Bund-Länder-Pakt :Turbo für Bauvorhaben: Umweltverbände besorgt
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Bund und Länder wollen bei der Energiewende und beim Bauen den Turbo zünden - doch Umweltverbände fürchten, dass das auf Kosten der Natur geschieht.
Bund und Länder haben einen Pakt für mehr Tempo und weniger Bürokratie beim Planen und Bauen beschlossen. Baugenehmigungen sollen so beispielsweise vereinheitlicht werden.07.11.2023 | 1:28 min
Mehr Tempo in Planungs- und Genehmigungsverfahren soll den Bau von Windrädern, Stromtrassen, Bahnstrecken und Wohnungen beschleunigen. Bund und Länder haben sich auf einen Beschleunigungspakt zur Verschlankung von Verfahren und zur Reduzierung von Genehmigungsverfahren geeinigt.
So soll etwa der Bau von Wohnungen, der Ausbau von Dachgeschossen und das Aufstellen von Mobilfunkmasten erleichtert werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von rund 100 Einzelregelungen, die das Paket umfasse.
Nabu: Einseitiger Abbau von Umweltstandards
Umweltverbände fürchten, dass dies auf Kosten der Natur geschieht. Die Maßnahmen versprächen Geschwindigkeit durch den einseitigen Abbau von Umweltstandards, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland.
Bund und Länder haben einen Pakt für Planungsbeschleunigung beschlossen. Sehen Sie die Statements von Olaf Scholz, Boris Rhein und Stephan Weil am Rande des Bund-Länder-Gipfels.06.11.2023 | 11:41 min
Bauordnungen sollen vereinheitlicht werden
Für mehr Wohnungsbau wollen Bund und Länder zum Beispiel die Bauordnungen vereinheitlichen. Wenn ein Haus in einem Land genehmigt wurde, sollen für baugleiche Gebäude woanders weniger umfangreiche Verfahren gelten. Ein Dachgeschoss als Wohnung auszubauen, soll unter bestimmten Bedingungen ohne Genehmigung möglich sein.
Der Um- und Ausbau von Wohnungen werde zudem nicht mehr an Auto-Stellplätzen scheitern, betonte der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU). Außerdem könne ein Windrad ohne weitere Genehmigung an der gleichen Stelle durch ein anderes ersetzt werden. "Ich freue mich sehr darüber, dass wir einig sind als Bund und Länder, und das ist im Föderalismus eben wichtig", betonte Rhein.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fasste zusammen:
Jetzt solle vieles einfacher und damit auch billiger werden, so Weil.
Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen grundsätzlich digitalisiert und damit massiv beschleunigt werden.
Um ausufernde Verfahren zu verhindern, soll eine Stichtagsregelung in Planungs- und Genehmigungsverfahren eingeführt werden. Etwa beim Mobilfunkausbau soll es künfig sogenannte Genehmigungsfiktionen geben - Anträge werden nach Ablauf von Fristen einfach als genehmigt angesehen.
Diese sollen vor allem bei Windenergieanlagen und im Verkehrsbereich umgesetzt werden. Der Bund soll diese aber auch auf weitere Planungsgesetze ausweiten. Der Bund will eine Gutachterdatenbank und ein Umweltdatenkataster anlegen, damit Daten nicht dauernd neu aufgenommen und durch Gutachter beurteilt werden müssen.
Künftig sollen etwa im Verkehrs- und Energiebereich Ersatzbauten wie größere Windanlagen genehmigungsfrei sein.
Der Bund soll die rechtliche Möglichkeit schaffen, damit Baumaßnahmen bereits vor dem nötigen Bescheid begonnen werden können und einige nötige Unterlagen erst danach eingereicht oder geprüft werden.
Im Baugesetzbuch soll die Digitalisierung des gesamten Verfahrens festgeschrieben werden. Vorschriften sollen etwa beim Ausbau von Fotovoltaik-Freiflächen oder Geothermie-Anlagen abgebaut werden. Länder sollen Typengenehmigungen für Gebäude in ihre Landesbauordnungen aufnehmen, damit nicht alle Bauten pro Bundesland neu geprüft werden müssen. Dazu soll auch die Musterbauordnung ausgeweitet werden.
Etwa für den Windkraft-Ausbau sind viele Schwertransporte nötig. Hier sollen bisher nötige, oft kleinteilige Genehmigungen gebündelt werden.
Weil "adäquate" Personalausstattung bei Planungs- und Genehmigungsbehörden nötig sei, und der weit überwiegende Teil des erforderlichen Personals bei Landes- und Kommunalbehörden tätig sei, "erwarten" die Länder vom Bund, dass er ihnen 500 Millionen Euro als Festbetrag im Rahmen der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zur Verfügung stellt.
Die Umsetzung des Pakts soll regelmäßig überprüft werden. Erste Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2024 vorliegen.
Quelle: Reuters
Lob von Opposition und Industrie
Oppositionsführer Friedrich Merz lobte vor allem die Länder, bei dem Thema nicht locker gelassen zu haben. Jetzt müssten aber schnell Gesetze kommen, sagte der CDU-Chef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Branchenverband der chemisch-pharmazeutischen Industrie bezeichnete die Pläne als großen Wurf. "Ein zweijähriges politisches Tauziehen ist damit endlich beendet", erklärte er. Viel zu lange seien komplizierte Verfahren ein Nadelöhr zur Transformation der Wirtschaft gewesen.
Kritik von Umweltverbänden
Umwelt- und Naturschutzverbände dagegen haben große Bedenken. Das Paket schränke Beteiligungsmöglichkeiten ein und senke Umweltstandards, warnte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Dabei werde Geschwindigkeit aktuell "in unterbesetzten Verwaltungen und Gerichten verloren und nicht durch das Abholzen von Wäldern gewonnen".
Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte ebenfalls eine Absenkung von Umweltstandards zugunsten von Wirtschaftsinteressen. So erklärte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner:
Öffentliche Erörterungstermine würden eingeschränkt und Rechtswege beschränkt. "Umweltstandards zu senken und demokratische Teilhabe zu erschweren, wird Deutschland bestimmt nicht für die Zukunft rüsten", warnte er.
Die deutsche Wirtschaft hat ein Problem mit zu viel Bürokratie. Dieses Thema möchte die Bundesregierung angehen. 25.10.2023 | 1:31 min
Habeck und Lemke: Wettbewerbsfähig bleiben
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) gingen auf die Kritik der Verbände ein: "Wir werden daher in der nun anstehenden Umsetzung dieser Verabredungen weiterhin darauf achten, dass Transparenz und Rechtsschutz gewahrt sowie Umwelt- und Naturschutzstandards nicht gesenkt werden", versprachen sie.
Schnellere Verfahren und weniger Bürokratie seien aber nötig, um Deutschland zu modernisieren und klimafreundlicher zu machen. "Nur wenn Deutschland schneller wird, bleiben wir wettbewerbsfähig", argumentierten Habeck und Lemke.
Bund und Länder haben sich auf eine Finanzierung der Flüchtlingskosten geeinigt. Der Bund zahle künftig 7.500 Euro pro Flüchtling, so Kanzler Scholz. Was noch beschlossen wurde: