Vor Migrationsgipfel: Die sechs größten Streitpunkte

    Vor Gipfel im Kanzleramt:Migrationspolitik: Die größten Streitpunkte

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    Vor dem Migrationsgipfel ist die Stimmung erhitzt wie selten. Die 16 Länder sind sich nur bei der Geldforderung an den Bund einig. Die größten Baustellen beim Thema Migration.

    Flüchtlingseinrichtung
    Viele Kommunen sind mit Unterbringung und Finanzierung von Flüchtlingen überfordert. Vor dem Bund-Ländergipfel im Kanzleramt fordern die Länderchefs mehr finanzielle Hilfen vom Bund.08.05.2023 | 1:59 min
    Gemischte Zuständigkeiten von Kommunen, Ländern, Bund und EU sorgen für zeitraubende Abstimmungsverfahren, vor allem in der Migrationspolitik ist das ein großtes Problem. Viele Entscheidungen können nur gemeinsam getroffen werden - wobei die verschiedenen Ebenen oft völlig unterschiedliche Interessen haben.
    Ein Überblick über die größten Streitpunkte in der Migrationspolitik:

    Wer zahlt für Flüchtlinge?

    Wegen der steigenden Zahl ankommender Migranten und Flüchtlinge fordern die Länder mehr Geld vom Bund. Dieser weist dies mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen und freiwilligen Leistungen von 15,6 Milliarden Euro in diesem Jahr zurück.
    Die Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat der Bund ohnehin zum größten Teil übernommen - aber die Länder wollen nun zusätzliche Hilfen.
    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, geht im Plenum des Landtags.
    Vor dem Flüchtlingsgipfel ruft NRW-Ministerpräsident Wüst den Bund auf, mindestens die Hälfte der Versorgungkosten von Flüchtlingen zu übernehmen. 08.05.2023 | 0:25 min
    Tatsächlich haben sich seit 2015 die Leistungen des Bundes für Flüchtlinge erhöht. Solange die Steuereinahmen im Bund sprudelten, "erkaufte" die Regierung eine Einigung jeweils durch höhere Zuweisungen. So ist der Bundesanteil am Umsatzsteueraufkommen von 65 Prozent 1991 auf 45,1 Prozent in 2021 gesunken.
    Damit muss nach Angaben des Kanzleramts jetzt aber mit Blick auf die riesigen Aufgaben etwa bei Verteidigung oder der Energiewende Schluss sein. Der Vorwurf an die Länder: Sie würden nicht einmal die Milliardenzuwendungen an die Kommunen weitergeben - die wiederum vom Bund nicht direkt gefördert werden dürfen.

    Rückkehr zur Fallpauschale?

    Erst 2022 hatten Bund und Länder das bestehende System geändert, dass der Bund pro Geflüchtetem von der Registrierung bis zum Abschluss des Verfahrens 670 Euro pro Monat zahlt. Dies wurde abgelöst durch eine Pauschalsumme.
    Wegen der stark steigenden Zahlen an Asylbewerbern (ohne die Ukraine-Flüchtlinge) fordern die Länder nun aber eine Rückkehr zur Fallpauschale. Dies lehnt der Bund aber ab und argumentiert, dass man den Ländern nun mit einer anderen Systematik Geld aus anderen Töpfen überweise und nicht doppelt zahlen könne. In einem dem ZDF vorliegenden Papier sprechen die Länder von einer Pauschale von rund 1.000 Euro pro Monat.
    Geflüchtete: Länder fordern mehr Geld
    Größer Streitpunkt zwischen Ländern und Bund: die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung.07.05.2023 | 2:07 min

    Unterbringung von Flüchtlingen

    Kommen sehr viele Menschen neu an, geraten Kommunen gerade in Zeiten eines oft ohnehin schon überforderten Wohnungsmarktes in Probleme. Der Bund argumentiert, dass viele zur Verfügung stehende Fördertöpfe gar nicht genutzt würden. Länder und Kommunen wiederum verlangen vom Bund dagegen mehr Liegenschaften. Einige fordern, dass der Bund sie gleich renoviert übergeben sollte.

    Asylverfahren und Abschiebungen: Die Länder

    Zuständig sind eigentlich die Länder, die aber sehr unterschiedlich abgelehnte Asylbewerber abschieben. Dies trägt zur hohen Zahl von Menschen bei, die versorgt werden müssen. Der Bund wirft den Ländern zudem vor, nicht genug Personal einzusetzen, um Asylanträge und Klagen gegen Bescheide zu bearbeiten, weshalb die Asylverfahren teils mehr als drei Jahre dauerten. Zudem hätten viele Kommunen Geld für die Digitalisierung nicht für die verabredete Modernisierung der Ausländerbehörden genutzt.
    Daneben hat der Bundesrat wegen des Widerstands der Länder mit grüner Regierungsbeteiligung die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsländer abgelehnt, die Verfahren für Menschen aus diesen Staaten deutlich verkürzen würden.
    Bootsmigranten im Mittelmeer. Archivbild
    Sindou kommt aus der Elfenbeinküste – und will unbedingt nach Europa. Dafür will er sein Leben bei der riskanten Überfahrt aufs Spiel setzen.27.04.2023 | 6:09 min

    Abschiebungen: Der Bund und die EU

    Einige Länder argumentieren, dass sie zu mehr Abschiebungen bereit seien, aber die Menschen nicht abschieben könnten, weil die Herkunftsländer die Menschen nicht zurücknehmen wollten. Dafür will der Bund nun Migrationsabkommen aushandeln.
    Zum anderen können nicht einmal die Regeln des sogenannten Dublin-Abkommens umgesetzt werden, nach denen die EU-Außengrenzländer wie Italien oder Griechenland diejenigen Menschen zurücknehmen müssen, die sich dort als Asylbewerber hatten registrieren lassen, dann aber etwa nach Deutschland weiterzogen. Italiens Rechts-Regierung weigerte sich 2023, wieder Personen zurückzunehmen.

    Schutz der Außengrenzen

    Im Prinzip sind sich fast alle einig: Ein wichtiger Schritt wäre, die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Doch dies klappt nicht. Zwar haben einige EU-Grenzstaaten längst Zäune oder größere Befestigungsanlagen gebaut, aber dies ist nicht durchgehend der Fall. Außerdem kommen viele Menschen über das Mittelmeer in die EU.
    Die Zusammenarbeit mit Transit- oder Herkunftsländern gibt es nur mit der Türkei, aber nun kommen mehr Menschen etwa aus und über Tunesien. Länder und Kommen drängen, dass der Bund hier handeln müsse. Aber der wiederum ist von der Kooperation der EU-Partner oder von Drittstaaten abhängig. Dass die angestrebten Migrationsabkommen schnelle Abhilfe schaffen könnten, ist unsicher.
    Als Notlösung gelten Grenzkontrollen oder Schleierfahndungen an EU-Binnengrenzen. Diese ermöglichen aber nur, dass man mehr Wissen hat, wer ins Land kommt. Versorgt werden müssen die Menschen dennoch.
    Schaltgespräch Gerald Knaus
    „Wenn man nicht will, dass in diesem Jahr wieder tausende Menschen sterben“, sagt Migrationsforscher Gerald Knaus, seien "kluge Migrationsabkommen“ alternativlos.07.05.2023 | 3:47 min
    Quelle: Reuters, ZDF

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