Was ist dran an Habecks Klimazahlen?

    Analyse

    Projektion des Umweltbundesamts:Was ist dran an Habecks Klimazahlen?

    von Oliver Klein und Andreas Stamm
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    Die Ampel rühmt sich, bei ihren Klimazielen auf Kurs zu sein. Kritiker sehen als Ursache für weniger CO2-Ausstoß vor allem die Wirtschaftskrise. Was ist dran? Eine Analyse.

    15.03.2024, Berlin: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, stellt bei einer Pressekonferenz die Treibhausgasemissionsdaten 2023 und den Projektionsdaten bis 2030 vor.
    Vizekanzler Habeck hält es für möglich, dass die Klimaschutzziele für 2030 eingehalten werden können. Die gute Klimabilanz liegt aber auch an der schwächelnden Wirtschaft.15.03.2024 | 1:45 min
    Deutschland ist beim Klimaziel für 2030 auf Kurs - das ist die Botschaft von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Deutschland konnte 2023 seinen Treibhausgas-Ausstoß noch mal deutlich um zehn Prozent senken und schaffte damit sein Klimaziel, hieß es vom Umweltbundesamt (UBA) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag.

    Greenpeace: Kriselnde Wirtschaft nicht mit Klimaschutz verwechseln

    Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Ein großer Teil des Rückgangs gehe darauf zurück, dass die Industrie in Deutschland in einer Rezession ist, kontert der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Und die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärt: "Niemand darf eine kriselnde Wirtschaft mit Klimaschutz verwechseln." Was ist dran an dem Argument? Geht ein Großteil der CO2-Einsparungen im Jahr 2023 tatsächlich auf die schwache Konjunktur zurück? Was heißt das für die Klimaziele der Bundesregierung - sind sie zu erreichen, "wenn wir Kurs halten", wie Habeck sagt? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.
    SGS Stamm
    Deutschland könnte die Klimaziele 2030 erreichen. Doch ob die Emissionen nur wegen der schwächelnden Wirtschaft sinken, erklärt ZDF-Umweltexperte Andreas Stamm.15.03.2024 | 1:54 min

    Ist vor allem die schwächelnde Wirtschaft der Grund für den CO2-Rückgang?

    Der Rückgang der CO2-Emissionen im Jahr 2023 hat tatsächlich vor allem zwei Gründe: Der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung stieg auf Rekordniveau und für die Erzeugung von Strom und Wärme wurde weniger Kohle und Gas verbrannt. Diese beiden Faktoren hängen unmittelbar miteinander zusammen:
    Gründe für den geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe waren der eher milde Winter, auch die gestiegenen Verbrauchspreise spielten eine Rolle. Aber ganz wesentlich: In energieintensiven Industriezweigen war aufgrund der Konjunturflaute die Nachfrage nach Strom geringer.
    Erneuerbare Energien lieferten im vergangenen Jahr über die Hälfte (56 Prozent) des Stroms. Das erklären Statistiker zum einen damit, dass ausreichend Wind wehte und die entsprechenden Kapazitäten bei Winkraft und Solar deutlich ausgebaut wurden - ein Beleg für den Fortschritt beim Klimaschutz. Auf die hohe Quote der Erneuerbaren wirkte sich aber auch aus, dass insgesamt viel weniger Strom in Deutschland produziert wurde: Die Gesamtmenge sank nach Angaben des Statistischen Bundesamts um fast zwölf Prozent zum Vorjahr.
    Klimaradar - Grafik Tab 1: Emissionen

    ZDFheute Infografik

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    Das lag nicht nur an der gesunkenen Nachfrage, ausgelöst durch die schwacher Konjunktur. Es wurde auch mehr Strom aus dem Ausland importiert, insbesondere dann, wenn der vergleichsweise günstig war.

    Was heißt das für den Klimaschutz?

