Fördermittel-Vergabe: Vetternwirtschaft in Wissings Haus?

    FAQ

    Kritik an Fördermittel-Vergabe:Vetternwirtschaft in Wissings Ministerium?

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Hat ein Mitarbeiter von Volker Wissing seinen Freunden Millionen Euro an Fördergeldern zugeteilt? Der Verdacht der Vetternwirtschaft steht im Raum. Eine Gefahr für den Minister?

    Volker Wissing
    Archivbild von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Sein Haus steht wegen möglicher Vetternwirtschaft in der Kritik.
    Quelle: dpa

    Worum geht es?

    Um einen Abteilungsleiter im Verkehrsministerium, der dort für das Thema Wasserstoff zuständig ist. Er soll mit einer Führungskraft des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands befreundet sein und einem bayerischen Unternehmer (Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu die Aktualisierung vom 7. September 2023 am Ende dieses Beitrags).
    Dieser Branchenverband sowie mehrere Gesellschaften des Unternehmers sollen etwa 28 Millionen Euro Fördergelder aus einem nationalen Innovationsprogramm für Wasserstofftechnologie bekommen haben. Dieses Programm wird vom Verkehrsministerium verantwortet. Im Kern geht es um die Frage, ob die Millionen wegen der privaten Kontakte des Abteilungsleiters geflossen sind.

    Was ist dran an den Vorwürfen?

    Das Verkehrsministerium sagt: Nichts. Zumindest Stand jetzt. Denn der Abteilungsleiter im Verkehrsministerium könne gar nicht darüber entscheiden, wer die Fördergelder erhält. Das mache ein "beliehener Experte". Das Ministerium prüft die Vorwürfe aber. Eine Sprecherin des Ministeriums sagt ZDFheute:

    Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst. Derzeit läuft eine interne Prüfung.

    Sprecherin des Verkehrsministeriums

    Die Untersuchung werde "in der gebotenen Gründlichkeit durchgeführt". Details will das Ministerium erst nach Abschluss der Prüfung kommunizieren.
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    In Robert Habecks Ministerium musste aufgrund von Filz-Vorwürfen ein Staatssekretär gehen:

    Wäre Vetternwirtschaft denkbar?

    Theoretisch ja. Es könnte ja sein, dass der Abteilungsleiter zwar nicht offiziell zuständig war für die Vergabe der Fördergelder. Trotzdem könnte er verdeckt Einfluss auf den Prozess genommen haben. Auf einer Pressekonferenz am Montag wollte ein Sprecher des Ministeriums diese Frage nicht eindeutig beantworten.
    Politiker der Ampel-Koalition fordern Aufklärung durch das Verkehrsministerium. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte dem Handelsblatt, Privates und Dienstliches müssten strikt getrennt werden. Und der Verkehrspolitiker der Grünen, Stefan Gelbhaar, drängt auf Transparenz:

    Die Vergabepraxis jedes Ministeriums muss klar nachvollziehbar sein, so dass kein Zweifel an der sauberen Verwendung von Steuermitteln entstehen kann.

    Stefan Gelbhaar, B'90/Grüne

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    Welche Kritik gibt es noch?

    Ganz grundsätzliche. Warum fördert ein Ministerium überhaupt einen Branchenverband? Ist das die Aufgabe eines Ministeriums? Eine Sprecherin der Organisation Lobbycontrol sagt ZDFheute:

    Eine Förderung über 28 Millionen Euro für ein Vorhaben, das eigentlich nicht im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministerium liegt, ist ebenfalls ungewöhnlich.

    Nina Katzemich, Lobbycontrol

    Sollten der Abteilungsleiter im Ministerium und die Empfänger der Fördergelder tatsächlich enge Freunde sein, wäre das "hochproblematisch". Beamte müssten neutral sein und Abstand zur Wasserstoffindustrie halten, so Lobbycontrol.
    Das Handelsblatt berichtet außerdem von einer weiteren Förderung aus dem Hause Wissing. Dabei sollen 72,5 Millionen Euro für ein Wasserstoffzentrum geflossen sein. Offen ist die Frage, ob der Abteilungsleiter dieser Förderung direkt zugestimmt hat.

    Kann das Volker Wissing gefährlich werden?

    Denkbar, ja. Die Opposition verweist bereits darauf, dass es sich bei dem Abteilungsleiter um einen hohen politischen Beamten im Ministerium von Volker Wissing (FDP) handele. Dahinter steht das Argument, dass ein Minister für die Vorgänge in seinem Haus politisch verantwortlich ist.
    Lobbycontrol spricht bereits von "fragwürdigen Vergabepraktiken im Ministerium" insgesamt und fordert "transparente Regeln für alle Ministerien" bei der Vergabe von Fördergeldern. Diese müssten von einer unabhängigen Stelle kontrolliert werden.
    Heikel ist der Vorgang auch deswegen, weil es in der Ampel gerade erst einen Fall von möglicher Vetternwirtschaft gegeben hat. Der Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck (B'90/Grüne), Patrick Graichen, hatte wegen der sogenannten "Trauzeugen-Affäre" seinen Job verloren.
    Aktualisierung vom 7. September 2023: Soweit es in unserem Beitrag vom 4. August 2023 heißt, dass der Abteilungsleiter im Verkehrsministerium mit einem bayerischen Unternehmer befreundet sein soll und neben dem Branchenverband auch mehrere Gesellschaften des Unternehmers Fördergelder in Millionenhöhe erhalten haben sollen, steht inzwischen fest, dass kein Freundschaftsverhältnis zu dem bayerischen Unternehmer bestand.
    In einer gestern vom Handelsblatt veröffentlichten Klarstellung heißt es u.a.: "[Der Abteilungsleiter] … ist nach uns nunmehr vorliegenden Erkenntnissen mit dem bayerischen Unternehmer weder befreundet noch mit diesem in einen gemeinsamen Urlaub gefahren. Auch den Verdacht, dass die Fördermittelvergabe an diesen bayerischen Unternehmer auf privaten Freundschaften … [des Abteilungsleiters] beruhte, halten wir vor diesem Hintergrund nicht weiter aufrecht."

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