und Opfern abscheulicher Morde die ihnen zustehende Gerechtigkeit zu verweigern, biete Alabamas "bewährte Methode" nun eine Blaupause für andere Staaten.

    Die Geschichte des Falls Smith reicht weit zurück: 1988 hatte sich der damals 22-Jährige im Gegenzug für die Zahlung von 1.000 US-Dollar auf einen Auftragsmord eingelassen. Opfer war die Ehefrau des Auftraggebers, der sich eine Woche nach der Tat selbst das Leben nahm. Smith und zwei Mittäter wurden gefasst - einer bekam eine lebenslange Haftstrafe, der andere wurde 2010 mittels Giftspritze hingerichtet.

    Smith hatte im Prozess gegen ihn zwar zugegeben, er sei bei der Tat anwesend gewesen. Er beteuerte aber, sich an der tödlichen Attacke selbst nicht beteiligt zu haben. Nach einem Berufungsverfahren sahen die Geschworenen 1996 eigentlich eine lebenslange Haftstrafe für ihn vor, doch der zuständige Richter setzte sich damals darüber hinweg. Das Gesetz, das dies erlaubte, schaffte Alabama erst 2017 ab - als letzter US-Bundesstaat.

    Quelle: dpa

    Gescheiterter Hinrichtungsversuch mit Giftspritze

    Eigentlich sollte Smith bereits 2022 hingerichtet werden - ebenfalls per Giftspritze. Dem Gefängnispersonal gelang es damals aber nicht, die dafür nötige Kanüle in seinen Arm zu legen. Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht. Nach jenem ersten Hinrichtungsversuch wurde Smith eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert.
    Smith selbst hatte nur wenige Tage vor seiner Hinrichtung aus dem Gefängnis mit Reportern des britischen "Guardian" telefoniert und berichtet, er sei von Alpträumen geplagt, die davon handelten, in die Hinrichtungskammer zurückkehren zu müssen.

    Dafür bin ich nicht bereit. [...] Auf keinen Fall. Ich bin einfach nicht bereit.

    Kenneth Eugene Smith

    Angehörige der Frau, die 1988 bei dem Auftragsmord getötet worden war, hatten mit Unverständnis auf die Debatte über Smiths mögliches Leiden reagiert. Ihr Sohn sagte dem Sender WAAY vor der Hinrichtung: "Einige dieser Leute da draußen sagen, er solle nicht so leiden." Doch seine Mutter habe auch leiden müssen. "Sie haben einfach auf sie eingestochen - mehrere Male."

    Die Todesstrafe gibt es in den USA heute noch beim Militär, auf Bundesebene sowie in 27 Bundesstaaten, wobei sie in mehreren dieser Staaten de facto nicht mehr vollstreckt wird. Die zugelassenen Methoden variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat. Die mit Abstand am häufigsten angewandte Methode ist heutzutage die Exekution mit der Giftspritze. Stickstoffhypoxie ist außer in Alabama nur in den Bundesstaaten Oklahoma und Mississippi erlaubt.

    • Seit 1976 gab es insgesamt 1.579 Hinrichtungen, davon bislang 24 im Jahr 2023 (Stand Januar 2024)
    • 2.330 Gefangene sitzen in den USA im Todestrakt (Stand Januar 2024)
    • 72 Prozent der im Jahr 2022 hingerichteten Gefangenen wiesen eine erhebliche psychische Beeinträchtigung auf
    • Die Todesstrafe kann wegen Mord, Hochverrat, Völkermord oder der Tötung oder Entführung einer Person in einem hohen politischen Amt verhängt werden
    • Wer die Todesstrafe bekommt, entscheiden die Geschworenen eines Gerichts; dabei können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen wie das Leiden des Opfers, ein sexueller Übergriff, oder wer das Opfer ist, z.B. Polizeibeamter oder kleines Kind
    • Studien belegen, dass auch die Hautfarbe eine Rolle spielt: die Chance zur Todesstrafe verurteilt zu werden ist höher, wenn der Schuldige schwarz und das Opfer weiß ist
    • Gerichtsfälle, in denen die Todesstrafe verhängt wurde, sind durchschnittlich etwa 700.000 Dollar teurer, als Verfahren ohne Todesstrafe

    Quelle: dpa, Death Penalty Information Center

    Quelle: dpa, AFP, AP
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