Krawalle in Brasilien: Ermittlungen gegen Jair Bolsonaro

    Wegen Rolle bei Krawallen :Ermittlungen gegen Ex-Präsident Bolsonaro

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    Nach den gewaltsamen Krawallen in Brasília billigt das Oberste Gericht des Landes Ermittlungen gegen Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro. Ein Video ist dabei besonders von Bedeutung.

    Nach der gewaltsamen Stürmung des Präsidentenpalasts in Brasília wird in der Sache nun auch gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro ermittelt. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm "Anstiftung und geistige Urheberschaft" vor.
    Ein Richter von Brasiliens Oberstem Gerichtshof gab am Freitag der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft statt, den rechtsradikalen Politiker auf eine Liste von Menschen zu setzen, gegen die wegen der Gewalt am 8. Januar ermittelt werden soll.
    Am 8. Januar hatten Anhänger Bolsonaros, die dessen Wahlniederlage nicht anerkennen, dort das Regierungsviertel gestürmt. Der Vorfall erinnerte an den Sturm auf das US-Kapitol in Washington vom 6. Januar 2021.

    Video als "beweiskräftiger Zusammenhang"

    Mit Blick auf die Ermittlungen zur Frage, wer die Unruhen in Brasilien anfachte, beriefen sich die Staatsanwälte einer jüngst formierten Gruppe zur Bekämpfung antidemokratischer Taten einer Mitteilung zufolge auf ein Video, das Bolsonaro zwei Tage danach bei Facebook veröffentlichte.
    In dem Video wurde attestiert, Bolsonaros Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva sei nicht ins Amt gewählt, sondern vom Obersten Gericht und der Wahlbehörde ausgewählt worden.
    Mit der Veröffentlichung des Videos, das "die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen 2022 infrage stellt", habe er "öffentlich zur Begehung eines Verbrechens angestiftet", hatte die Generalstaatsanwaltschaft dargelegt. Und erklärte weiter, dass das Video, obwohl es nach den Krawallen aufgenommen wurde, als "beweiskräftiger Zusammenhang" dienen könne, der "eine globale Untersuchung der Handlungen des Angeklagten vor und nach dem 8. Januar 2023" rechtfertige.

    Bolsonaro: Kein Kommentar

    Bolsonaro hat es ansonsten weitgehend vermieden, sich seit seiner Niederlage bei der Stichwahl ums Präsidentenamt am 30. Oktober zur Wahl zu äußern. Seine Niederlage hat er aber zu keinem Zeitpunkt eingestanden und zuvor wiederholt Zweifel an der Zuverlässigkeit des elektronischen Wahlsystems des Landes geweckt sowie gerichtlich beantragt, Millionen von an Wahlautomaten abgegebenen Stimmen für ungültig zu erklären - was abgelehnt wurde.
    Die Staatsanwälte argumentierten, auch wenn Bolsonaro das Video nach den Ausschreitungen veröffentlicht habe, rechtfertige dessen Inhalt, sein Verhalten auch im Vorfeld zu untersuchen. Bolsonaro löschte das Video am Morgen nach dessen Veröffentlichung wieder.
    Polizeieinsatzkräfte nach Erstürmung des Planalto-Palast in Brasilia
    In Brasilien haben Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel gestürmt. Erst Stunden danach konnte die Polizei die Lage unter Kontrolle bringen. Es gab etwa 230 Festnahmen.09.01.2023 | 2:10 min

    Historiker: Bolsonaro bestrafen, Demokratie verteidigen

    Der brasilianische Historiker Joao Cezar de Castro Rocha zeigte sich im Interview des "Spiegel" (Samstag) überzeugt, dass Brasiliens Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro in die Vorgänge verwickelt sei. "Die Fingerabdrücke von Bolsonaro sind überall. Er wird sich dafür verantworten müssen", sagte Castro Rocha, der sich insbesondere mit dem Aufstieg der extremen Rechten in Brasilien befasst.
    Allerdings sollte Bolsonaro nicht verhaftet werden, ehe eindeutige Beweise für seine Schuld vorliegen.

    Wenn wir die Demokratie glaubhaft verteidigen wollen, müssen wir uns an die rechtsstaatlichen Regeln halten.

    Joao Cezar de Castro Rocha, Historiker

    "Sein Recht auf ein faires Verfahren muss sichergestellt sein", so der Wissenschaftler an der Universität des Bundesstaates Rio de Janeiro. "Eine Festnahme direkt am Flughafen wäre ein großer Fehler."
    Quelle: AP, AFP, KNA

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