Finanznot im Abstiegskampf: Explosive Stimmung bei Hertha

    Finanznot im Abstiegskampf:Explosive Stimmung bei Hertha BSC

    von Florian Vonholdt
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    Gerade hatte Hertha zuletzt im Abstiegskampf wieder Hoffnung geschöpft, sorgte eine Meldung über Finanzprobleme für einen Stimmungsdämpfer. Auch sonst rumort es im Verein kräftig.

    Hertha-Fans schwenken ihre Fahne
    Zur sportlichen Krise gesellen sich nun auch finanzielle Nöte: Wo endet die Talfahrt von Hertha BSC?
    Quelle: dapd

    Die Woche bei Hertha BSC begann turbulent, setzte sich so fort und droht auch genauso zu enden. Dabei hatte das Team mit dem 2:1-Sieg im Kellerduell der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart alles dafür getan, für etwas Aufbruchstimmung zu sorgen. Doch nur zwei Tage später sprach über den sportlich überlebenswichtigen Erfolg keiner mehr.
    Grund dafür war ein Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Montag, der tief blicken lässt. Inhalt: Die Lizenz für den Traditionsklub ist wegen großer Finanzprobleme in Gefahr. Eine anonyme Quelle, die in das Lizenzierungsverfahren involviert ist, spricht vom "schlimmsten Fall, den wir je hatten."

    Klassenerhalt der Hertha gleich doppelt in Gefahr

    Die Lage sei "hochkritisch", weil Hertha nicht mehr ausreichend liquide sei, aber Ende des Jahres eine 40 Millionen Euro schwere Anleihe zurückzahlen muss. Zudem stehen unerlaubt große Zugeständnisse an Herthas neuen Investor 777 Partners im Raum, die gegen die 50+1-Regel der DFL und damit gegen die Lizenzvorgaben verstoßen. Was für sich spricht: Dementiert hat der Klub den Bericht nicht. Man sei mit der DFL im Austausch, wolle sich aber zu den laufenden Vorgängen nicht weiter äußern.
    Heißt also: Sollte Trainer Pal Dardai mit seiner Mannschaft tatsächlich die Mammutaufgabe Klassenerhalt bewältigen, ist längst nicht sicher, dass Hertha auch in der kommenden Spielzeit in der Bundesliga antreten darf. Der Ungar nimmt die Hektik im Verein gewohnt pragmatisch zur Kenntnis, sagt:

    Geld haben wir nicht. Aber wir haben eine Menge Herz.

    Hertha-Trainer Pal Dardei

    Jedes Spiel mit dem Rücken zur Wand

    Das muss seine Elf schon am Freitagabend beim 1. FC Köln wieder zeigen. Hertha kann im Abstiegskampf vorlegen, die Konkurrenz unter Druck setzen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Im schlechtesten Fall kann der Rückstand auf Relegationsplatz 16 am Sonntag auf sechs Punkte anwachsen. Bei dann noch zwei ausstehenden Spielen wäre die Aussicht auf den sportlichen Klassenerhalt nur noch theoretischer Natur.
    Dan-Axel Zagadou (VfB Stuttgart, 23) und Florian Niederlechner (Hertha BSC Berlin, 7) im Zweikampf.
    Kommt Schlusslicht Hertha BSC im Abstiegskampf noch einmal ran? Mit einem dringend nötigen 2:1 im Kellerduell gegen Stuttgart hält der Hauptstadtklub die Hoffnung am Leben.08.05.2023 | 7:22 min
    Das will man unbedingt verhindern, auch um die Emotionen bei der Mitgliederversammlung am Sonntag nicht zusätzlich anzuheizen. Diese birgt ob der prekären finanziellen Lage und der katastrophalen Außendarstellung des Vereins ohnehin genügend Brisanz. Ob man mit Verhältnissen wie bei einigen berühmt gewordenen Veranstaltungen des FC Bayern rechnen muss, hängt auch vom Ergebnis in Köln ab.

    Präsidium wohl nicht mehr komplett

    Unterdessen hat drei Tage vor der Mitgliederversammlung von Hertha BSC das langjährige Präsidiumsmitglied Ingmar Pering sein Amt niedergelegt. Entsprechende Medienberichte bestätigte der Berliner Bundesligist am Donnerstagabend.

    Ja, ich bin zurückgetreten, nachdem in letzter Zeit bei Hertha BSC zu viele Fehler und Pannen aufgetreten sind und ich das Gefühl habe, dass mein Rat und meine Vorschläge nicht mehr ausreichend gehört werden.

    Ingmar Pering, Hertha-Präsidiumsmitglied

    Daraus habe er jetzt die Konsequenzen gezogen, sagte der 57-Jährige der "Bild"-Zeitung. Wie der "Kicker" berichtet, soll Pering, der seit mehr als 20 Jahren bei der Hertha aktiv war und seit 2007 dem Präsidium angehörte, seinen Rücktritt mit schweren Vorwürfen gegen Klub-Chef Kay Bernstein und speziell zum Zustandekommen der Zusammenarbeit mit dem neuen Investor 777 Partners begründet haben.
    Laut Hertha-Satzung muss nun ein neues Präsidiumsmitglied gekürt werden, da das Gremium aus mindestens sieben Mitgliedern bestehen muss. Das aber ist bei der anstehenden Mitgliederversammlung am Sonntag aus formalen Gründen noch nicht möglich. Dort soll aber in einem gesonderten Tagesordnungspunkt gemeinsam mit den Mitgliedern über die Optionen einer Nachwahl in einer außerordentlichen oder der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung diskutiert werden. 

    Hertha-Mitglied will Präsidium stürzen

    Der Unruhe noch nicht genug, wurde schon am Dienstag bekannt, dass ein Mitglied jeweils einen Abwahlantrag gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Brüggemann und gegen das gesamte Präsidium inklusive Präsident Kay Bernstein eingereicht hat. Diese wurden für die Versammlung auch zugelassen. Wegen eines Formfehlers bei der Anzahl der zu besetzenden Plätze im Präsidium sei dieses nicht amtsführungsberechtigt, behauptet das Mitglied und beruft sich auf die Vereinssatzung.
    Dass die Hertha nach dem Wochenende womöglich nicht nur ohne Punkte, sondern auch ohne Klubführung dasteht, ist aber eher unwahrscheinlich. 75 Prozent der am Sonntag anwesenden Mitglieder müssten einem Abwahlantrag zustimmen.

    Sportdirektor Weber mahnt zur Ruhe bei Hertha

    Herthas Sportdirektor Benjamin Weber fasste am Donnerstag die Woche im Berliner Westend treffend zusammen: "Es war laut dieser Tage." Das Wichtigste sei nun, "Ruhe zu bewahren und uns auf das zu fokussieren, das wir beeinflussen können: das Spiel am Freitagabend in Köln."
    Dann kam er doch noch auf das zu sprechen, was bei ihm und allen anderen Herthanern erst am letzten Samstag für so viel Erleichterung gesorgt hatte: "Mir gefällt die Geschlossenheit, die Kommunikation, die Gemeinsamkeit, die die Mannschaft gegen Stuttgart wieder gezeigt hat." Eigenschaften, die man im Rest des Vereins derzeit vergeblich sucht.
    Quelle: mit Material von dpa

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