Sipri-Bericht: Globale Militärausgaben 2022 auf Allzeithoch

    Sipri-Bericht zu Militärausgaben:Unsere Welt, ein gigantisches Pulverfass

    Marcel Burkhardt
    von Marcel Burkhardt
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    Russlands Krieg in der Ukraine und Spannungen in Asien sorgen für ein "Allzeithoch" bei Militärausgaben. Das zeigt der Sipri-Bericht. Einige rüsten auf, "als gäbe es kein Morgen".

    Auf diesem vom Führungsstab der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte zur Verfügung gestellten Foto fliegen drei F-15-Kampfflugzeuge der japanischen Japanese Self-Defense Force (vorne) und vier F-16-Kampfflugzeuge der US-Streitkräfte über das Japanische Meer am 26.05.2022
    Drei F-15-Kampfflugzeuge der japanischen Japanese Self-Defense Force (vorne) und vier F-16-Kampfflugzeuge der US-Streitkräfte über dem Japanische Meer. (Archivbild)
    Quelle: Führungsstab der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte via dpa

    Wachsendes Misstrauen statt Vertrauen zwischen Nachbarn, aggressives Konkurrenzdenken statt Kooperation, eskalierende Rivalitäten: Was das menschliche Zusammenleben erschwert und gefährdet, erlebt die Welt derzeit beschleunigt im großen Ausmaß.
    Ein Ausdruck dessen: Die globalen Militärausgaben sind 2022 auf ein neues "Allzeithoch" gestiegen. Laut den am heutigen Montag veröffentlichten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri haben die Staaten dieser Welt im vergangenen Jahr insgesamt 2.240.000.000.000 US-Dollar für ihr Militär ausgegeben.

    Viele Staaten sehen sich gefährdet - und rüsten deshalb auf

    Mehr als zwei Billionen US-Dollar oder umgerechnet gut zwei Billionen Euro also für die Gehälter von Armeeangehörigen, Waffenarsenale und Kampfeinsätze. Seit acht Jahren in Folge wachsen die Kosten dafür:

    Der kontinuierliche Anstieg der globalen Militärausgaben ist ein Zeichen dafür, dass wir in einer zunehmend unsichereren Welt leben.

    Nan Tian, Sipri-Forscher

    Dem Wissenschaftler zufolge verstärken viele Staaten der Erde "ihre militärische Stärke als Reaktion auf ein sich verschlechterndes Sicherheitsumfeld, das sich in naher Zukunft nicht verbessern wird".

    Rivalität zwischen Großmächten nimmt zu

    Die Studie lässt den Schluss zu, dass unsere Welt zunehmend in ein gefährliches, gigantisches Pulverfass transformiert wird. Sipri-Forscherin Lucie Béraud-Sudreau formuliert es so:
    "Die globalen Entwicklungen sind in eine Ära des Wettbewerbs zwischen den Großmächten eingetreten, die von einem zunehmenden Misstrauen und Rückgang der Kooperationsbereitschaft geprägt ist."
    Die USA, China und Russland rüsten dementsprechend auf und sind allein verantwortlich für 56 Prozent der globalen Militärausgaben.

    Europa: Militärausgaben wie im Kalten Krieg

    Der russische Angriffskrieg in der Ukraine markiert für Béraud-Sudreau auch "eindeutig das Ende der Ära der 'Friedensdividende' in Europa und den Vereinigten Staaten".
    Ein Beleg: Die Militärausgaben der Europäer waren laut Sipri 2022 mit 345 Millionen US-Dollar, umgerechnet etwa 315 Millionen Euro, so hoch wie seit Ende des Kalten Krieges 1989 nicht. "Mit seinem Angriff auf die Ukraine hat Putin die Europäer aus dem Schlaf gerissen", so Politologe Josef Braml.

    Statt des Traums von ewigem Frieden und Recht auf dem Kontinent sehen sie sich jetzt einer massiven Bedrohung ausgesetzt.

    Josef Braml, Politologe

    Deshalb kauften die Europäer nun an Militärgütern, "was der Markt hergibt", so Braml, Europa-Direktor der Trilateralen Kommission, einer Organisation für den Dialog zwischen Amerika, Europa und Asien.

    Mittelosteuropäische Staaten seit 2014 alarmiert

    Die Militärausgaben - finanziert etwa durch neue Schulden, Steuern oder Umschichtungen im Staatshaushalt - stiegen laut Sipri in einigen europäischen Staaten sprunghaft an:
    • in Finnland um 36 Prozent
    • in Litauen um 27 Prozent
    • in Schweden um 12 Prozent
    Der Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato merkt zudem an, dass viele "frühere Ostblock-Staaten" ihre Militärausgaben mehr als verdoppelt hätten seit der russischen Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel im Jahr 2014.

    Gefährliches Drehen an der "Rüstungsschraube"

    Neben der russischen Aggression in Europa besorgt die Wissenschaftler vor allem auch die großen Spannungen rivalisierender Mächte in Asien.

    Wie die Chinesen rüsten auch die Japaner auf, als gäbe es kein Morgen. In Deutschland reden wir von einer Zeitenwende, die Asiaten vollziehen sie.

    Josef Braml, Politologe

    Die Konflikte in Asien führten zu einem "unglaublichen Rüstungswettlauf" mit der Gefahr, in ein klassisches Sicherheitsdilemma hineinzugeraten, erklärt Braml: "Die einen rüsten auf, die anderen fühlen sich dadurch bedroht und rüsten ihrerseits nach. Und so drehen rivalisierende Mächte immer weiter an der Rüstungsschraube - wir kommen in eine immer gefährlichere Lage."
    Wem es gelänge, das Wettrüsten in der Welt zu beenden, habe den Friedensnobelpreis verdient, meint Braml - ganz ohne Ironie.
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