    Diese Faktoren zusammengenommen verdeutlichten, "dass nur ein kleiner Teil des Rückgangs wirklich auf langfristig wirkende Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen ist", erklärt Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie beim Science Media Center (SMC). "Vielmehr sind besondere Entwicklungen, die sich zum Teil in den nächsten Jahren auch wieder umkehren können, für einen Großteil des Emissionsrückgangs verantwortlich."
    Ähnlich sieht das auch Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institutes in Köln: Der unerwartete Rückgang der Emissionen im Jahr 2023 sei "größtenteils nicht nachhaltig und nicht ein Zeichen von erfolgreicher Klimapolitik", sagt er dem SMC. Die Erreichung der langfristigen deutschen Klimaziele bleibe gefährdet.
    24.01.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Dampf und Rauch steigen aus dem Braunkohle Kraftwerk Neurath bei Grevenbroich von Köln aus gesehen.
    Die Koalition wollte den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen. Es wächst allerdings die Sorge, dass es wegen einer bisher fehlenden Kraftwerkstrategie nicht mehr zu schaffen sein wird.25.01.2024 | 3:06 min

    Ist Deutschland also doch nicht "auf Kurs"?

    So einfach ist es nicht. Ob Deutschland sein Ziel erreicht, bis 2030 seine Treibhausgase um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken, hängt von vielen Faktoren ab. Das UBA nennt in seiner Projektion einige Aspekte der Emissionsentwicklung, die optimistischer ausfallen als in vorangegangen Berechnungen. So werden beispielsweise neue Klimaschutzmaßnahmen oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse in den Bereichen Land- und Abfallwirtschaft der Prognose zufolge künftig dafür sorgen, dass weniger Treibhausgase emittiert werden als bisher berechnet.
    Andererseits unterstellt die Projektion, dass es bei der eingeschlagenen Politik, dem Engagement für mehr Klimaschutz und den bisher erreichten Zielen bleibt. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist angesichts des politischen Rechtsrucks und der überaus angespannten Haushaltslage fraglich. 

    Was droht, wenn Deutschland Klimaziele verfehlt?

    Die UBA-Projektion zeigt, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele bis 2030 im Verkehrs- und Gebäudesektor verfehlen wird. Deutschland hatte sich jedoch auf Ebene der Europäischen Union zu ihrer Einhaltung verpflichtet - "eine Verfehlung dieser Ziele hätte zur Folge, dass Deutschland bis 2030 bedeutende finanzielle Mittel aufbringen müsste, um Emissionsberechtigungen aus dem Ausland zu beziehen", erklärt Fischedick.
    Konkret müsste Deutschland für Milliardensummen CO2-Zertifikate kaufen, erklärt Höhne. "Insgesamt wird das Ziel um 126 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten. Bei einem grob geschätzten Preis von 100 Euro pro Zertifikat wären das 12 Milliarden Euro."

    Wie geht's nach 2030 weiter?

    Höhne nennt die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion im Energiesektor "beeindruckend". Bis 2030 werde das Klimaziel in diesem Bereich "wahrscheinlich deutlich übererfüllt". Aber die Versäumnisse im Verkehrssektor lassen sich damit kaum ausgleichen. Und nach 2030 - wenn das nächste Ziel Klimaneutralität ist - beginne erst die wirklich schwierige Phase:

    Ein Aufholen im Verkehr ist nach 2030 fast unmöglich, außer mit drastischen und disruptiven Maßnahmen, wie extrem hohen CO2-Preisen oder Fahrverboten.

    Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institutes in Köln

    Es werde für die einzelnen Sektoren immer schwieriger, noch die letzten Tonnen CO2 zu vermeiden, so Höhne - auch im Energiesektor, der jetzt noch gut dasteht: "Hier nimmt die Reduktionsgeschwindigkeit drastisch ab, da mit jetziger Technologie fossile Kraftwerke als Back-up für Zeiten ohne Wind und Sonne vorgehalten werden müssen. Die letzten fossilen Kraftwerke zu ersetzen ist Neuland und bedarf großer Anstrengungen."

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    Quelle: mit Material von dpa und Reuters

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