Räumung für Braunkohle-Abbau: Worum es in Lützerath geht

    FAQ

    Räumung für Braunkohle-Abbau:Worum es in Lützerath geht

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    Im Rheinland beginnt die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfes Lützerath. Worum es geht und welche politischen Folgen die Räumung haben könnte - ein Überblick.

    Was ist Lützerath?

    Lützerath ist eine aus wenigen Gebäuden bestehende Siedlung, die zur Stadt Erkelenz im Rheinland gehört. An der einen Seite tut sich die unwirkliche Kraterlandschaft des Braunkohletagebaus Garzweiler auf, eine Szenerie wie von einem anderen Planeten. Die ursprünglichen Bewohner des Ortes sind alle weggezogen, doch die Gebäude werden seit längerem von Klimaaktivisten bewohnt.
    Ein Teil von ihnen lebt auch in Baumhäusern, Wohnwagen und Zelten. Obwohl die Gebäude heruntergekommen sind, spürt man bei einem Rundgang, dass dies eine jahrhundertealte Kulturlandschaft ist.

    Wem gehört Lützerath?

    Alle Gebäude und Grundstücke gehören dem Energiekonzern RWE. Und alle Klagen gegen einen Abriss sind von Gerichten abgewiesen worden. Der zuständige Kreis Heinsberg hat den Aufenthalt in Lützerath untersagt. Auf dieser Basis kann nun die Räumung durch die Polizei erfolgen. Mehr als 1.000 Beamte sollen dafür täglich eingesetzt werden.
    Lützerath
    In der von Klimaaktivisten besetzten Ortschaft Lützerath am Braunkohle-Tagebau Garzweiler II steht die Räumung unmittelbar bevor. Der Ort soll nun den Kohlebaggern weichen.11.01.2023 | 1:37 min

    Warum will RWE Lützerath abreißen?

    Unter dem Dorf befinden sich besonders große Braunkohlevorkommen, die RWE abbaggern will. Dies sei nötig, um die Energieversorgung sicherzustellen, sagt der Konzern. Er hat dabei die Rückendeckung der nordrhein-westfälischen Landesregierung aus CDU und Grünen.
    In der aktuellen Krisensituation sei jedem klar, dass die Kohle unter Lützerath gebraucht werde, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in einem Interview des "Kölner Stadt-Anzeigers".

    Niemand hat die Entscheidung leichten Herzens getroffen, diese Kohle in Anspruch zu nehmen.

    Hendrik Wüst, Ministerpräsident NRW

    Ralph Goldmann | ZDF-Reporter in Lützerath
    Die Polizei gebe ihre Einsatztaktik nicht preis, aber sie stelle sich "auf eine lange Zeit der Räumung ein", so ZDF-Reporter Ralph Goldmann in dem besetzten Ort Lützerath.11.01.2023 | 6:16 min

    Was sagen die Klimaaktivisten?

    Sie bestreiten, dass die unter "Lützi" gelegene Kohle wirklich gebraucht wird, und verweisen dabei unter anderem auf eine Studie von Wissenschaftlern mehrerer Universitäten, die sich als "CoalExit Research Group" zusammengeschlossen haben.
    Demnach reicht die Kohle im aktuellen Abbaubereich allemal aus, auch unter den Bedingungen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise. Dieser Lesart zufolge hat es RWE vor allem deshalb auf Lützerath abgesehen, weil sich die Kohle dort leichter und damit profitabler gewinnen lässt. Der Konzern bestreitet das.
    Karte vom Tagebau Garzweiler
    Karte vom Tagebau Garzweiler
    Quelle: Arne Müseler / www.arne-mueseler.de, CC BY-SA 3.0 DE

    Wie gewaltsam wird die Räumung?

    Nach Angaben des zuständigen Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach handelt es sich bei den Aktivisten in Lützerath um eine "gemischte Szene", die überwiegend "bürgerlich und friedlich orientiert" sei. Ein kleiner Teil sei aber zu Gewaltstraftaten bereit. Mehrfach flogen bereits Steine, Böller und Flaschen gegen die Polizei. Die Atmosphäre vor Ort ist aufgeheizt, der Ton gegenüber der Polizei teils aggressiv.
    Sarah-Lee Heinrich | Bundessprecherin Grüne Jugend
    Das 1,5-Grad-Ziel werde verfehlt und die Kohle unter Lützerath nicht gebraucht "für die Versorgungssicherheit", sagt Sarah-Lee Heinrich, Bundesvorsitzende der Grünen Jugend.11.01.2023 | 6:12 min

    Was hat Lützerath mit dem Hambacher Forst zu tun?

    Der Hambacher Forst ist ebenso wie das nicht weit entfernte Lützerath ein Symbol der Klimabewegung. Auch er sollte 2018 zerstört werden, damit RWE die darunter liegende Kohle abbaggern konnte. Dagegen entwickelte sich aber massiver Widerstand, denn anders als der Begriff "Forst" vermuten lässt, geht es hier um einen uralten Wald mit bis zu 350 Jahre alten Bäumen und seltenen Tierarten.
    2018 ordnete die nordrhein-westfälische Landesregierung die Räumung des Waldes an. 86 Baumhäuser wurden abmontiert, was mit unzureichendem Brandschutz begründet wurde. Das Verwaltungsgericht Köln stufte dies später als Vorwand ein und die Räumung als widerrechtlich. Das Oberverwaltungsgericht Münster erließ noch 2018 einen vorläufigen Rodungsstopp. Als Teil des Kohlekompromisses wurde die Erhaltung des Waldes beschlossen. Die Aktivisten haben ihr Ziel "Hambi bleibt" also erreicht.

    Welche politischen Folgen könnte die Räumung von Lützerath haben?

    Die Räumung kann insbesondere für die sowohl in Berlin als auch in Düsseldorf mitregierenden Grünen zur Belastung werden. Bilder von Polizisten, die scheinbar im Interesse eines Kohlekonzerns gegen Klimaschützer vorgehen, dürften kaum den politischen Vorstellungen der grünen Wählerschaft entsprechen.
    Klimaaktivistin Luisa Neubauer wirft den Grünen - bei denen sie selbst Mitglied ist - eine "kalkulierte Unterwanderung der Pariser Klimaziele" vor. Das rührt an den Kernwerten der Partei. Auch Experten wie der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf halten die Räumung für einen historischen Fehler.
    Quelle: Christoph Driessen, dpa

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