Griechenland:Tourismus boomt - doch wer macht die Arbeit?
von Annette Hilsenbeck
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Ein Rekordjahr bei den Urlaubsbuchungen: Das könnte der Regierung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis bei den Parlamentswahlen am 21. Mai helfen. Doch es gibt ein Problem.
Sommer, Sonne - Personalmangel? Griechenland ist 2023 beliebtes Reiseziel. Doch es fehlt an Arbeitskräften.
Quelle: dpa
Laut Griechenlands Tourismusminister Vasilis Kikilias erwartet man in diesem Jahr ein Wachstum im Fremdenverkehr von 20 Prozent. Tritt das ein, würde Griechenland 2023 den Reiserekord aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 deutlich übertreffen. Solche Nachrichten sind gut kurz vor der Wahl. Denn rund ein Fünftel des griechischen Bruttoinlandsproduktes wird im Tourismus erwirtschaftet.
Doch es gibt ein Problem, das die Euphorie trübt: Es mangelt an Arbeitskräften. Zimmermädchen, Servicekräfte, Köche etwa - 80.000 Stellen könnten unbesetzt bleiben.
Angebot reduzieren? Kleine Betriebe in Angst
"Das Problem ist besorgniserregend", so Mania Abatzi, Vorsitzende des Hoteliersverbandes der Insel Paros. Man versuche natürlich, die offenen Stellen noch zu besetzen. Sollte das nicht möglich sein, hätten schon einige Unternehmen angekündigt, ihr Angebot zu reduzieren. Tavernen wollen dann weniger Tische aufstellen, das Angebot der Speisekarte reduzieren.
Auf den Gast soll sich der Mangel auf keinen Fall auswirken. Doch Hotels und Tavernen würden so finanzielle Einbußen erleiden. Besonders kleinere Betriebe betrifft es.
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In der Coronakrise sind Arbeitskräfte abgewandert
Ein Grund für den Personalmangel: Während der Corona-Pandemie war Arbeiten im Tourismussektor eingeschränkt. Viele haben sich in der Zeit umorientiert, sind in Jobs gewechselt, die ganzjährige Arbeit bieten oder sind ins Ausland gegangen.
Einen wesentlichen Grund für diese Wechsel sieht Giorgios Chotzoglou, Vorsitzender der Gewerkschaft der Beschäftigten im Tourismus, in der befristeten Beschäftigung. Saisonarbeiter erhalten zwar nach Saisonende Arbeitslosengeld - allerdings nur für drei Monate. "Arbeitnehmer in Südgriechenland etwa werden im Oktober entlassen, das heißt, sie erhalten bis Januar Arbeitslosengeld. Dann haben sie bis Mai kein Einkommen", erklärt der Gewerkschafter.
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Auch der Wohnraum für Saisonkräfte fehlt
Dazu verdienen manche Saisonkräfte immer noch nur den gesetzlichen Mindestlohn von 780 Euro, wenn der Arbeitgeber sich nicht an den neu ausgehandelten Branchentarifvertrag hält. Auf den Inseln gibt es in der Ferienzeit zudem oft Probleme, akzeptable Unterkünfte für die Saisonarbeiter zu finden. "Das Problem hat sich in den letzten Jahren wegen Airbnb und weiteren Anbieters tatsächlich weiter verschärft", so Gewerkschafter Chotzoglou .
Der Besitzer eines Mittelklassehotels auf Paros, der kürzlich Unterkünfte für sein Saisonpersonal suchte, formuliert das drastischer:
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Befristete Visa für ausländische Arbeitskräfte als Lösung?
Die Regierung Mitsotakis will dem Arbeitskräfte-Mangel beikommen: Bangladeschis - insbesondere solche, die schon im Land sind -, aber auch Menschen aus Ägypten oder Indien sollen befristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen ausgestellt werden. Sie könnten gewillt sein, die Lücken zu schließen, heißt es.
Hotelexpertin Abatzi reagiert darauf verhalten: Im Hotel etwa brauche man überall Fachkenntnisse:
Doch es sei ein Versuch, das Problem zu lösen, man hoffe, dass es gelingt. Gewerkschafter Chotzoglou hingegen hält die Initiative für keine gute Lösung: Die Rechte der Arbeitnehmer würden ausgehöhlt, die Löhne gedrückt.
Trotz der Inflation rechnet die Tourismusbranche für 2023 mit steigenden Umsätzen:
Höhere Gehälter als Lösung?
Die These des Gewerkschafters: Wenn Hotels und Restaurants höhere Löhne zahlen und bessere Arbeitsbedingungen schaffen, würden alle Stellen besetzt werden. Der Spielraum dafür ist beschränkt, glauben Hotel- und Restaurantbesitzer. Sie verweisen auf die rasant gestiegenen Kosten für Energie, Essen und Rohstoffe - das schränke den Spielraum ein.
Doch letztlich werde es der Markt regeln - Angebot und Nachfrage, so Hotelexpertin Abatzi :"Schon jetzt sind die Lohnkosten gestiegen, auch weil es eine große Nachfrage gibt und ein geringes Angebot besteht."
Quelle: ZDF