Miesbach in Bayern: "Null" Erwartungen an Flüchtlingsgipfel

    Landkreis Miesbach in Bayern:"Null" Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel

    Peter Aumeier
    von Peter Aumeier
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    Mehr Geld - das ist im Kern, was die Bundesländer vom Bund und dem Flüchtlingsgipfel erwarten. Geld löst aber nicht alle Probleme - wie der Landkreis Miesbach in Oberbayern zeigt.

    thorsten-stolz
    Der Main-Kinzig-Kreis hält die Verteilung von Geflüchteten für ungerecht und will mit einer Klage den Druck auf das Land Hessen und den Bund erhöhen. "Das ist ein Hilferuf", so Landrat Thorsten Stolz (SPD).10.05.2023 | 6:11 min
    Die Flüchtlingsunterkunft in der Turnhalle der Berufsschule in Miesbach in Oberbayern ist ein ruhiger und versteckter Ort. Stellwände verdecken die Sicht nach drinnen, nur wenige Menschen kommen heraus. Es ist früh am Morgen, nur wenige Geflüchtete sitzen auf Bierbänken in der Halle, frühstücken. Doch mit Ruhe und Normalität hat die Situation hier wenig zu tun. "Die Dimension ist vielen in der Bevölkerung gar nicht bewusst", sagt Michaela Waizmann, verantwortlich im Landratsamt Miesbach für Ausländer- und Asylangelegenheiten.
    Alle vierzehn Tage kommen rund 50, auch mal 100 weiterer Geflüchtete hinzu. Eine Mail der Regierung von Oberbayern mit der Ankündigung und einer vorläufigen Namensliste - und wenige Tage später kommt ein neuer Bus angefahren. Rund 2.500 Personen, vor allem aus afrikanischen und asiatischen Ländern, waren es bisher in diesem Jahr.

    Und jeder Bus ist auch ein Bus voller Schicksale. Das macht auch was mit einem.

    Teresa Nitsch, Juristin und Abteilungsleiterin im Landratsamt Miesbach

    Leute versammeln sich um die Fluchtstation in Khartum während eines paramilitärischen Angriffs.
    Vor dem Flüchtlingsgipfel haben die Länder eine gemeinsame Beratungsgrundlage verfasst. Sie fordern vom Bund unter anderem eine Kostenerstattung für Flüchtlings-Unterkünfte.09.05.2023 | 0:22 min

    Erwartungen an Flüchtlingsgipfel? "Null", "perspektivlos"

    Der Druck auf ihre rund 30 Mitarbeitenden, die sich um die Aufnahme und Integration kümmern, sagt sie, sei hoch. Offen will keiner darüber sprechen, aber einige denken wohl auch darüber nach, notfalls den Job zu wechseln. "Die Leute sagen, die kriegen doch auch Geld dafür, aber meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind überlastet und am Limit", räumt Miesbachs Landrat, Olaf von Löwis (CSU) ein:
    "Wir geben Vollgas, fühlen uns aber in Stich gelassen". Seine Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel in Berlin seien "null", die Aussichten "perspektivlos".
    Zwei Kinder spielen in einer Flüchtlingsunterkunft
    Städte und Gemeinden schlagen Alarm, weil sie Flüchtlinge kaum mehr unterbringen können. Bund und Länder streiten um Milliardenbeträge und wollen neue Wege der Asylpolitik beraten.08.05.2023 | 3:00 min

    Schlicht kein Wohnraum für Flüchtlinge

    Dabei sei Geld im reichen und beliebten Oberbayern noch nicht einmal das Problem, wie andernorts. Man habe schlicht keinen Wohnraum, den man zur Verfügung stellen könne, gerade in einer Tourismusregion wie am Tegernsee.
    Drei Turnhallen im Landkreis seien bereits belegt, der Bau weiterer Flüchtlingsunterkünfte geplant.

    Wir können nicht die Integration leisten, die erforderlich wäre. Was wir brauchen, ist eine Pause.

    Olaf von Löwis, Landrat von Miesbach

    Es müsse an den Ursachen der Flucht, an der Armut in den Herkunftsländern und zudem an besserer Kontrolle der Außengrenzen und an berechtigter Rückführung gearbeitet werden. Das sei kein "Flüchtlings-Bashing" sagt CSU-Landrat Olaf von Löwis, seine Familiengeschichte sei selbst von Flucht geprägt gewesen: "Das ist auch kein Wahlkampf."

    Bayern: Uneingeschränkt aufnahmebereit

    Und wie sieht es mit der Verteilgerechtigkeit von Geflüchteten aus? Hat Bayern mehr Menschen aufgenommen als andere, was manche vermuten? Auf Anfrage teilt das zuständige Bayerische Innenministerium mit, die bundesweite Verteilung erfolge durch den Bund nach den Quoten des sogenannten "Königsteiner Schlüssels". Für die einzelnen Bundesländer seien Aufnahmequoten festgelegt. Der Schlüssel werde jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl errechnet.
    Schaltgespräch Weil und Sievers
    Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärt zum kommenden Flüchtlingsgipfel: Wenn die Flüchtlingszahl steigt, "dann muss auch der Bund sich beteiligen - ebenso wie die Länder ja".08.05.2023 | 7:27 min
    "Bayern ist uneingeschränkt aufnahmebereit", heißt es wörtlich im Schreiben des Innenministeriums. Von einer Überlastung steht in dem Schreiben nichts.
    Markus Pannermayr ist Oberbürgermeister von Straubing in Niederbayern: knapp 50.000 Einwohner; am "flachen bayerischen Land", würde man dort sagen. Er kennt die Probleme nicht nur vor Ort, Pannermayr ist zudem Vorsitzender des Bayerischen Städtetags, einem Spitzenverband von mehr als 300 bayerischen Städten, Gemeinden und Märkten.

    Bayerischer Städtetag: Flucht-Rhetorik muss behutsam bleiben

    Schon im vergangenen Herbst nannte Pannermayr die Flüchtlings-Situation "sehr angespannt". Integration sei, so der Bayerische Städtetags-Chef nicht mit der Erstaufnahme zu Ende, sondern ein langer Prozess: dabei gehe es um Sprache, Kinderbetreuung, Schule, Berufsbildung, Freizeit, Sport, Kultur und Wohnen. In der immer schärfer geführten Diskussion um Integration warnt Pannermayr, der zuhause in Straubing Kreisvorsitzender der CSU ist, vor einfachen Antworten und vermeintlich schnellen Lösungen.
    Gerade bei schwierigen Themen komme es in angespannten Zeiten auf "sprachliche Disziplin" an. "Die rhetorische Intonierung in Fragen von Asyl und Flucht muss behutsam bleiben, um den komplexen Sachverhalten ebenso wie den betroffenen Menschen gerecht zu werden", so Pannermayr.
    Peter Aumeier ist Redakteur im ZDF-Landesstudio in München.

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