Volkskongress: China setzt "rund fünf Prozent" Wachstumsziel

    Volkskongress in Peking :China setzt "rund fünf Prozent" Wachstumsziel

    Miriam Steimer - Leiterin ZDF-Studio Peking
    von Miriam Steimer, Peking
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    Nach drei Prozent Wirtschaftswachstum 2022 hofft Peking mit dem Ende der Null-Covid-Politik auf Erholung – und nutzt Corona weiter als Ausrede, um Berichterstattung einzuschränken.

    In der Theorie ist das, was am Sonntagmorgen in der Großen Halle des Volkes in Peking zusammenkommt die größte gesetzgebende Versammlung der Welt. In der Praxis ist es ein Scheinparlament, das üblicherweise allem zustimmt, was die kommunistische Staats- und Parteiführung vorlegt.
    Fünf Prozent und 7,2 Prozent. Das sind die beiden Zahlen, auf die bei der Eröffnungssitzung des Volkskongresses alle gewartet hatten. Die erste ist das Wachstumsziel, das die Staatsführung in diesem Jahr für ihre Wirtschaft setzt. Es ist einer der niedrigsten Werte der vergangenen Jahrzehnte.

    China forciert Wirtschaftswachstum

    Allerdings war das 5,5-Prozent-Ziel im Vorjahr unter anderem durch die Null-Covid-Politik mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests deutlich verfehlt worden: Mit nur drei Prozent war es die zweitschlechteste Wachstumsrate seit 1976 und nur wenig besser als die 2,2 Prozent 2020, zu Beginn der Pandemie.
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    Die zweite Zahl interessiert vor allem wegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der weiter schwelenden Taiwan-Frage: Chinas Verteidigungshaushalt. Mit 7,2 Prozent liegt er 0,1 Prozent höher als im Vorjahr. Allerdings werden viele Ausgaben für die Armee aus anderen Etats gedeckt.
    Russland und die Ukraine wurden in der Eröffnungsrede des Volkskongresses nicht erwähnt. Die Taiwan-Frage wird im Bericht kurz angesprochen und die bisherige Position untermauert.
    "Man will nach wie vor sämtliche Tendenzen des Separatismus - so bezeichnet Peking das ja - mit Rigorosität bekämpfen und betont auch wieder, dass man sich weiterhin um die 'Standesgenossen' in Taiwan bemühen will", sagt Kristin Shi-Kupfer, Sinologin an der Universität Trier. Peking sieht Taiwan als "abtrünnige Provinz" und spricht seit Jahren von einer "Wiedervereinigung" mit Festland-China.

    Politisches Groß-Ereignis in China

    Der Kongress ist für die Parteidiktatur das größte politische Ereignis des Jahres. Vor den knapp 3.000 nicht demokratisch legitimierten Delegierten legte Premierminister Li Keqiang zum zehnten und letzten Mal seinen Arbeitsbericht vor. Nach zwei Amtszeiten zieht sich der 67-Jährige offiziell aus Altersgründen zurück.
    Allerdings gehört er auch nicht zum Lager von Parteichef Xi Jinping. Im Gegensatz zu dem Mann, der als sein Nachfolger auserkoren wurde: Der frühere Parteichef von Shanghai, Li Qiang, der dort im Amt war, als über die Hafenstadt im Frühjahr 2022 ein zweimonatiger extremer Lockdown verhängt wurde. Die teils chaotischen Zustände inklusive Nahrungsmittelknappheit schadeten ihm offensichtlich nicht.
    Es ist eine von mehreren Personalien, die im Oktober beim Partei-Kongress entscheiden und nun vom Volkskongress abgesegnet werden. Damit finalisiert Staats- und Parteichef Xi Jinping seinen Personal-Umbau und besetzt Spitzenposten in Regierung und Wirtschaft mit seinen Vertrauten. Außerdem wird er sich selbst – vermutlich einstimmig – für eine dritte Amtszeit als Chinas Staatschef wiederwählen lassen.

    Shi-Kupfer: Verfassungsänderung als formale Bestätigung zur Machtsicherung

    Der Satz in der Verfassung, dass ein Präsident sein Amt "nicht länger als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten ausüben" solle, wurde beim Volkskongress 2018 gestrichen. "Diese formale Bestätigung ist durchaus wichtig gegenüber den Eliten, auch gegenüber der eigenen Bevölkerung, um zu sagen: 'Ich halte mich doch in gewisser Art und Weise an Formalia, mit denen ich regieren will', also Regieren durch das Gesetz", sagt Kristin Shi-Kupfer.
    Auch Chinas Corona-Politik wird im Bericht ausschließlich positiv dargestellt: Das Leben der Menschen habe stets oberste Priorität gehabt, "die Gewährleistung der medizinischen Ressourcen und Güter [ist] intensiviert und alle Coronapatienten nach besten Kräften behandelt" worden.

    Chaotisches Ende aller Corona-Maßnahmen

    Dabei hatte die Staatsführung im Dezember plötzlich und unvorbereitet die extremen Corona-Maßnahmen aufgehoben und damit überfüllte Krankenhäuser und Krematorien in Kauf genommen.
    Wie hart die Folgen der extremen Corona-Maßnahmen für Chinas Wirtschaft waren, zeigt eine Stelle des Berichts besonders:

    Es gibt einen klaren Fokus auf den Arbeitsmarkt: sowohl die Ausweitung von neuen Arbeitsplätzen als auch die Stabilisierung der Arbeitslosenrate wird angesprochen.

    Kristin Shi-Kupfer, Universität Trier

    Obwohl die Staatsführung erst vor zwei Wochen den "großen und entscheidenden Sieg" verkündet hatte, gelten zum Volkskongress ähnlich strenge Maßnahmen wie zu Zeiten der Null-Covid-Politik im Vorjahr. Diplomaten sowie Journalistinnen und Journalisten, die an der Eröffnung in der Großen Halle des Volkes teilnehmen, mussten am Vortag in ein Quarantäne-Hotel.
    Allerdings bekamen nur sehr wenige Medienvertreter aus demokratisch regierten Staaten eine Genehmigung, um vor Ort zu berichten – das ZDF ebenso wie die ARD und viele andere nicht.
    Miriam Steimer leitet das ZDF-Studio in Peking.

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