Kritik an Visa-Vergabe für Erdbebenopfer

    Hohe Hürden für Betroffene:Kritik an Visa-Vergabe für Erdbebenopfer

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Erdbebenopfer aus der Türkei sollen leichter Visa für Deutschland bekommen, verspricht die Bundesregierung. Doch bisher sind erst 111 Visa erteilt. Hilfsorganisationen üben Kritik.

    Eine Frau weint um einen Verwandten bei der Beerdigung eines der Erdbebenopfer, die vor fünf Tagen in der türkisch-syrischen Grenzregion zu beklagen waren.
    Viele Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien haben alles unter den Trümmern verloren.
    Quelle: dpa

    Die Idee findet "Pro Asyl" gut. Die Umsetzung allerdings nicht. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert, die Vergabe von Visa für Betroffene des Erdbebens in der Türkei und Syrien sei zu langsam. Der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, sagt ZDFheute:

    Wir kritisieren die bürokratischen Hürden, die höhere Beweislast für die Betroffenen und die Einschränkung auf türkische Staatsangehörige.

    Tareq Alaows, Pro Asyl

    Betroffene müssten Reisepässe vorlegen und nachweisen, dass sie aus dem betroffene Gebiet kämen. Das aber sei für Überlebende eines Erdbebens nicht selbstverständlich. "Die meisten haben keine Dokumente, haben sich gerade gerettet und können keine neuen ausstellen lassen, weil die Behörden vor Ort nicht arbeiten."
    Zwei starke Nachbeben haben am Montagabend die türkisch-syrische Grenzregion erschüttert:

    Faeser und Baerbock besuchen Türkei

    Laut Auswärtigem Amt benötigen Erdbebenopfer außerdem etwa ein biometrisches Foto, eine Krankenversicherung und den Nachweis, dass sie Verwandte in Deutschland haben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigt das Vorgehen. "Wir sind darauf angewiesen, trotz schneller Hilfe darauf zu achten, wer zu uns kommt", sagte sie im Hessischen Rundfunk.
    Eigentlich hatte die Bundesregierung Visa-Erleichterungen versprochen:
    Außerdem habe Deutschland zwei Visa-Stellen in der betroffenen Region eingerichtet. Faeser besucht zur Stunde gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das Erdbebengebiet, unter anderem besichtigen sie einen neu eingerichteten Visa-Annahmebus. Baerbock versprach unbürokratische Verfahren sowie weitere Hilfen für die Betroffenen.

    Grüne Jugend kritisiert Faeser

    Allerdings gibt es an den Visa-Regelungen auch Kritik aus den eigenen Reihen. Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özuguz (SPD) moniert, es könne nicht so schwer sein für die Behörden, herauszufinden, ob jemand wirklich Mutter, Vater, Geschwister einer hier lebenden Person ist.
    Der Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, kritisiert, Faeser habe den Ernst der Lage zehntausender Betroffener nicht begriffen. Er sagt:

    Wir erwarten von der Innenministerin, unverzüglich für ernsthafte Visa-Erleichterungen zu sorgen und den Menschen in Syrien und der Türkei unbürokratisch und schnell zu helfen.

    Timon Dzienus, Sprecher Grüne Jugend

    AfD-Bundessprecherin Alice Weidel fordert, den Betroffenen "jede erdenkliche Hilfe" zukommen zu lassen. Die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun. Aber: "Die von Innenministerin Faeser geplante erleichterte Visa-Vergabe scheint mir eher ungeeignet, denn die Menschen werden jetzt vor Ort gebraucht", sagt sie ZDFheute.

    Deutschland: Bisher 111 Visa erteilt

    Das Auswärtige Amt teilt auf ZDFheute-Anfrage mit, dass bis Montagabend insgesamt 111 Visa ausgestellt wurden, vergangenen Freitag waren es noch 20.
    96 der 111 Visa seien im beschleunigten Visumverfahren für türkische Staatsangehörige erteilt worden. Diese Visa gelten für 90 Tage. Die anderen 15 Visa gelten dauerhaft, etwa im Rahmen einer Familienzusammenführung. Die meisten davon gingen laut Auswärtigem Amt an syrische Staatsangehörige.

    Bisher stellt Deutschland Hilfen in Höhe von 58 Millionen Euro für die Erdbebenopfer im türkisch-syrischen Grenzgebiet zur Verfügung - davon 8,2 Millionen Euro für Sachlieferungen, hieß es aus der Bundesregierung. Darunter seien etwa 200 Zelte für je zwölf Personen sowie Zeltausstattung wie Feldbetten, Schlafsäcke, Generatoren, Zeltheizung und Beleuchtung.
    Laut Bundesregierung waren im Erdbebengebiet im Einsatz:
    • 52 Helferinnen und Helfer sowie vier Rettungshunde des THW
    • 38 Einsatzkräfte und drei Rettungshunde der NGO @fire
    • 43 Einsatzkräfte und sieben Rettungshunde von I.S.A.R. Germany
    • 25 Einsatzkräften und fünf Rettungshunde der Bundespolizei
    Es seien noch weitere deutsche Hilfsorganisationen vor Ort. Eine abschließende Übersicht über die dort aktiven deutschen Nichtregierungsorganisationen liegt nicht vor.

    Quelle: dpa, Stand: 21.02.2023

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