Camp für vereinslose Profis: Aus der Not eine Chance machen

    Vereinslose Fußballprofis:Im Camp aus der Not eine Chance machen

    von Ralf Lorenzen
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    Abseits der Scheinwerfer des Spitzenfußballs kämpfen in den unteren Ligen zahlreiche Profis um ihre Existenz. 26 von ihnen trainieren in einem Proficamp für einen neuen Vertrag.

    Peter Neururer
    Trainer der VDV-Mannschaft: Peter Neururer, der seine Erfahrung aus über 600 Pflichtspielen als Profitrainer mitbringt.
    Quelle: Imago

    Der Regionalliga-Aufsteiger FC Gütersloh empfängt am Mittwochabend einen ungewöhnlichen Testspielgegner. Einen, der zum ersten Mal überhaupt als Mannschaft aufläuft. Zum 21. Mal gibt die Spielergewerkschaft VDV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler) seinen derzeit vereinslosen Mitgliedern kostenlos die Möglichkeit, sich fit zu halten und für mögliche Interessenten zu präsentieren.

    Rein ins Geschäft oder zurück ins Geschäft

    "Ich versuche die Jungs mit meinem Trainerteam so schnell wie möglich auf den gleichen körperlichen Stand zu bekommen, wie ihn alle anderen Profis zu diesem Zeitpunkt haben", sagt Peter Neururer, der das Training der 26 Spieler vier Wochen lang in der Sportschule Wedau leitet, im Gespräch mit ZDFheute.
    "Darüber hinaus versuchen wir aus den einzelnen Spielern eine Mannschaft zu machen, die sich in Testspielen präsentieren kann." Es sind entweder junge Spieler, die den Sprung aus der U19 in den Seniorenbereich noch nicht geschafft haben. Oder ältere Spieler, die noch keinen neuen Vertrag erhalten haben.

    Andreas Bornemann, Sportlicher Leiter FC St. Pauli:
    Grundsätzlich halte ich die Proficamps für eine gute Möglichkeit für diese Spieler, sich in einem Team-Training fit zu halten, und nicht nur individuell oder mit einem Personal-Coach oder Fitnesstrainer. 

    Björn Schierenbeck, Direktor Leistungszentrum Werder Bremen
    Das Camp ist ein tolles Angebot der VDV. Unsere sportliche Leitung verfolgt das, auch wenn wir bislang noch keinen Spieler aus dem Camp heraus verpflichtet haben. 
    Die Spieler, die am VDV-Camp teilnehmen, dokumentieren damit, dass sie alles dafür tun, um einen neuen Verein zu finden. Die VDV stellt dafür die optimalen Rahmenbedingungen zur Verfügung.

    Rob Reekers, Sportlicher Leiter FC Gütersloh 
    Das Camp gibt arbeitslosen Spielern die Möglichkeit, auch ohne Verein auf ein gewisses Fitnesslevel zu kommen bzw. auf diesem zu bleiben. Dadurch hinkt der Spieler nicht allzu viel hinterher, wenn sein neuer Verein schon in der Sommervorbereitung unterwegs ist.

    Eine Saisonvorbereitung wie im Verein

    Zu letzteren gehört Nestor Djengoue, der mit Phönix Lübeck am letzten Spieltag der Vorsaison den Abstieg aus der Regionalliga-Nord vermeiden konnte. Der 32-jährige Kameruner, der einst in der Jugend von Inter Mailand spielte, nimmt bereits zum dritten Mal am Camp teil.

    Wenn du am Ende der Saison keinen neuen Vertrag bekommst, ist es immer schwer mit der Situation umzugehen.

    Nestor Djengoue, vereinslos

    "Es ist sehr wichtig für einen Spieler, fit zu bleiben. Die VDV gibt einem die Möglichkeit, sich zeitgleich mit allen anderen Spielern auf die neue Saison vorzubereiten", sagt Djengoue gegenüber ZDFsport.

    Erfolgsquote enorm hoch

    Dabei geht es auch darum, sich weiter als Teil einer Mannschaft zu fühlen. "Am Anfang sitzt jeder noch in seiner Ecke und macht sich Gedanken über seine Situation", sagt Djengoue. "Aber nach zwei Tagen fühlt man sich schon wie eine Mannschaft und freut sich jeden Nachmittag, in die Kabine zu kommen. Das ist etwas völlig anderes, als zu Hause zu sitzen, sich allein fit zu halten und auf einen Anruf zu waren."
    Timo Jankowski
    Ein Leben zwischen Fußball und Abenteuer: Timo Jankowski möchte Fidschi zur WM führen. Als Technischer Direktor ist er täglich unterwegs und auf der Suche nach Talenten.04.06.2023 | 8:37 min
    Mit 80 Prozent gibt die VDV den Prozentsatz der Teilnehmer an, die erfahrungsgemäß durch das Camp einen neuen Job als Profi bekommen. Auch Djengoue hat bislang immer gute Angebote erhalten. Nach seiner ersten Teilnahme unterschrieb er bei Energie Cottbus, nach seiner zweiten verlängerte er den Vertrag bei seinem alten Klub.

    Neururer bringt sein Netzwerk ein

    Die Sportchefs von der zweiten bis zur vierten Liga haben das Camp auf dem Schirm, schicken ihre Scouts zu den Testspielen oder informieren sich bei Kontaktpersonen über einzelne Spieler. Der wichtigste Informant ist dabei der Cheftrainer selbst, der sein Netzwerk aus über 600 Pflichtspielen als Profitrainer einbringt. "Mich rufen Trainer, Manager und Berater an", sagt Neururer. "Ich bin kein Vermittler, aber ich kann Kontakte herstellen."
    Da er den Spielern gegenüber ehrlich ist, muss Neururer in seiner sportlichen Einschätzung hin und wieder auch jemandem sagen, dass es für den Profifußball seiner Meinung nach nicht reicht. Aber auch in diesem Fall kümmert sich die VDV weiter um den beruflichen Werdegang der Spieler.
    Alle Teilnehmer werden zudem medizinisch und sportwissenschaftlich betreut und erhalten Beratung zu Themen wie Arbeitsrecht, Transferrecht, Laufbahncoaching und Psychologie.

    VDV-Teams hat eine besondere Qualität

    Mittwochabend in Gütersloh wird jeder um seine Zukunft im Profifußball kämpfen - und vielleicht gerade in diesem ungewöhnlichen Team auffallen.

    Dieses Team ist nicht gewachsen, sondern aus der Notsituation entstanden.

    Peter Neururer, Trainer VDV-Team

    "Da muss ein rechter Innenverteidiger auch mal auf der linken Außenbahn spielen, weil kein anderer da ist. Unter diesen Bedingungen trotzdem seine Leistung zu zeigen", so Neuruer, "das ist eine Art von Qualität, die es nur in dieser Mannschaft gibt."

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