Neues Parlament: Junge Griechen haben die Wahl

    Parlamentswahlen:Warum junge Griechen mit Wut wählen gehen

    von Andreas Postel, Athen
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    In Griechenland wird heute das Parlament gewählt: Warum viele junge Griechen mit Wut auf die aktuelle Regierung zur Wahlurne gehen dürften.

    Junge Frau kommt aus der Wahlkabine in Athen, Griechenland
    Die jungen Griechen haben viele Gründe, ihren Protest an der Wahlurne kundzutun.
    Quelle: ap

    Sie ist 1997 geboren und nennt sich "Nefeli Meg". Mit ihrem YouTube-Kanal erreicht die Influencerin regelmäßig zehntausende junge Griechen. Ihre Generation kennt das eigene Land bisher nur im Krisenmodus: Finanzkrise, Corona-Krise, Energiekrise.
    Viele von uns sind ins Ausland gegangen, sagt Nefeli im ZDF-Interview, auch wenn sie selbst der Meinung ist, dass die Dinge nicht mehr so schlimm sind, wie sie es 2009 waren.
    Viel Aufmerksamkeit gab es von ihrer Community für ein Interview mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyiakos Mitsotakis im Wahlkampf.
    Parlamentswahl in Griechenland
    Am 21. Mai wählen die Griech*innen ein neues Parlament. Vor allem die Jungen im Land sind frustriert und prangern Strukturmängel in der Verwaltung, Korruption und Politfilz an. 17.05.2023 | 2:12 min

    Kritik an Mitsotakis wegen Abhörskandal

    Dem 55-jährigen Spitzenkandidaten der konservativen Nea Dimokratia schlug Kritik entgegen, wegen eines Abhörskandals im vergangenen Jahr, bei dem zahlreiche Politiker und Journalisten vom Geheimdienst belauscht wurden.
    Der Zirkel um Kyriakos Mitsotakis, der sich als liberal versteht, muss sich Kritik wegen schwerwiegender Verletzungen von Freiheitsrechten gefallen lassen, so Aristidis Chatzis, Professor für Institutions- und Rechtsphilosophie in Athen.
    Besonders aber das schlimmste Zugunglück in der Geschichte des Landes am 28. Februar auf der Strecke Athen-Thessaloniki mit 57 Toten zog tagelange Proteste nach sich, vor allem von Studenten.

    Griechische Wirtschaft überdurchschnittlich gewachsen

    Dem 55-Jährigen Mitsotakis wird vor allem angerechnet, dass er in seiner Regierungszeit ein Stück weit Vertrauen in die Zukunft zurückgegeben hat.




    Die griechische Wirtschaft ist doppelt so stark gewachsen, wie im europäischen Durchschnitt. Internationale IT-Unternehmen kommen ins Land, bieten neue Jobs und die Löhne steigen, wenn auch langsam. Der Mindestlohn wurde erhöht, die Renten angehoben.
    Das alles habe, so Alexis Routzounis vom Meinungsforschungsinstitut Kappa Research, eine positive Wahrnehmung in der Gesellschaft geschaffen. Trotz des immer noch niedrigen Einkommensniveaus sind laut Umfragen rund 45 Prozent der Griechen der Meinung, dass die Wirtschaft besser dasteht als noch vor vier Jahren.

    IT-Branche ringt um Fachkräfte

    Zudem habe Mitsotakis seinem Land auf internationaler Bühne wieder mehr Ansehen verschafft. Auf der Tech-Saloniki werben IT-Firmen um eine seltene Spezies - junge, gut ausgebildete Informatiker.
    Maria Rammou organisiert die Jobbörse und erzählt, dass die aufstrebende Branche in Thessaloniki händeringend Fachkräfte sucht. Bislang kommt der Aufschwung längst nicht bei allen an.

    Perspektiven für junge Menschen fehlen

    Nach zehn Jahren hartem Sparkurs infolge der Staatsschuldenkrise ist das Verarmungsrisiko in Griechenland hoch, trotz staatlicher Hilfen. Viele junge Menschen können sich keine eigene Wohnung leisten.
    Der Gedanke an eine Familie, an Kinder verursacht ihnen berechtigterweise Angst und Panik, so Prof. Nikos Marantzidis, Politikwissenschaftler an der Makedonien Universität in Thessaloniki.
    Er ist der Meinung, dass in Griechenland das gesamte politische System in den letzten 20 Jahren kläglich damit gescheitert ist, Bedingungen zu schaffen, die die junge Generation fördern und die mehr Perspektiven schaffen, als es sie jetzt gibt.

    Opposition setzt auf soziale Gerechtigkeit

    Soziale Gerechtigkeit ist das große Thema von Oppositionsführer Alexis Tsipras. Zum Wahlkampfabschluss der linken Syriza auf dem Syntagma-Platz in Athen ruft er seinen Anhängern zu, er wolle Schluss machen, mit der sozialen Ungerechtigkeit, mit Profitgier und mit der Ungleichheit.
    In der Zeit der Sparprogramme zwischen 2010 und 2017 sind die Einkommen in Griechenland um ca. 30 Prozent eingebrochen, so Panagiotis Petrakis, Professor für Ökonomie an der Universität von Athen.
    Das Einkommensniveau muss wieder auf das vor der Krise zurückkehren können, doch dazu braucht es das nötige Gleichgewicht der Staatsfinanzen, um damit wieder eine diesbezüglich gute Entwicklung anstoßen zu können, so Petrakis.
    Für die junge griechische Generation wäre das ein gutes Zeichen, nach all den Krisenjahren, die sie bislang erlebt hat.

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