Papst Franziskus I. in Ungarn: Lob und Tadel im Orbán-Land

    Papst Franziskus I. in Ungarn:Lob und Tadel im Orbán-Land

    von Wolf-Christian Ulrich
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    Der Papst in Ungarn – für Ministerpräsident Viktor Orbán ein Erfolg in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Franziskus ermöglicht freundliche Bilder, übt aber auch deutlich Kritik.

    Budapest empfängt den Papst bei strahlendem Frühlingswetter. Vorfahrt im bescheidenen Kleinwagen. Dann Franziskus' Gastgeschenk an Ministerpräsident Viktor Orbán: ein scheinbar nicht enden wollender, genau 18 Sekunden währender Händedruck. Das ist deutlich - und wesentlich mehr als beim letzten Ungarn-Besuch 2021. Politisch sendet der Papst Orbán am Freitag zwei Botschaften: Rückhalt und Mahnung.
    Unterstützung für Orbáns stramm-konservative Familienpolitik und die Diskriminierung von queeren Menschen: "Europas unheilvoller Weg der ideologischen Kolonisierung, wie dies bei der sogenannten Gender-Kultur der Fall ist," so nennt es der Papst. Dazu werde ein "Recht auf Abtreibung" in Europa als Errungenschaft gerühmt, sei jedoch eine tragische Niederlage.

    Lob für Orbáns Familienpolitik in den Medien

    In Ungarn müssen sich Frauen, die sich zum Schwangerschaftsabbruch entscheiden, den Herzschlag des Fötus anhören. Die Ehe für alle gibt es nicht, trans Personen dürfen nach einer Geschlechtsanpassung ihr Geschlecht im Pass nicht ändern, Homosexualität wird mit einer Reihe von Bestimmungen Schritt für Schritt unsichtbarer gemacht - wegen solcher Gesetze führt die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn.
    Papst Franziskus besucht Ungarn
    Papst Franziskus reist nach Ungarn. Der Papst setzt sich für christliche Barmherzigkeit gegenüber Flüchtlingen ein.28.04.2023 | 3:36 min
    Orbáns omnipräsente Medienmaschine, die ihn gern zum Retter des christlichen Abendlandes in der EU stilisiert, hat das Lob für Orbáns Familienpolitik in den Nachrichten deshalb sogleich hervorgehoben. Präsidentin Katalin Novak von Orbáns Fidesz-Partei nannte den Papst einen "Verbündeten" bei der Verteidigung des Lebens und der Ehe von Mann und Frau.

    Papst redet Orbán ins Gewissen

    Für Orbán ist diese Unterstützung wichtig: Ungarn hat die höchste Inflation in ganz Europa, das Land steht politisch in der EU längst an der Seitenlinie, auch wegen seiner eher russlandfreundlichen Position im Ukraine-Krieg. Der Feldzug für konservative Werte in der EU hält die Basis seiner Fidesz-Partei in Ungarn zusammen.
    Andererseits übte Franziskus sehr deutlich Kritik an Orbáns restriktiver Flüchtlingspolitik. Und zitiert dafür Ungarns Nationalheiligen und Staatsgründer Stefan I. (975-1038 n.Chr.):

    Deshalb empfehle ich dir, Fremde wohlwollend aufzunehmen und sie in Ehren zu halten, damit sie lieber bei dir bleiben als andernorts.

    Papst Franziskus

    Ein substantieller Teil seiner Rede in Budapest widmete er diesem Thema, er redete der Regierung Orbán damit förmlich ins Gewissen. Signalwirkung hat da auch der am Samstag geplante Besuch bei Flüchtlingen und benachteiligten Kindern.

    Kritik an Orbán auch von anderen Geistlichen

    Pfarrer Gábor Iványi wird diese Botschaft mit Genugtuung aufgenommen haben. Seit Jahren leitet er mit großer Hingabe eine karge Hilfsstation mitten in Budapest, wo er Obdachlosen und Flüchtlingen Brot und Schlafplatz bietet. Organisationen wie seine, die nicht zum Staat oder zu den Kirchen gehören, haben es seit Jahren schwer, in Ungarn Unterstützung zu bekommen. Die Regierung Orbán rühme sich zwar, christlich zu sein, sagt Pfarrer Iványi, doch tue sie viel zu wenig, um den Ärmsten zu helfen.

    An Ostern hat der Papst den Flüchtlingen die Füße gewaschen und auch geküsst. Wenn auch Viktor Orbán die Füße von Flüchtlingen waschen und küssen würde, so wie der Papst es tut, wäre das eine wichtige Nachricht für mich. Die Realität aber ist, dass er allem Hass freien Lauf lässt.

    Gábor Ivanyi, Pfarrer

    Während Ungarn rund 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine dauerhaft aufgenommen hat, soll ein Zaun an der Grenze zu Serbien Flüchtlinge und Migranten vor allem muslimischen Glaubens aus Asien und Afrika von Ungarn fernhalten.
    Der Calvinist Orbán sieht sich nicht nur als christliches Bollwerk in der EU, er fördert außerdem die katholische Kirche in Ungarn großzügig: 100 Millionen Euro Staatsgeld etwa für die Renovierung der Kathedrale in der europäischen Kulturhauptstadt Veszprém. Dem Vatikan ist all dies sicher bewusst - das Besuchsprogramm in Ungarn deshalb sorgsam austariert: Zwischen Lob und Mahnung.

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