Bei Lanz: Wenn Klimaforscher Latif "König der Welt wäre

    Klimaforscher bei "Lanz":Latif: Wenn ich "König der Welt" wäre ...

    von Pierre Winkler
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    Der Klimaforscher und Meteorologe Mojib Latif kritisiert die aus seiner Sicht viel zu langsamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung. Er schlägt radikale Schritte vor.

    Markus Lanz vom 16. März 2023: Markus Lanz, Mojib Latif, Julia Löhr, Torsten Becker, Philipp Schröder
    Über die Probleme der deutschen Energiewende, warum der weltweite CO2-Ausstoß noch immer steigt und wie Hausbesitzer zu einem Energiemarkt ohne fossile Brennstoffe beitragen können16.03.2023 | 75:18 min
    Dafür, dass Mojib Latif "schon seit Jahrzehnten über das Klimathema" spricht, ist für seinen Geschmack bis heute viel zu wenig passiert. "Ich schwanke zwischen Hoffnung und Apokalypse", sagte er mit Blick auf die drohende Klima-Katastrophe am Donnerstagabend bei Markus Lanz.

    CO2 ist größter Verursacher der Erderwärmung

    Latif ist Seniorprofessor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ein weltweit anerkannter und gefragter Experte. Und als solcher geht ihm offenbar die Geduld aus. "Ich muss leider feststellen, dass wir immer noch in die falsche Richtung gehen", sagte er. "Beim CO2, das das Hauptproblem bei der globalen Erwärmung ist, steigt der weltweite Ausstoß immer noch. Nur auf den kommt es an."
    Das sei eben der "Apokalypse"-Teil seiner Sicht auf die Entwicklung. Zu viel CO2 in der Atmosphäre sei ein Problem für alle Menschen auf der Welt. Latif veranschaulichte das am Beispiel des Meeresspiegelanstiegs:

    Wir können ihn national nicht beeinflussen, sondern wenn tatsächlich dieser weltweite Ausstoß immer weiter steigt, sind wir alle betroffen. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass gerade die Polarregionen so dahinschmelzen, obwohl dort ja gar kein CO2 ausgestoßen wird.

    Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe

    Eine Umkehr des Trends beim CO2-Ausstoß sei nicht zu erkennen. "Wenn man sich da die Entwicklung der letzten Jahrzehnte anguckt, geht es eigentlich immer nur nach oben", sagte Latif. "Und alle erwarten, dass es vielleicht mal so einen Peak gibt und dass wir mal nach unten gehen. Aber es passiert irgendwie nicht."

    Große Emittenten negieren Fortschritte

    Das Problem: Viele Industrieländer versuchten bereits, CO2 zu sparen - "aber es wird eben überkompensiert von dem, was andernorts passiert". Als Beispiel nannte Latif China, das im Moment für 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sei.

    Die sind nicht bereit im Moment, das sagen sie auch, wirklich ihren Höhepunkt von CO2-Emissionen jetzt schnell zu erreichen.

    Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe

    Das entlasse ein Land wie Deutschland aber noch lange nicht aus der Verantwortung. Denn die Länder der G20, zu denen eben auch Deutschland gehört, machten etwa 80 Prozent des weltweiten CO2 aus. Man müsste laut Latif also "eigentlich gar nicht über 190 Länder auf den Klimakonferenzen" reden, denn "eigentlich würden 20 Länder reichen".

    Es gibt jedoch Lösungsansätze

    Was diese größten Emittenten theoretisch tun könnten, macht Latif auf der gegenüberliegenden Seite der Apokalypse Hoffnung. Sein erster Lösungsansatz: "Wenn Sie mich zum König der Welt machen, dann wüsste ich ganz genau, was ich zu tun hätte", sagte er.

    Ich würde zuallererst die Subventionen für die fossilen Energien wegnehmen. In dem Moment, wo die weg sind, glaube ich, haben die neuen Technologien es relativ einfach, den Markt auch schnell zu erobern.

    Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe

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    Dann werde es Lerneffekte und immer neue Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien geben. "Und dann passieren die Dinge auf einmal so schnell, womit man gar nicht gerechnet hat", zeigte sich Latif überzeugt.
    Ihn stimmt grundsätzlich positiv, "dass wir überhaupt kein Energieproblem auf der Erde haben. Wir haben Energie im Überfluss. Wir müssten nur einen kleinen Bruchteil der Energie nutzen, den wir ohnehin bekommen." Voraussetzung dafür sei eine möglichst effiziente Nutzung der Erneuerbaren.

    Deutschland produziert zu viel CO2 pro Kopf

    "Intelligent heißt, dass wir es dezentral nutzen", erklärte Latif. "Die beste Möglichkeit ist doch, das, was wir haben, zu nutzen, und dann vor Ort tatsächlich auch zu verbrauchen."
    Deutschland produziere gegenwärtig pro Einwohner ungefähr neun Tonnen CO2 pro Jahr. "In Indien sind es zwei, in anderen Entwicklungsländern sogar noch weniger als zwei Tonnen pro Kopf", erklärte Latif. "Und da muss man sich natürlich fragen: Was sind jetzt die Alternativen? Dass die Länder, die jetzt bei zwei sind oder weniger, auch auf neun gehen? Dann brauchen wir keine nächste Sendung über Klima zu machen. Oder ist nicht die andere Alternative sinnvoller, dass wir versuchen, mit unserem Ausstoß runterzugehen?"

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