Brandenburg kämpft mit neuem Studiengang gegen Lehrermangel

    Neuer Studiengang in Brandenburg:Lehrermangel: "Vom Reden ins Handeln kommen"

    von Katrin Lindner
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    Im Land fehlt es an Lehrern, nicht erst seit heute. In Senftenberg an der TU wird ein neuer Studiengang für Grundschullehrkräfte eröffnet. Ein Hoffnungsschimmer. Aber reicht das?

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    Kleine Schultüten und viel Applaus für gut 50 Studierende an der Technischen Universität in Senftenberg. Sie sind die Ersten, die im neuen Studiengang Grundschullehramt starten.
    Ihr Studienort Senftenberg liegt mitten in der Lausitz, eine Region, die durch den Kohleausstieg um ihre Zukunft kämpft und dringend Lehrer braucht. Annemarie Lehmann ist nicht weit von hier entfernt aufgewachsen - wie fast zwei Drittel der neuen Lehramtsstudenten. Und sie freut sich, dass in der Lausitz ihr Studium beginnen kann:

    Gut, dass es hier stattfindet. Der andere Studienort in Brandenburg, Potsdam war überfüllt.

    Annemarie Lehmann, Lehramtsstudentin

    Studiengang sucht bundesweit seinesgleichen

    Doch es ist nicht nur die Lage des Studienortes, der sie überzeugt hat. Dieses Studium sucht bundesweit seinesgleichen, denn alle der Studierenden gehen ein Mal pro Woche in eine Schule zu einem Praxistag, um Erfahrung zu sammeln.
    In nur zehn Monaten wurde dieser Studiengang eingerichtet. Normalerweise dauert so etwas zwei Jahre, heißt es. Und so sprechen sie hier von Senftenberggeschwindigkeit.

    Lehrerverband: bis zu 30.000 unbesetze Stellen bundesweit

    Die Brandenburger Ministerin Manja Schüle (SPD) überreicht an die Verantwortlichen dafür einen ganz, ganz kleinen Oscar. Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg:

    Die Lehrkräfteversorgung ist die größte bildungspolitische Aufgabe. Wir als Brandenburger wollten vom Reden ins Handeln kommen.

    Manja Schüle (SPD), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg

    Handeln ist dringend notwendig. Bundesweit geht der Lehrerverband von bis zu 30.000 unbesetzten Stellen aus. Momentan. Die Kultusministerkonferenz schätzt, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler bis 2035 um eine Million zunehmen wird. Um das abzufedern, werden zusätzlich 50.000 Lehrer benötigt, so der Lehrerverband.
    Ein Kraftakt. Das wissen sie im Norden von Brandenburg. An der Oberschule Werner-von-Siemens in Gransee sitzen die Lehrer in ihrem Lehrerzimmer. Schnell noch müssen Lücken im Stundenplan gestopft werden.
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    Realität an Schulen: Ausfälle und Seiteneinsteiger

    Zwar konnte die Schule alle Lehrerstellen besetzten. Doch das sieht nur auf dem Papier gut aus. Die Praxis: Fast ein Viertel der Lehrerinnen und Lehrer ist momentan krank. Und so hat Lehrer André Godomski nur einen einzigen Wunsch:

    Ich wünsche mir einfach, dass wir hier wieder mehr Kollegen an der Schule sind.

    André Godomski, Lehrer in Gransee (Brandenburg)

    Die, die da sind, müssen die Last auf ihren Schultern verteilen. Lehrerin Nicole Höfs erklärt: "Wir haben ja auch den Anteil von Seiteneinsteigern, den wir betreuen müssen. Wir haben Arbeitsbesprechungen, Nachbereitungen und dann führt eine 20-Stunden-Unterrichtswoche zu einer 40- bis 60-Stunden-Arbeitswoche."
    Rund ein Drittel der Lehrer an ihrer Schule sind Seiteneinsteiger. Ausgebildete Pädagogen sind für ihre Schule schwer zu bekommen, erklärt Schuldirektor Theo Schierbaum.

    Gewerkschaft kritisiert Politik

    Die Gewerkschaft fordert Reduzierung auf das Wesentliche in den Lehrplänen, multifunktionale Teams mit Psychologen und medizinischer Betreuung an den Schulen. Stattdessen fehlt es immer noch an Lehrern - trotz immer mehr Seiteneinsteigern, kritisiert Günther Fuchs von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Brandenburg:

    Wir haben vor zehn Jahren vor diesem Problem schon gewarnt. Es war klar, in welche Falle wir hier laufen. Es ist nicht vom Himmel gefallen, es ist politisch bewusst herbeigeführt.

    Günther Fuchs, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Brandenburg

    In Senftenberg sind sie einen Schritt gegangen und wissen: Es ist ein Anfang. Die großen Herausforderungen sind schon absehbar: Gewerkschafter Fuchs fasst es ganz knapp zusammen: "In den nächsten zehn Jahren werden in Brandenburg die Hälfte der Lehrer in Rente gehen." Annemarie Lehmann und die anderen Studierenden in Senftenberg werden das nicht auffangen können.
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