Finnland wählt: Drei Parteien fast gleichauf an der Spitze

    Finnland wählt:Drei Parteien fast gleichauf an der Spitze

    Heike Kruse
    von Heike Kruse
    |

    Am 2. April wird in Finnland ein neues Parlament gewählt. Die Fünf-Parteien-Koalition mit Sozialdemokratin Sanna Marin an der Spitze könnte abgewählt werden.

    Frauen mit Kinderwafen gehen an Wahlpalkate vorbei
    Die Finnen haben die Wahl. Drei Parteien liegen derzeit nach Umfragen vorne.
    Quelle: ZDF

    Sanna Marin, heute 37 Jahre alt und seit mehr als drei Jahren Regierungschefin, hat Finnland seitdem durch eine aufreibende Zeit geführt: Erst kam die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg des Nachbarlands Russland, das mit Finnland eine 1.340 Kilometer lange gemeinsame Grenze hat. In der EU ist Sanna Marin "everybody`s Darling", im Heimatland sinken ihre Beliebtheitswerte und die ihrer Partei (SDP) gleich mit.

    Drei Parteien liegen vorne

    Nach der neusten Umfrage der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt YLE, liegen so kurz vor der Wahl drei Parteien vorne:
    Die konservative Nationale Sammlungspartei (NCP) unter Führung von Petteri Orpo kommt danach auf 19,8 Prozent der Stimmen, die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" mit Spitzenkandidatin Riika Purra auf 19,5 Prozent und nur auf dem dritten Platz, erneut abgesackt, landet die SDP von Regierungschefin Sanna Marin mit 18,7 Prozent.

    Bei jungen Wählern führen in den Umfragen sogar die Rechtspopulisten

    Markku Jokisipilä, Politologe und Historiker an der Universität Turku, nennt in einem ZDF-Interview Gründe für die guten Umfrageergebnisse "Der Finnen": "Das ist die einzige große Partei, die in vielen Fragen eine Alternative anbietet, sei es bei der EU-Kritik, Klimapolitik, dem Thema Wertekonservatismus oder der Einwanderung."

    Und es scheint, dass es unter den Jüngeren eine große Gruppe gibt, für die der Kampf gegen den Klimawandel nicht die größte Frage ist, sondern Inflation, Kraftstoffpreise und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.

    Markku Jokisipilä, Politologe

    Archiv: Eine Flagge der Nato weht beim NATO-Außenministertreffen.
    Finnlands Regierung spricht sich für den Beitritt des Landes zur NATO aus. Jetzt wird erwartet, dass sich auch die Schweden in den nächsten Tagen für das Bündnis entscheiden.12.05.2022 | 4:05 min

    Sorgen bereiten den Finnen das Gesundheitssystem und die Schulen

    Es gibt viele Themen, die den Menschen zwischen Lappland und Helsinki auf den Nägeln brennen: Die Leistungen finnischer Schüler haben sich im internationalen Vergleich verschlechtert, das Gesundheitssystem hat große Probleme.
    Ein Grund ist der Personalmangel, der überall in Finnland zu spüren ist – ob Küchenhilfe auf der Huskyfarm oder Pflegepersonal im Krankenhaus. Riikka Purra, Parteichefin der Partei "Die Finnen", polarisiert die finnische Gesellschaft. Sie lieferte sich im finnischen TV hitzige Wahldebatten mit Noch-Regierungschefin Sanna Marin.
    Purra begründet den großen Erfolg ihrer Partei gegenüber dem ZDF so:

    Viele in diesem Land haben es satt, Bürger zweiter Klasse zu sein.

    Riikka Purra, Parteichefin "Die Finnen"

    "Dieses Land, in dem man sich darauf konzentriert, dass wir die Welt und das Klima retten. Wir schicken Milliarden irgendwohin, während gleichzeitig die grundlegenden Dienstleistungen bei uns nicht funktionieren. Wir, "Die Finnen", wollen eine sehr viel striktere Einwanderungspolitik und die Kaufkraft der finnischen Lohnempfänger verbessern," erklärt Purra.
    Riikka Purra
    Riikka Purra und ihre Partei "Die Finnen" wollen verbesserte Bedingungen für finnische Bürger.
    Quelle: ZDF

    Der Slogan "Finnland first" zieht

    Das Motto "Finnland first" kommt an. Weder die Konservativen noch die Sozialdemokraten finden ein Gegenmittel. Die Staatsverschuldung Finnlands, die - unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie - zwischen 2019 und 2022 von 64,9 Prozent auf 70,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen ist, stärkt die Regierungsparteien auch nicht gerade.
    Und das Mitte-Links-Bündnis unter Marin, das aus fünf Parteien besteht, verhakte sich in den gut drei Jahren seiner Regierung mehr und mehr in internen Querelen.
    Politologe Markku Jokisipilä zieht diese Wahlkampfbilanz: "Im Vergleich zu anderen Wahlkämpfen wurde recht wenig über internationale Themen gesprochen. Die großen Entscheidungen wie der NATO-Beitritt wurden bereits getroffen, bevor der Wahlkampf begann. Und im Hinblick auf den Nachbarn Russland wartet man ab."

    Es scheint, dass die Politiker keine Visionen entwickeln wollen, wie sich die bilateralen finnisch-russischen Beziehungen gestalten könnten in der Zukunft.

    Markku Jokisipilä, Politologe

    Längere Regierungsbildung wahrscheinlich

    Sanna Marin hat bereits verkündet, dass ihre Partei, die Sozialdemokraten, niemals in eine Koalition mit den rechten "Die Finnen" eintreten würde. Die konservative NCP hält sich da lieber bedeckt; schließlich will Petteri Orpo an die Macht.
    Eine gute Ausgangslage für Riikka Purras "Die Finnen": sie liegt in den Umfragen vorn, und ohne irgendeine Form der Unterstützung oder Tolerierung durch die Rechtspopulisten wird wahrscheinlich niemand in Helsinki regieren können.
    Experten rechnen schon jetzt mit einer längeren Regierungsbildung in Finnland.

    Mehr zu Finnland