Griechisch-türkischer Streit: Annähern durch "Beben-Hilfe"?

    FAQ

    Durch Beben-Hilfe:Neue Entspannung zwischen Ankara und Athen?

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    Neue "Beben-Diplomatie": Verbessert sich das historisch angespannte Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei nach der spontanen Hilfe aus Athen? Fragen und Antworten.

    Der griechische Außenminister Nikos Dendias wird von seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nach dem tödlichen Erdbeben am 12. 2. 2023 in Adana, Türkei, begrüßt
    Versöhnung angesichts des Grauens: Griechenlands Außenminister Nikos Dendias (l.) bei seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu am 12. Februar 2023 in Adana.
    Quelle: Reuters

    Warum ist der Konflikt zuletzt so eskaliert?

    Eine massive Verschlechterung hat - laut griechischen Analysten - mit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2016 begonnen. Von da an habe Erdogan überall Feinde gesucht und auch geschaffen, heißt es in Athen. Der türkische Präsident bediene sich oft einer Freund-Feind-Logik, um die Reihen hinter sich zu schließen, sagen auch türkische Beobachter.
    Ein zentrales Thema spielt auch die Entdeckung großer Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Wiederholt schickte Ankara Bohr- und Forschungsschiffe in Seegebiete, die nach internationalem Recht zu Griechenland gehören.
    Türkisches Gasbohrschiff
    09.08.2022 | 3:55 min
    Griechenland und die Türkei streiten schon lange um Erdgasvorkommen im Mittelmeer:
    Nach diplomatischen Annäherungen Athens an die USA war dann bei Erdogan im vergangenen Frühjahr das Fass voll: Er kenne den griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nicht, sagte er, und brach die Verbindung zum Nachbarland ab. Erdogan störte sich vor allem daran, dass sich Mitsotakis angesichts der türkischen Überflüge über griechisches Gebiet in den USA dafür eingesetzt hatte, dass Washington keine weiteren Kampfjets an Ankara verkaufen solle.

    Streitpunkt Hoheitsrechte in der Ägäis: Was hat es damit auf sich?

    Athen hat etliche griechische Inseln gegenüber der türkischen Westküste seit Jahrzehnten militarisiert, obwohl internationale Verträge das verbieten. Die EU hat dieses Gebaren mehrfach verurteilt, auch bei der Nato ist man nicht glücklich über die Streitigkeiten zwischen den beiden Nato-Mitgliedern.
    Eine Flagge der Nato.
    28.06.2022 | 3:44 min
    Die Türkei streitet sich mit Griechenland um einige griechische Inseln:

    Wie hat sich die Situation seit dem Erdbeben verändert?

    Vor allem in der Bevölkerung überwiegt auf beiden Seiten der Zusammenhalt in dieser schwierigen Situation. Griechenland war eines der ersten Länder, das Helfer ins Erdbebengebiet schickte - es gibt in beiden Ländern wegen der hohen Erdbebengefahr viel Know-how für den Ernstfall.
    Der griechische Staatssender ERT machte seine Nachrichtensendung mit einem türkischen Lied auf, eine Geste, die viele Menschen in der Türkei berührte und würdigend tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt wurde.

    Besteht Hoffnung, dass sich das auch politisch auswirkt?

    Als Athens Außenminister Nikos Dendias als erster EU-Politiker ins Erdbebengebiet reiste, fielen sich er und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu am Flughafen der völlig zerstörten Stadt Antakya geradezu in die Arme. Nach dem emotionalen Moment sagte Cavusoglu:

    Wir sollten nicht bis zum nächsten Erdbeben warten, um unsere bilateralen Beziehungen zu verbessern.

    Mevlüt Cavusoglu, Außenminister der Türkei

    Das Treffen war ein erster großer Schritt. Auch gab es seit dem Erdbeben kaum mehr Verletzungen des griechischen Hoheitsgebiets durch türkische Jets, die zuvor fast täglich stattfanden. Allerdings fragen sich Experten, wie lang solch ein Burgfrieden anhalten kann, da die konkreten Konflikte ja nicht gelöst sind. Regierungschef Mitsotakis jedenfalls hat Hoffnung: Das Erdbeben mit seinen "unermesslichen Zerstörungen" könne eine Gelegenheit sein, die Beziehungen neu zu definieren, sagte er am Donnerstag.

    Was bedeutet der Besuch von US-Außenminister Antony Blinken?

    Nach Ansicht von Analysten dürfte Blinken versuchen, beide Länder wieder an einen Tisch zu bekommen. Für die USA sind beide Länder geostrategisch wichtig. Vor allem mit Griechenland gab es zuletzt eine verstärkte militärische Zusammenarbeit, US-Basen unter anderem auf Kreta und in Mittel- sowie Nordgriechenland wurden auf- und ausgebaut.
    Zudem schwächt der Streit der Nachbarländer die Südostflanke der Nato. Das kann das Militärbündnis in Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht brauchen.

    Schwere Erdbeben
    :Spendenaufruf für Türkei und Syrien

    Nach dem schweren Erdbeben in Marokko werden mehrere Tausend Tote gezählt. Internationale Hilfe läuft an. Auch deutsche Rettungsteams bereiten sich auf den Einsatz vor.
    Eingestürztes Gebäude in Diyarbakir, Türkei
    Quelle: A. Angelopoulou, T. Tsafos, A. Pollmann, dpa

    Nachrichten zum Erdbeben in der Türkei und Syrien