Flüchtlingsgipfel endet mit Wutrede

    Kommunen sind sauer auf Scholz:Flüchtlingsgipfel endet mit Wutrede

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    "Ärgerlich", "ernüchternd", "Heuchelei": Der Flüchtlingsgipfel endet ungewöhnlich. Die Kommunen schimpfen auf den Kanzler. Sie fordern mehr Geld für die Unterbringung Geflüchteter.

    Es ist erst ein paar Tage her, da redet Jens Marco Scherf Klartext. Im ZDF sagt der Landrat des Landkreises Miltenberg in Bayern, er müsse jede Woche zwei neue Unterkünfte für Geflüchtete finden. Denn auch bei ihm kommen Menschen aus der Ukraine an, die vor dem Krieg fliehen. Die Situation sei inzwischen extrem prekär.

    Wir überschreiten unsere Leistungsgrenze.

    Jens Marco Scherf (Grüne), Landrat

    Scherf hat im Januar die letzten freien Häuser für Geflüchtete angemietet, sagt er. Allmählich finde er keine neuen mehr. Der Landrat fordert Hilfe aus Berlin. Es ist ein Hilferuf. Und er wird sich so ähnlich heute wiederholen, dazu später mehr.

    Faeser verspricht mehr Hilfe

    Lange lässt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Presse warten. Ihre Pressekonferenz nach dem Flüchtlingsgipfel in ihrem Ministerium beginnt 90 Minuten verspätet. Zu den Forderungen der Kommunen sagt sie, der Bund stelle den Ländern und Kommunen schon heute nahezu 70.000 Unterbringungsplätze.
    Und sie verspricht mehr: "Wir haben heute zugesagt, weiterhin alles zur Verfügung zu stellen, was möglich ist." Faeser sagt:

    Wir mobilisieren zusätzlichen Wohnraum und Unterkünfte für Geflüchtete.

    Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin

    Dazu werde unter anderem freier Wohnraum identifiziert, hier sei die Lage deutschlandweit sehr unterschiedlich. Freie Grundstücke sollten genutzt werden, etwa um darauf schnell Container zu bauen. Bund, Länder und Kommunen stünden insgesamt Seite an Seite, um die großen Herausforderungen zu meistern, so Faeser.

    Nach russischem Angriff
    :1,1 Millionen Ukrainer in Deutschland

    Seit dem Ukraine-Krieg sind mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Damit sind sie hierzulande die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe.
    Eine Flüchtlingsfamilie auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in Reinickendorf

    Linke will Immobilien beschlagnahmen

    Linken-Chefin Janine Wissler reicht das nicht. Sie fordert notfalls staatlichen Zugriff auf Immobilien: "Unbegründet leerstehende Gebäude in privatem Besitz müssen notfalls zeitweise beschlagnahmt werden, um sie sinnvoll zu nutzen", sagt sie.
    FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai will Kommunen hingegen auch durch eine Begrenzung von irregulärer Migration helfen. Geschehe das nicht, schwinde die Akzeptanz vor Ort für Einwanderung und Integration. Djir-Sarai sagt: "Die Fehler der Merkel-Regierung dürfen nicht wiederholt werden."
    Ähnlich äußert sich auch Faeser. Der Schutz der Außengrenzen sei gewollt. Grenzkontrollen zu Österreich würden verlängert. Und auch die konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber werde gestärkt.

    Kein neues Geld vom Bund: Wutrede

    Keine Einigung gibt es beim Thema Geld. Faeser verweist darauf, dass der Bund den Kommunen für dieses Jahr bereits 2,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt habe. Ob es mehr werde, wolle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wie angekündigt "um Ostern herum" mit den Ländern beraten. Heute nicht.
    Doch die Kommunen erzürnt das. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, kann seine Wut nicht verbergen. Die Tatsache, dass man nun vier Stunden beraten habe, sei kein Zeichen dafür, dass man hervorragende Ergebnisse erzielt habe. "Das ist leider nicht der Fall", sagt er. Das sei ärgerlich und ernüchternd.
    Reinhard Sager am 16.02.2023 in Berlin
    Auf der Pressekonferenz nach dem Flüchtlingsgipfel ärgert sich Reinhard Sager darüber, dass es keine neuen finanziellen Zusagen des Bundes gibt. Die Kommunen bräuchten Entlastung.16.02.2023 | 6:37 min
    Sager ärgert, dass es keine neuen finanziellen Zusagen des Bundes gibt. "Wir brauchen dringend Entlastung", sagt er. Die Kommunen hätten keine Möglichkeit, die Anzahl der Geflüchteten zu steuern. Die habe nur der Bund. Sager kritisiert, dass es mit dem Kanzler keine Gespräche gebe. Sein Kollege Hans-Günter Henneke vom Landkreistag verlässt sogar den Saal und schimpft: "Heuchelei."

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