Queere Menschen im Nationalsozialismus: Liebe als Verbrechen

    Nationalsozialismus:Queere Menschen: Ihr Verbrechen war die Liebe

    von Sebastian Scherrer
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    Wie sexuelle Minderheiten im Nationalsozialismus verfolgt wurden, zeigt eine Dokumentation von ZDFinfo. Die Dreharbeiten: eine echte Herausforderung, berichtet Regisseur Scherrer.

    Transfrau Liddy Bacroff im Vordergrund. Im Hintergrund links Gefangene im Konzentrationslager Sachsenhausen; rechts eine Tafel mit KZ-Kennzeichen.
    Warum wurden Schwule, Lesben und Transpersonen im Nationalsozialismus verfolgt? Die Dokumentation zeigt, wie die Nazis Strafen verschärften und queere Menschen terrorisierten.27.01.2024 | 44:58 min
    Der Film bringt die verschollenen Biographien queerer Personen in der NS-Zeit ans Licht. Gemeinsam mit den Aktivistinnen Julia Monro und Kerstin Thost sowie dem Schauspieler Jannik Schümann begab sich unser Team auf eine Reise in die Vergangenheit, um die bewegenden Lebensgeschichten von Rudolf Brazda, Liddy Bacroff und Elli Smula zu rekonstruieren.

    "Queer" als Überthema

    Für das Team - bestehend aus mir als Regisseur, meinem Producer Fabio Mauro und den Mitarbeitern von Februar Film - stellte dieses Projekt eine besondere Aufgabe dar. Bereits die Auswahl der Geschichten, die wir erzählen wollten, war ein komplexer Prozess.
    Der Schriftzug "Arbeit macht frei" ist am Tor zum früheren Konzentrationslager Auschwitz I zu sehen.
    Gut 18 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs begann der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess. Damals ein wichtiger Schritt hin zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust.20.12.2023 | 1:36 min
    Die Herausforderung, Menschen in einem Film zu porträtieren, liegt darin, dass es um individuelle Lebensgeschichten geht. Wenn man so einen breiten Begriff wie "queer" als Überthema behandelt, ist das nicht einfach.

    Oftmals nur noch Stolpersteine als Erinnerung

    Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, wählten wir mit Brazda einen schwulen Fall, wagten durch das Leben von Elli Smula einen Blick in die lesbische Lebenswelt und nahmen mit Liddy Bacroff einen Fall auf, der in erster Linie gar nichts mit Sexualität zu tun hat, sondern mit der Frage geschlechtlicher Identität.
    Bild zweier Stolpersteine
    Dieses Video erklärt, wie man Stolpersteine reinigt, damit diese nicht in Vergessenheit geraten13.11.2019 | 2:11 min
    Die nächste Herausforderung begegnete uns, als wir herausfanden, dass die Spuren, denen wir folgen wollten, kaum noch vorhanden sind. Die meisten Schauplätze, an denen sich das Leben unserer Protagonisten abspielte, sind verschwunden. Und an jenen, die es noch gibt, erinnert bis auf den einen oder anderen Stolperstein kaum noch etwas an die Schicksale der Menschen, die dort waren.

    Wenig Forschung vorhanden

    In den Quellen sieht es nicht besser aus. In der Zeit des Nationalsozialismus waren homosexuelle Menschen marginalisiert. Wenn sie überhaupt Eingang fanden in Artikel, Wochenschauen oder Akten, dann immer im Blickwinkel ihrer Verfolger. Sie müssen also genau und kritisch gelesen werden.
    Erschwerend kommt hinzu, dass es an umfassender wissenschaftlicher Forschung zu diesem Thema mangelt. Studien zur queeren Geschichte sind selten - und vieles von jenem, das wir erzählen wollten, war bislang wissenschaftlich überhaupt noch nicht aufgearbeitet. Trotz dieser Schwierigkeiten gelangen uns hin und wieder Überraschungen, die den Schleier für einen Moment heben konnten und einen Blick in die queere Lebensrealität ermöglichten.



    "Ich habe meine Natur gelebt"

    Im Fall von Liddy Bacroff waren es literarische Selbstzeugnisse, die einen wertvollen Einblick in die Eigenwahrnehmung einer queeren Person vor etwa hundert Jahren erlaubten. Wenn sie dort schreibt:

    Irgendwo in der Welt, ohne dass man viel Aufsehen davon machen wird, werde auch ich enden; aber keine Klage wird, wenn es so weit ist, über meine Lippen kommen, denn ich habe meine Natur gelebt.

    Liddy Bacroff

    So berührt das angesichts der Tatsache, dass sie nur kurze Zeit später in Mauthausen ermordet wurde. Und das, weil sie selbstbestimmt leben wollte.

    Wunsch nach Freiheit verwehrt

    Der Film "Verbotene Liebe" war ein Projekt, dass uns durch seine Schwierigkeiten, aber auch durch seine berührenden Einblicke in Erinnerung bleiben wird. Dies betrifft besonders die historischen Schicksale.
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    Die Befehle im Dritten Reich wurden von Männern gegeben, doch auch Frauen haben sich schuldig gemacht – als Aufseherinnen oder Ärztinnen im KZ.19.08.2020 | 43:02 min
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    Doku | ZDFinfo Doku
    :Holocaust-Gedenktag

    Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee Auschwitz. Der Ort gilt heute als Synonym für den Holocaust.
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