Ampel-Streit über Bauförderung: Aus der Traum vom Eigenheim

    Ampel-Streit über Bauförderung:Aus der Traum vom Eigenheim

    von Michael Haselrieder
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    Hohe Zinsen und hohe Baukosten: Die eigenen vier Wände werden für viele unbezahlbar. Die Regierung wollte Wohneigentum fördern. Doch bisher ist kaum etwas passiert.

    Bildcollage: Hochhaus, Einfamilienhaus, Geldscheine
    Themenschwerpunkt: Wohnungsnot in Deutschland, Sozialer Wohnungsbau in der Krise, Aus der Traum vom Eigenheim, Baubranche schlägt Alarm, Umstrittenes Energiegesetz28.03.2023 | 44:27 min
    Die Wiese, auf der Sophia und Adrian Leistner ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen wollten, liegt brach. Keine Bagger, nur Gras. Dabei hatte das junge Paar schon vor zwei Jahren ein Grundstück in Ebersdorf bei Coburg gekauft und einen Baukredit aufgenommen. Die Zinsen waren damals sehr niedrig. Doch die Erschließung der Siedlung verzögerte sich.
    "Unsere Finanzierung ist deswegen geplatzt", sagt Sophia Leistner. "Wir müssten eine neue Finanzierung abschließen."

    Aber die Zinsen sind mittlerweile so hoch, dass es für uns einfach zu teuer geworden ist.

    Sophia Leistner, Grundstücksbesitzerin

    Adrian und Sophia Leistner
    Adrian und Sophia Leistner
    Quelle: ZDF

    Monatliche Kreditrate hat sich fast verdoppelt

    Einen Kredit über 350.000 Euro hatten die beiden ursprünglich aufgenommen - zu 1,1 Prozent Zinsen. Das war 2021. "Damals hätten wir eine monatliche Belastung von 1.100 Euro gehabt. Das war perfekt durchkalkuliert, sogar mit potenziellen Kindern. Und mittlerweile wären wir bei fast 2.000 Euro. Das ist für uns nicht mehr stemmbar." Obwohl beide verdienen, können sie sich kein Eigenheim leisten.
    So geht es derzeit vielen Familien in Deutschland. Lange lagen die Bauzinsen mit einer Bindung von zehn Jahren bei rund einem Prozent. Seit Frühjahr 2022 geht es steil nach oben. Im Januar 2023 sind die Zinsen auf 3,5 Prozent gestiegen, zuletzt haben sie zeitweise sogar die Marke von vier Prozent überschritten.

    Immobilie als Altersvorsorge bricht Vielen weg

    Die Folge: Immer weniger Menschen können sich den Schritt von der Miete zum Eigentum noch leisten. Eine fatale Entwicklung auch für die Altersvorsorge, sagt Immobilienökonom Prof. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft:

    Derjenige, der ein Eigenheim hat, spart sich die Miete im Rentenalter. Das Eigenheim ist ein Schutz vor steigenden Mieten, gerade in Großstädten.

    Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft

    Reporterin Wiebke Denker und Joey stehen an der Tür eines Tiny-House. Sie strecken jede ein Bein und einen Arm in die Luft. Mit den anderen Armen halten sie sich an den geöffneten Türen fest. Beide lachen.
    Mehr als 80 Prozent der Deutschen träumen vom eigenen Heim. Doch wer aktuell baut, steht vor vielen Herausforderungen.05.11.2023 | 27:00 min
    Auch deshalb hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag versprochen, Wohneigentum zu fördern. Doch selbst Mitglieder der Regierungsfraktion räumen ein, dass nach 15 Monaten Ampel kaum etwas passiert ist.

    Versprechen zu Eigenheimförderung noch nicht umgesetzt

    "Es ist ein sehr kleinteiliger Abstimmungsprozess in der Ampel", sagt Daniel Föst, baupolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, im Interview mit ZDF frontal. "Es soll jetzt nichts entschuldigen, aber bisher galt unser Fokus den Fragen: Kommen die Menschen über den Winter? Haben wir genug Energie?"

    Aber jetzt, nachdem diese Krisen einigermaßen unter Kontrolle sind, müssten wir uns konzentrieren auf das, was liegen geblieben ist.

    Daniel Föst, baupolitischer Sprecher FDP-Fraktion

    Liegen geblieben ist die Eigenheimförderung. Das Baukindergeld ist ausgelaufen. Im Juni startet ein neues Programm: Baukredite zu niedrigeren Zinsen. Gefördert werden allerdings nur Familien, die bei einem Kind maximal 60.000 Euro brutto im Jahr verdienen - die Grenze erhöht sich um 10.000 Euro bei jedem weiteren Kind.

    In Planung: Förderprogramm gekoppelt an hohe Baustandards

    "Das Programm ist sehr problematisch, weil die Einkommensgrenzen relativ niedrig gewählt sind", sagt Prof. Voigtländer. "Und die Förderung wird nur dann gewährt, wenn man den höchsten Neubaustandard kauft. Und das ist natürlich extrem teuer. Wer in den Fördergrenzen liegt, kann sich solche Neubauten eigentlich nicht leisten."
    Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) verteidigt im Interview mit ZDF frontal das Programm:

    Wir haben uns am Baukindergeld orientiert. Da war das Durchschnittseinkommen der Familien bei 45.000 Euro - also unter dem, was wir jetzt angesetzt haben.

    Klara Geywitz, Bundesbauministerin (SPD)

    Kritik an geplanter Höhe der Eigenheimförderung

    Das neue Programm hat ein Volumen von 350 Millionen Euro. Das werde nicht reichen, kritisiert die Opposition. "Die Eigenheimförderung der Ampel-Bundesregierung ist aus meiner Sicht ein wirklicher Totalausfall", sagt der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

    350 Millionen Euro sind viel zu wenig mit Blick auf die gestiegenen Baukosten und Zinsen.

    Jan-Marco Luczak, baupolitischer Sprecher CDU/CSU-Fraktion

    frontal
    Quelle: ZDF

    Sehen Sie die ganze Sendung des frontal-spezial Teuer Wohnen am heutigen Dienstag um 21.00 Uhr im ZDF im TV und in der ZDF-Mediathek.

    Und selbst der Koalitionspartner ist unzufrieden: "Es ist okay, dass wir mit dem Programm starten, aber es geht in der Tat nicht weit genug", kritisiert FDP-Politiker Föst. "Wir haben noch viele andere Punkte, die wir ergänzen würden. Wir brauchen ein Förderprogramm, das auch wirklich ankommt."
    Sophia und Adrian Leistner aus Ebersdorf hoffen, dass irgendwann die Bedingungen fürs Eigenheim wieder besser werden. Den Spaten für den ersten Spatenstich haben sie schon: "Den hat mein Bruder uns 2021 zu Weihnachten geschenkt. Jetzt ist der nur noch eine gemeine Erinnerung im Keller, dass es mit dem Bau nicht geklappt hat."
    Michael Haselrieder ist Redakteur der ZDF-Investigativ-Redaktion frontal in Berlin.

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