Widersprüche deutscher Energiewende in Lateinamerika

    Erneuerbare aus Lateinamerika:Wo die deutsche Energiewende ihre Grenze hat

    von Tobias Käufer
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    Erneuerbare Energien statt fossiler Brennstoffe: Was gut klingt, ist noch keine Realität. In Lateinamerika werden die Widersprüche der deutschen Energiepolitik besonders deutlich.

    Der Schriftzug ·Green H2 Production· (deutsch: Produktion von grünem Wasserstoff) steht bei der Industriemesse Hannover Messe an einem Messestand von Brasilien am 20.04.2023
    Mit grünem Wasserstoff sollen Energieimporte diversifiziert werden. (Symbolbild)
    Quelle: dpa/Julian Stratenschulte

    Eines der Schlüsselländer für die grüne Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung in Lateinamerika ist Brasilien. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) reiste vor einigen Wochen in das größte südamerikanische Land, um vor Ort für die Strategie zu werben - und bei der neuen brasilianischen Regierung um den linksgerichteten Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva neue Partner zu finden.
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    Habeck setzt auf grünen Wasserstoff aus Brasilien

    Die Ausgangsvoraussetzungen seien gut, sagt Ansgar Pinkowski, Direktor Energiewende und Nachhaltigkeit von der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in Rio de Janeiro. "Brasilien hat aufgrund seiner geographischen und natürlichen Voraussetzungen beste Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff."

    Schon jetzt ist der Anteil der erneuerbaren Energien in Brasilien vergleichsweise sehr hoch.

    Ansgar Pinkowski, Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer

    Aber eben noch nicht hoch genug, denn die Produktion von grünem Wasserstoff ist nach aktuellem Stand der Technik energieintensiv. Soll das Konzept gelingen, müsste Brasilien weiter in den Ausbau der Sonnen- und Windenergie, oder die in Teilen umstrittene Wasserkraft investieren, damit der Wasserstoff auch wirklich grün produziert werden kann.



    Es könnte allerdings auch ganz anders kommen, denn im Nationalen Energieplan ist der Bau von bis zu acht neuen Atomkraftwerken vorgesehen. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist unklar. Die neue Regierung hat gerade erst den Zeitplan für die Suche nach möglichen Standorten verlängert. Die Technik dazu könnte aus China oder Russland kommen.

    Mehr kolumbianische Kohle in deutschen Kohlekraftwerken

    In Kolumbien hatte sich die seit Mitte letzten Jahres im Amt befindliche neue Regierung um Linkspolitiker Gustavo Petro vorgenommen, aus der Kohle- und Erdölexploration auszusteigen.
    Doch dann kam Berlin: Weil die Deutschen im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kein Erdgas mehr aus Russland beziehen und zudem aus der Atomenergie aussteigen, laufen in Deutschland nun die Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung auf Hochtouren. Und die Kohle dazu kommt verstärkt aus Kolumbien.
    Statt der angestrebten und im Wahlkampf versprochenen Dekarbonisierung droht nun ein ganz anderes Szenario.
    Zwei Kühltürme eines Atomkraftwerks, die Dampf ausstoßen, sowie ein Piktogramm eines Atomkerns mit Elektronen.
    Die Atomkraft hat zuletzt kaum noch zum Strommix beigetragen. Wie das früher aussah und wie die erneuerbaren Energien die Kernenergie überholten.15.04.2023 | 0:28 min

    Doppelmoral deutscher Energiewende?

    Laut "Global Energy Monitor" könnte in Kolumbien nun der Startschuss für drei große neue Minen mit einer Förderkapazität von bis zu 32 Millionen Tonnen gegeben werden. Konsequenz für das Klima: Der Bergbausektor des Landes könnte laut der Organisation zusätzlich 216.000 Tonnen Methan pro Jahr emittieren.
    Das entspräche einer Verdopplung bestehender Emissionen, die offiziell gemeldet werden. Was Deutschland wegen seines angestrebten Ausstiegs aus der Kohleförderung nicht mehr aus der Erde holt, kommt nun aus Kolumbien. Eine überzeugende Werbung für die deutsche Energiewende ist das erst einmal nicht.

    Länder wie Uruguay können in Sachen Erneuerbare Vorbild sein

    Einige Länder sind unterdessen bei der Produktion aus erneuerbaren Energien ohnehin viel weiter als Deutschland. Selbst unter dem wegen seiner Amazonas-Abholzungszahlen international umstrittenen rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro stieg in Brasilien der Anteil der erneuerbaren Energien laut Gesellschaft für Internationalen Zusammenarbeit (GIZ) von 46,1 Prozent (2019) auf 48,4 Prozent (2020).
    Uruguay liefert derweil Zahlen, von denen die deutsche Politik derzeit nur träumen kann. Die Stromerzeugung des Landes gelang laut einem Bericht des Energieministeriums zu 91 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen.
    Wasserkraft mit einem Anteil von 39 Prozent, Windkraft (32 Prozent) und Biomasse (17 Prozent) bilden dabei die wichtigsten Stromquellen. Die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen ging von 15 auf neun Prozent zurück.

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