Zu wenig Wohnraum in NRW: "Wir brauchen mehr Flächen"

    Interview

    Zu wenig Wohnraum in NRW:"Wir brauchen mehr Flächen"

    |

    Mehr Verlässlichkeit für die Bauwirtschaft und mehr Baugrundstücke fordert die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach. Nur so lasse sich das Wohnungsproblem lösen.

    NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach wünscht sich vom Bund mehr Klarheit zum Thema Wohnungsbau. Viele würden sich in den Unsicherheiten "verlieren", sagt die CDU-Politikerin im ZDFheute-Interview.
    Sehen Sie oben das komplette Interview oder lesen Sie es hier in Auszügen:
    ZDFheute: Menschen brauchen oft Monate, um eine neue Wohnung zu finden. Gleichzeitig werden viel weniger Wohnungen gebaut als angekündigt. Woran liegt das?
    Ina Scharrenbach: In Nordrhein-Westfalen erreichen wir unsere Zahlen, das ist gut. Aber es gibt zwei wesentliche Faktoren bei den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen: das sind die Bauzinssteigerungen und die Baukostensteigerungen. Die sind exorbitant. Und wir haben auch politische Unwägbarkeiten, die seit über einem Jahr für Investitionsunsicherheit sorgen.
    ZDFheute: Wie sieht die Gesamtlage genau aus?
    Scharrenbach: Sie können sich die Wohnungswirtschaft wie eine riesige Maschine vorstellen, die mit ganz vielen einzelnen Bausteinen daherkommt. Wenn sie an einer Schraube drehen, funktioniert das, dann richtet sich die Maschine gut ein. Aber jetzt wird zusätzlich zu den Zins- und Kostensteigerungen an so vielen Stellen gleichzeitig gedreht - Stichwort Energieeffizienz, Stichwort neue Anforderungen an die Gebäude - dass die Investoren sagen: das ist zur Zeit alles ziemlich unsicher. Wir warten jetzt erst einmal, bis wieder Sicherheit herrscht. Das merken wir an den Baugenehmigungszahlen, in NRW wie bundesweit.
    Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) zum Wohnraummangel im Freistaat: "Fördermöglichkeiten fehlen"
    ZDFheute: Was braucht es, um da rauszukommen?
    Scharrenbach: Klarheit. Nichts ist tödlicher für Investitionen als Unsicherheit und Unklarheit. Aber genau das passiert gerade auf Bundesebene. Nehmen Sie die Debatten wie: Gasheizungen raus, Gasheizungen rein? Erleichterungen für Menschen über 80 oder doch nicht? Das verunsichert in hohem Maße.
    ZDFheute: Was lässt sich auf Landesebene bewirken?
    Scharrenbach: Wir versuchen, für Sicherheit zu sorgen. Dazu gehört die öffentliche Wohnraumförderung: neun Milliarden Euro garantiert bis 2027. Das ist ein stabiler Finanzrahmen, den wir zur Verfügung stellen. Und wir sorgen für Technologieoffenheit, insbesondere wenn es um Modernisierungen geht. Es wird im Bausektor so viel geforscht und entwickelt, dass man gut daran tut, den Gebäudeeigentümern die Wahl zu lassen, wie sie modernisieren. Und mit unserer Allianz für mehr Wohnungsbau bemühen wir uns darum, mehr Baugrundstücke zu gewinnen. Denn ohne bezahlbare Grundstücke kein bezahlbares Wohnen.
    So will die Stadt Berlin den Wohnungsmangel eindämmen:
    ZDFheute: Momentan erreichen wieder verstärkt Flüchtlinge das Land - inwieweit verschärft das die Lage auf dem Wohnungsmarkt?
    Scharrenbach: Wir haben ja in NRW nicht den einen Wohnungsmarkt. Wir haben ganz viele verschiedene Märkte - etwa Köln oder Düsseldorf, die sehr nachgefragt sind. Es gibt aber auch Räume, da ist das Angebot höher als die Nachfrage. De facto haben wir derzeit im gesamten Land fast keinen Leerstand mehr. Im ersten Halbjahr 2022 lebten rund 150.000 Menschen mehr in NRW als im Jahr zuvor - durch innerdeutsche Zuzüge, durch Zuwanderung aus dem Ausland und natürlich durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
    Häuser, die neu gebaut werden.
    In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen, hohe Baupreise treiben die Mieten in die Höhe. Auf dem Wohnungsbau-Tag wird nach Lösungen für die Krise gesucht.20.04.2023 | 1:41 min
    Und dadurch, dass die Wohnungswirtschaft so eine langfristige Investitionsperspektive braucht, kommt der Wohnungsmarkt derzeit nicht mit. Noch ist die Situation okay. Aber wir merken auch, dass Menschen aus den Städten nun nicht mehr raus ins Eigenheim ziehen wie sonst, weil sie das nicht mehr finanziert bekommen. Das wird für zusätzliche Probleme sorgen.
    ZDFheute: Wann wird sich die Lage wieder entspannen? Können Sie den Menschen auf Wohnungssuche etwas versprechen?
    Scharrenbach: Wir müssen in Deutschland eine Grundsatzentscheidung treffen. Wir brauchen in NRW und in der gesamten Bundesrepublik mehr Wohnungen. Dann müssen wir die Erlaubnis haben, mehr Flächen dafür in Anspruch zu nehmen. In NRW halten wir unsere Zahlen, das ist das Entscheidende. Ich gehe davon aus, dass wir die Dinge in dieser Legislaturperiode, als bis 2027, gut auf den Weg bekommen.
    Das Interview führte Dominik Müller-Russell.

    Protokolle von Betroffenen
    :Das sind die Nöte der Wohnungssuchenden

    Sie ist groß, die Wohnungsnot in Deutschland. Vor allem in Ballungsräumen fehlt Wohnraum. Junge Menschen, sozial Schwache und Familien trifft es oftmals besonders hart.
    Zwei Studentinnen betrachten die Wohnungsanzeigen am Schwarzen Brett in der Mensa der Ludwig-Maximilians-Universität

    Mehr zum Thema Wohnungsnot