Die angebliche Hersh-Enthüllung zur Nord-Stream-Sprengung sorgt auch in Russland für Wirbel: Moskau nennt Biden einen "Terroristen", russische Medien präsentieren neue "Beweise".
Die vermeintlichen "Enthüllungen" des US-Journalisten Seymour Hersh zu den Sabotageakten an drei der vier Nord-Stream-Pipelines haben die Diskussion um die Explosionen nachhaltig neu entfacht - auch in Russland. Hersh schreibt in seinem viel kritisierten Bericht, Taucher der US-Marine hätten die Gasröhren auf Befehl von Präsident Joe Biden gesprengt - mit Unterstützung von Norwegen.
Das US-Präsidialamt wies die Behauptungen als "völlig falsch und frei erfunden" zurück. Auch von anderen US-Regierungsstellen und aus Norwegen und Schweden kamen Dementis.
Darum wird der Hersh-Bericht kritisiert:
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Kreml fordert Beweis der Unschuld der USA
Doch Russland spielt der Bericht in die Karten: Der Kreml fordert nun von den USA Beweise, dass die Vereinigten Staaten nicht hinter der Zerstörung der Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee stecken.
Nach den Nord-Stream-Explosionen wächst im Westen die Angst vor Sabotage:
Die Regierung in Moskau betrachte die Zerstörung der Pipelines im vergangenen September "als einen Akt des internationalen Terrorismus". Man werde nicht zulassen, dass dieser unter den Teppich gekehrt wird, teilt die russische Botschaft in den USA mit.
Der Vorsitzende des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, hatte US-Präsident Biden in Reaktion auf den Artikel als "Terroristen" bezeichnet:
Russische Medien schlachten Thema aus
Auch in den russischen Medien sind die vermeintlichen Enthüllungen von Seymour Hersh seit einer Woche ein großes Thema. "Hershs Untersuchung sieht nicht wie eine Fälschung aus – es gibt zu viele Details, die einfach unmöglich zu erfinden sind", urteilt die "Komsomolskaja Prawda", angeblich Putins Lieblingsblatt, am Mittwoch.
Mit Zensur, Desinformation und massivem Druck auf Andersdenkende in Russland kontrolliert der Kreml die Stimmung im Land:
Am selben Tag berichtete auch das größte Online-Portal "gazeta.ru" über ein Interview mit Hersh unter der Überschrift "Journalist Hersh: Biden hatte Angst, dass Explosionen bei Nord Stream mit den USA in Verbindung gebracht würden". Eine kritische Einschätzung Hershs findet nicht statt.
Die Nachrichtenagentur "Ria Nowosti" titelt heute, es gebe sogar "neue Beweise für eine US-Beteiligung an der Sprengung von Nord Stream". Die Quelle: Ein weiterer, angeblich amerikanischer Journalist, der sich wieder auf einen anonymen Informanten beruft.
AfD fordert Untersuchungsausschuss im Bundestag nach Hersh-Geschichte
Die AfD, deren Mitglieder an einigen Stellen Partei für Putin ergriffen, setzte das Thema der Nord-Stream-Sabotage wenige Tage nach der Veröffentlichung des Hersh-Artikels auf die Tagesordnung einer aktuellen Stunde im Bundestag. In der Debatte forderten AfD und Linke von der Bundesregierung Aufklärung.
Das Russland-Dilemma - hat die AfD zu viel Nähe zum Kreml?
"Das ewige Schweigen der Bundesregierung ist nämlich der Nährboden für Gerüchte und Verschwörungstheorien", sagte AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen äußerte ähnliche Kritik und bekam dafür Beifall von der AfD.
Die offenen Fragen rund um die Explosionen an den Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee sollen laut der AfD von einem Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden. Aktuell laufen die Ermittlungen in dem Fall beim Generalbundesanwalt. Dort will man sich derzeit nicht zum Stand des Verfahrens äußern.
- Nord Stream: Die Stille nach der Explosion
Fünfeinhalb Monate nach den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines sind keinerlei Ermittlungsergebnisse bekannt. Das hat Gründe, schafft aber auch Raum für Verschwörungsmythen.
Hersh bleibt bei seinen Behauptungen
Mittlerweile hat sich Seymour Hersh in verschiedenen Medien zu seinem Artikel geäußert. Seiner Meinung nach habe er nur ganz offensichtliche Tatsachen zusammengefasst. Dass er dabei nur eine einzige anonyme Quelle zitiert, scheint ihn nicht zu stören:
Er habe das große Glück, dass er seit fast 40 Jahren Quellen innerhalb der Regierung habe, die keine Angst hätten, Kritik zu äußern und mit ihm redeten.