Hunderttausende betroffen: Verdi-Warnstreik an Flughäfen

    Hunderttausende betroffen:Warnstreik legt Flughäfen lahm

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    An sieben Flughäfen geht heute nichts mehr, rund 300.000 Passagiere bleiben am Boden. Grund: Ein Warnstreik der Gewerkschaft Verdi. Kritik kommt aus der Wirtschaft.

    Ein ganztägiger Warnstreik der Gewerkschaft Verdi bringt den Flugverkehr an sieben deutschen Airports fast zum Stillstand. Der Flughafenverband ADV rechnet bis Freitagabend mit dem Ausfall von rund 2.340 Flügen und etwa 295.000 betroffenen Passagieren.
    "Es geht darum, ein wirklich kräftiges Signal zu setzen", sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle im Inforadio.

    Wir haben einen katastrophalen Arbeitskräftemangel.

    Christine Behle, stellvertretende Vorsitzende Verdi

    Airlines und Flughäfen: Arbeitskampf überzogen

    Airlines und Flughäfen kritisierten den Arbeitskampf als überzogen. "Wenn wir heute Morgen in die Terminals der Flughäfen schauen, dann erinnert uns das eher an die schlimmsten Tage von Corona und weniger an einen Warnstreik", sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel im Bayerischen Rundfunk. "Wir hatten eine solche Eskalation durch Streikmaßnahmen wirklich noch nicht."






    Der Ausstand in Frankfurt, München, Stuttgart, Hamburg, Dortmund, Hannover und Bremen startete teilweise mit der Nachtschicht und führte schon am Donnerstagabend zu ersten Flugausfällen. Nur einzelne Flüge oder Sonderverbindungen finden statt, wie Türkei-Flüge mit Hilfsgütern für die Erdbebenregion.
    In Frankfurt fällt die Tagesbilanz nüchtern aus: Zwölf Notflüge statt der geplanten 1.005 Flugbewegungen. In München, Hannover, Stuttgart, Bremen, Hamburg und Dortmund fliegt ebenfalls kaum etwas. Auch an nicht bestreikten Flughäfen wie etwa Berlin kommt es in Folge der Warnstreiks teilweise zu Einschränkungen. Trotz des Ferienbeginn in Baden-Württemberg und Bayern bleibt auch dort das Chaos aus.

    München: Nur Sonderflüge zur Sicherheitskonferenz

    Ein vergleichbares Bild zeigte sich an den anderen Flughäfen. In München wurden einem Airportsprecher zufolge rund 750 Flüge abgesagt. Damit ruhe praktisch der gesamte gewerbliche Flugverkehr, sagte er. Passagiere kamen demnach so gut wie gar nicht erst zum Airport. Nur "sehr vereinzelt" seien Menschen erschienen, die vom Streik anscheinend nichts mitbekommen hätten.
    Abgewickelt wurden in München nach Angaben des Sprechers nur angemeldete Sonderflüge mit Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz, an der etliche Regierungsvertreter aus dem In- und Ausland teilnehmen. Deren Abfertigung sei gemäß vorheriger Absprachen "gewährleistet", betonte er.

    Verdi ruft in drei Tarifkonflikten zum Streik auf

    Verdi hatte in drei laufenden Tarifkonflikten gleichzeitig die Beschäftigten zum Streik aufgerufen. Wegen schlechter Jobbedingungen und geringer Bezahlung kehrten viele Beschäftigte den Flughäfen den Rücken zu, obwohl dort Personal aufgestockt werden müsste, warnte Behle.

    Wenn sich jetzt nichts tut bei der Vergütung, dann wird uns allen wieder ein Chaos-Sommer bevorstehen - das müssen wir natürlich dringend verhindern.

    Christine Behle, Verdi-Vizechefin

    Der Personalmangel hatte 2022 zu Warteschlangen, Verspätungen und Tausenden Flugausfällen geführt. Die Lufthansa kündigte bereits an, ihr Flugangebot für den Sommer 2023 auszudünnen. An den Flughäfen war es sehr ruhig.

    Heute Morgen sind die Terminals wie leer gefegt.

    Sprecherin Hamburger Airport

    Lufthansa streicht über 1.300 Flüge

    Die Lufthansa etwa stellt den Flugbetrieb an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München am Freitag komplett ein und streicht insgesamt über 1.300 Flüge. "Am Samstag starten wir wieder in den Regelbetrieb", sagte ein Konzernsprecher.
    Die Airline wollte sich aber nicht zu den finanziellen Auswirkungen des Streiks oder des jüngsten IT-Ausfalls äußern. In der Vergangenheit hatte Lufthansa Streikkosten in ähnlichen Fällen auf zehn bis 15 Millionen Euro pro Tag beziffert.

    Heftige Kritik an Streiks aus der Wirtschaft

    Airlines und Flughäfen sprechen von einer beispiellosen Eskalation. "Hiermit überspannt Verdi den Bogen völlig und trägt den Tarifkonflikt auf dem Rücken der Passagiere aus", argumentiert der Präsident der Luftfahrtlobby BDL, Jost Lammers.
    "Das hat für uns nichts mehr mit einem Warnstreik zu tun, das grenzt schon an einen Generalstreik", sagte ADV-Fachmann Beisel im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Aus dem Mittelstand kommt scharfe Kritik an der Gewerkschaft:

    Es ist nicht hinnehmbar, dass Verdi seine Tarifforderungen auf dem Rücken der gesamten deutschen Wirtschaft auslebt.

    Markus Jerger, Bundesverband mittelständische Wirtschaft

    Verdi-Chef droht mit verschärften Protestaktionen

    Verdi hatte Beschäftigte im öffentlichen Dienst, das Bodenpersonal und die Belegschaft bei der Luftsicherheit zum Streik aufgerufen. Im öffentlichen Dienst fordern Verdi und dbb-Tarifunion 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr.
    Vor der nächsten Verhandlungsrunde am 22. Februar droht Verdi-Chef Frank Werneke mit verschärften Protestaktionen. "Die nächsten Streiks haben eine andere Dimension", sagt er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Sollten die Arbeitgeber aber ein gutes Angebot vorlegen, könne man sich schnell einigen. Anderenfalls seien die Streiks an Flughäfen, im Nahverkehr oder in Kitas nur ein Vorgeschmack.
    Quelle: Reuters, dpa, AFP

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