Warum zeigt sich Özil bei Instagram mit Graue-Wölfe-Tattoo?

    Aufregung um Instagram-Foto:Warum zeigt sich Özil mit Graue-Wölfe-Tattoo?

    von Oliver Klein und Felix Klauser
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    Mesut Özil zeigt sich mit einem Tattoo der nationalistischen "Grauen Wölfe" und erntet dafür massive Kritik. Wie rechtsextrem ist diese Gruppierung - und warum tut Özil das?

    Mesut Özil, aufgenommen am 15.06.2018 in Moskau (Russland)
    Aufregung um den ehemaligen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil - warum trägt er ein rechtsradikales Tattoo auf der Brust? (Archivfoto)
    Quelle: dpa

    Große Aufregung um Mesut Özil: Fotos bei Instagram zeigen den früheren Fußball-Weltmeister mit einer umstrittenen Tätowierung auf der Brust - drei Halbmonde und ein heulender Wolf. Es sind Symbole der rechtsextremistischen türkischen "Ülkücü-Bewegung", auch "Graue Wölfe" genannt, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. 
    Die Bilder wurden vom türkischen Fitnesstrainer Alper Aksac am Samstag veröffentlicht, nicht von Özil selbst - der jedoch versah das Posting mit einer "Gefällt mir"-Markierung. Nun wird ihm vorgeworfen, rechtsextreme Symbolik zu verbreiten. Warum tut Özil das?
    Das umstrittene Posting bei Instagram
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    Politikwissenschaftler: Özil ist türkischer Nationalist

    Für Experten ist sein Verhalten keine Überraschung: Özil habe nur ein weiteres Mal bestätigt, "was eh schon alle wissen und was er eh schon offen herumgetragen hat: dass er einfach ein türkischer Nationalist ist", sagt Mahir Tokatli, Politikwissenschaftler der Uni Aachen. Auch das "Anbandeln" mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan spreche für sich - das Foto sei "nicht aus Versehen passiert", es stecke eine gewisse Strategie und Überzeugung dahinter, so Tokatli.

    Ihr Symbol ist der "Graue Wolf", oft zusammen mit drei Halbmonden. Sie nennen sich selbst "Ülkücüler", was auf Deutsch so viel heißt wie "Idealisten". In ihren flammenden Reden fordern sie vehement die Einheit der türkischsprachigen Völker - dieses große Ideal, die zentralasiatische Heimat aller Türken, nennen sie "Turan". Und sie sind viele: Allein in Deutschland schätzt der Verfassungsschutz die Zahl der "Ülkücü"-Anhänger auf 11.000, andere Quellen gehen von bis zu 20.000 Grauen Wölfe aus, die ihre Ansichten "auf einer nationalistischen, antisemitischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie" gründen, wie die Behörde schreibt. Die Bundeszentrale für politische Bildung nannte die Grauen Wölfe "die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland".

    Die Grauen Wölfe sind nicht nur für ihre nationalistische Agenda und aggressive Rhetorik, sondern auch für ihre teils paramilitärischen Strukturen bekannt. Vor allem in den 70er Jahren radikalisierte sich die Bewegung, Anhänger überzogen ihre Gegner mit Terror und Gewalt – hunderte Morde sollen auf ihr Konto gehen. Besonderer Hass wird der kurdischen Arbeiterpartei PKK entgegengebracht, aber auch andere Minderheiten in der Türkei gelten als Feinde, unter anderem Juden, Christen, Armenier. Auch heute spricht der Verfassungsschutz von einem "hohen Gewaltpotenzial" der Szene und überwacht nicht zuletzt deshalb die Organisation.

    In der Türkei ist die ultranationalistische MHP die politische Vertretung der "Ulkücü"-Bewegung. Sie ist Bündnispartnerin der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

    Özil hatte Erdogan 2018 öffentlich ein Trikot überreicht und musste dafür massive Kritik einstecken. Im Mai dieses Jahres veröffentlichte Özil unmittelbar vor der Wahl in der Türkei erneut ein Bild mit dem türkischen Präsidenten, auf dem er dem ernst schauenden Erdogan lächelnd die Hand drückt. Özil schrieb dazu: "Wir sind immer bei Ihnen, Herr Präsident."
    Wer sich in Deutschland gegen den türkischen Staatspräsidenten stellt, muss mit gefährlichen Konsequenzen rechnen. Mehr dazu im Video:
    Besonders brisant: Mesut Özil wendet sich mit seinen Instagram-Postings explizit an ein junges Publikum - die selbe Zielgruppe, die auch die "Grauen Wölfe" im Visier hat, erklärt Tokatli: "Eine Hauptidee dieser Bewegung ist, dass man die türkische Jugend nicht an die jeweiligen Länder verlieren will. Junge Türken im Ausland sollen weiterhin ihre türkische Identität und Kultur behalten." Als Idol mache Mesut Özil diese Ideologie für junge Menschen salonfähig.
    Viel deutlicher als in der Türkei haben die in Deutschland lebenden Türken bei der letzten Wahl für Erdogan gestimmt. Die Hintergründe dazu im Video:
    28.05.2023, Duisburg, Deutschland: Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan stehen im Duisburger Norden.
    Warum wählt man einen Autokraten, während man die Vorzüge der Demokratie genießt? 29.05.2023 | 2:44 min

    Wusste Özil nicht, welche Aufregung er auslöst?

    Auch der Autor und Journalist Hasnain Kazim glaubt nicht an einen Zufall: "Ich habe Özil schon für seine Kriecherei vor Erdogan kritisiert, ihn aber vor rassistischen Anfeindungen in Schutz genommen", schreibt er bei Twitter. "Aber er scheint selbst ein Faschistenfan zu sein."
    Hasnain Kazim bei Twitter
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    Womöglich ist Özil aber auch gar nicht bewusst gewesen, was er mit seinem Tattoo hierzulande auslöst - das zumindest gibt der Türkeiexperte Burak Çopur, Leiter des Zentrums für Radikalisierungsforschung und Prävention in Essen zu bedenken:

    Für einen Großteil der türkischen Öffentlichkeit und Politik ist dieses rechtsextremistische Symbol kein Skandal, sondern ein hoffähiges und politisch gern gesehenes Symbol. Vermutlich wird Özil für dieses Tattoo unter weiten Teilen der türkischen Gesellschaft sogar gefeiert.

    Burak Çopur, Leiter des Zentrums für Radikalisierungsforschung und Prävention

    Andere Staaten gehen verstärkt gegen "Graue Wölfe" vor

    Çopur kritisiert jedoch nicht nur Özil und sein Foto, sondern auch den Umgang mit den "Grauen Wölfen" in Deutschland: "Da müssen wir uns auch selbst den Spiegel vorhalten: die rechtsextremistischen "Grauen Wölfe" werden hier politisch weiterhin toleriert, obwohl sie vom Verfassungsschutz beobachtet und als integrationsfeindlich eingestuft wurden."
    Andere Staaten wären da deutlich restriktiver, so Çopur: "Österreich hat mittlerweile untersagt, das Symbol der "Grauen Wölfe" zu zeigen, Frankreich hat die Bewegung gänzlich verboten." In Deutschland passiere dagegen zu wenig im Kampf gegen die Gruppierung.
    Dabei gibt es auch hierzulande einen Prüfauftrag des Deutschen Bundestags zum Verbot der "Grauen Wölfe", beschlossen im Jahr 2020. Ergebnis bislang: Fehlanzeige. 

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