Üble Gerüche: Wenn die Nase uns warnt

    Lebensretter Nase:Wenn Gerüche uns warnen

    von Anne Frieda Müller, Wien
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    Hören und Sehen bestimmen unseren Alltag sehr. Aber auch der Geruchssinn hat großen Einfluss und kann unterschiedliche Gefühle hervorrufen - bei jedem andere.

    Ein Besucher der Pilzberatung riecht in Berlin im Botanischen Museum an einer Herbstlorchel.
    Gerüche werden im Gefühlszentrum des Gehirns verarbeitet - und lösen daher starke Reaktionen aus.
    Quelle: dapd

    Ein paar Frauen stecken ihre Nasen in Mülleimer, Altglas-Container, aber auch in die nächste Blumenhecke. Sie machen einen sogenannten Smell-Walk durch Wien. Die Idee dahinter: genau "hinriechen".
    Geruchssensibilisierung nennt die Kulturwissenschaftlerin Stephanie Weismann das. Riechen und beschreiben, was die Gerüche auslösen. Im Vorhinein hat sie mit den Teilnehmenden schon geübt.
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    Gerüche gibt es überall

    Weismann hat ihnen Geruchsproben in Plastikverpackungen gegeben. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich: Eine Teilnehmerin sagt leise "Ihh!" und dreht den Kopf weg, eine andere ruft: "Das riecht nach Fisch!". Die dritte fragt zurück: "Echt? Mich erinnert das ans Ferienlager." Workshop-Leiterin Weismann löst auf: In dem Riechstift ist Öl aus einer Sardinendose.
    Draußen beim Spaziergang riechen die Teilnehmenden an einem alten Dosenbier im Mülleimer, an Zigarettenautomaten, aber auch Blumen und Bäumen. Stephanie Weismann empfiehlt: "Riechen kann man immer und überall. Auf dem Weg zur Arbeit, auf dem Weg zur Schule."

    Dabei kann man sich fragen: Was stinkt mir? Was rieche ich gerne? Und warum ist das eigentlich so?

    Stephanie Weismann, Kulturwissenschaftlerin

    Smell-Walk in Wien
    Im Gelände riechen: ein Smell-Walk in Wien.
    Quelle: Stephanie Weismann

    Reaktion auf Gerüche nicht kontrollierbar

    Elisabeth, die zum ersten Mal an so einem Geruchspaziergang teilnimmt, ist begeistert: "Ich fühle mich sehr bereichert! Ich bin mir bewusst geworden, dass der Riechsinn eine große Quelle von Freude und Genuss sein kann."

    Smell-Walk in Wien
    Quelle: Stephanie Weismann

    In der menschlichen Nase befinden sich an beiden Seiten Riechschleimhäute mit Riechsinneszellen. Diese werden durch Gerüche aktiviert und besitzen beim Menschen etwa 350 Rezeptoren, die die Duftstoffe aufnehmen. Die Duftreize gelangen über den Riechnerv direkt ins Gehirn.

    Denn Gerüche werden nicht wie die meisten Informationen im Großhirn verarbeitet, sondern gelangen direkt in das limbische System, das Gefühlszentrum im Gehirn. Deswegen sind Gerüche, so Weismann, "übergriffig":

    Sie sind schwer zu kontrollieren und lösen bei uns meist starke Reaktionen hervor.

    Stephanie Weismann, Leiterin Geruch-Workshop

    In der Philosophie - von Aristoteles über Kant bis Freud -, erklärt Weismann, habe der Geruchssinn lange als niedriger, animalischer Sinn gegolten: "Gerüche sind unberechenbar, affektiv und sind damit vielen suspekt."
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    Instinktive Warnung durch die Nase

    Dabei haben Gerüche eine sehr wichtige Funktion: Sie sind Informationsboten und Warnsignale. In der Corona-Pandemie galt der Verlust des Geruchssinns als verbreitetes Symptom. Erst dadurch sei vielen bewusst geworden, wie viel Orientierung das Riechen instinktiv gibt.

    Zwei Autos mit Abgasen
    Quelle: Martin Meissner / ap

    Gerüche wecken Erinnerungen, sind aber flüchtig. Ein Versuch, sie fest zu machen, sind Geruchstagebücher, in denen man versucht, Gerüche zu beschreiben und was sie auslösen. Geruchstagebücher werden teilweise auch zur Messung von Geruchsbelästigung eingesetzt, in dem Nachbar*innen aufschreiben sollen, wenn sie störende Gerüche wahrnehmen.

    Der kurze Geruchstest an der Milch ist da ein Beispiel. Mike, der an dem Geruchsspaziergang teilnimmt, plädiert in dem Sinne gegen Lebensmittelverschwendung: "Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, lohnt es sich, einen Geruchstest zu machen." Damit man feststellen könne, ob das Produkt noch in Ordnung sei.
    Und Weismann betont:

    Unbekannte Gerüche lösen instinktiv immer erstmal einen Alarm aus.

    Stephanie Weismann, Kulturwissenschaftlerin

    Deshalb wird zum Beispiel auch Gas ein künstlicher, beißender Geruch zugesetzt.
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    Reaktion auf Gerüche kulturell unterschiedlich

    Abseits von Warnsignalen ermutigt die Kulturwissenschaftlerin dazu, wieder mehr und genauer im Alltag zu riechen. Interessant dabei ist auch der Austausch mit anderen, denn Gerüche seien für jeden anders besetzt.
    Was wir gut riechen können oder was und stinkt, ist dabei vor allem gelernt und kulturell sehr unterschiedlich. Nur Vanille fänden tendenziell alle Menschen angenehm, so Weismann. Das könnte daran liegen, dass Muttermilch bzw.die Ersatzprodukte eine starke Vanillenote vorhanden haben, wie die Forschung vermutet.
    Weismann empfiehlt das Riechen, denn:

    Alles riecht. Und aus diesen Gerüchen können wir ganz viel lesen. Durch das Riechen nehmen wir unsere Umgebung und, wie sehr uns Gerüche beeinflussen, nochmal viel bewusster wahr.

    Stephanie Weismann, Kulturwissenschaftlerin

    Julia Gebke aus Weismanns Team fügt dabei lachend eine kleine Warnung hinzu: "Wenn man einmal bewusst anfängt zu riechen und die Nase aufmacht, kann man nur noch so durch die Gegend laufen."
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