"Nicht begeistert": Scholz kritisiert Böhmermanns NSU-Leaks

    "Nicht begeistert":Scholz kritisiert Böhmermanns NSU-Leaks

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    von Dominik Rzepka
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    Bundeskanzler Olaf Scholz ist "nicht begeistert" von der Veröffentlichung der NSU-Dokumente durch ZDF-Moderator Jan Böhmermann. Der hessische Verfassungsschutz stellt Strafanzeige.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Veröffentlichung des hessischen NSU-Berichts kritisiert. Grundsätzlich gelte, dass Akten aus guten Gründen als geheim eingestuft werden könnten, ließ Scholz am heutigen Montag durch einen Sprecher ausrichten. Es gebe Regeln für die "Entstufung von Akten", also die Aufhebung der Geheimhaltung.
    Die Vorgehensweise von ZDF-Moderator Jan Böhmermann und der Plattform FragDenStaat nannte Scholz einen Verstoß gegen diese Regeln, der nicht Schule machen sollte.

    Grundsätzlich ist es so, dass diese Bundesregierung insgesamt sehr regelkonform arbeitet und alle Veröffentlichungen, die den Regeln nicht entsprechen, nicht begeistert zur Kenntnis nimmt.

    Sprecher von Olaf Scholz

    Das ZDF Magazin Royale und FragDenStaat hatten am Freitag den hessischen Bericht aus dem Jahr 2014 zu den rechtsterroristischen NSU-Morden in Deutschland veröffentlicht. Ursprünglich sollten die Unterlagen 120 Jahre, dann 30 Jahre unter Verschluss bleiben.
    Sehen Sie hier das ZDF Magazin Royale vom 28. Oktober 2022 mit der Veröffentlichung der hessischen NSU-Akten.

    Verfassungsschutz hat 200 NSU-Dokumente verloren

    Aus dem Bericht geht hervor, dass der hessische Verfassungsschutz zahlreiche Dokumente zu den NSU-Morden verloren hat. Zunächst waren mehr als 500 Dokumente, später ungefähr 200 nicht mehr auffindbar. Laut Böhmermann zeichnen die nun veröffentlichten Unterlagen "ein mehr als zweifelhaftes Bild von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes".
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte sich nicht zum Inhalt der nun geleakten NSU-Unterlagen äußern. Über eine Sprecherin ließ Faeser ausrichten:

    Wir haben keine eigene Einschätzung zu dem Inhalt.

    Nancy Faeser zu den NSU-Akten

    Verfassungsschutz stellt Strafantrag

    Faeser lehnt auch eine Bewertung der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes ab. Stattdessen kritisierte sie, dass durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente "etwas über die Arbeitsweise von Sicherheitsbehörden" abzuleiten sein könnte. Das sei "eine Gefahr und ein Hindernis" für die Behörden.
    Der hessische Verfassungsschutz hat inzwischen Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Im Raum stehe der Vorwurf der unrechtmäßigen Weitergabe als geheim eingestufter Dokumente, teilte die Behörde mit. Zuvor hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit kritisiert, die Veröffentlichung geheimer Akten könne auch "die Rechte Dritter betreffen, auch Unbeteiligter".

    Als geheim eingestufte Dokumente
    :Böhmermann veröffentlicht hessische NSU-Akten

    Der Bericht über die Rolle von Hessens Verfassungsschutz in Bezug auf den NSU sollte geheim bleiben. Das ZDF Magazin Royale und das Projekt FragDenStaat haben ihn veröffentlicht.
    Der Banner des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Berlin.

    Opfer-Anwältin spricht von Komplettversagen

    Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz spricht hingegen von einem Komplettversagen des hessischen Verfassungsschutzes:

    Man ist Hinweisen nicht nachgegangen, man hat nichts getan.

    Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz

    Basay-Yildiz vertrat die Familie von Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer des NSU. Sie forderte bereits seit langem, die Akten des Verfassungsschutzes zu öffnen. 130.000 Menschen hatten sich in einer Petition dieser Forderung angeschlossen.
    Ab dem Jahr 2000 hatte die rechtsextreme Terrororganisation NSU zehn Menschen in Deutschland ermordet: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.

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