Dass Gianni Infantino am 16. März als FIFA-Präsident wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher. Wie sich aber der DFB bei der Wahl verhält, noch nicht.
"Klassenzimmer" nennen sie auf dem DFB-Campus jenen Raum, in denen zumeist Junioren-Nationalspieler längere Vorträge über den Fußball, aber auch mal das Leben hören.
Vielleicht hätte es keinen besseren Ort gegeben, in dem DFB-Präsident Bernd Neuendorf seinen Zwiespalt deutlich macht, in dem der größte Einzelsportverband vor der Wiederwahl des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino steckt.
Kein Gegenkandidat für Infantino - weitere Amtszeit sicher
Ohne Gegenkandidaten ist eine weitere Amtszeit des Schweizer beim FIFA-Kongress in Kigali am 16. März nur noch Formsache. Wie aber verhält sich der DFB bei der Abstimmung, zumal die Beziehung zur FIFA nach der aus dem Ruder gelaufenen Debatte um die One-Love-Binde bei der WM 2022 mindestens als arg belastet gilt?
Alles wird besser, versprach Gianni Infantino bei Amtsantritt. Bis heute trifft das besonders auf die Finanzen zu: Die FIFA schwimmt in Geld, alles andere scheint dem Chef egal.
Infantinos Kür wird in Ruandas Hauptstadt wohl wieder per Applaus erfolgen. Bleiben dann die Hände einiger europäischer Delegierter - die sich spätestens zur nächsten Amtszeit darauf verständigen sollten, einen geeigneten Gegenspieler Infantinos aufzubauen - einfach stumm? Es wäre zumindest eine kleine Protestnote.
Vorbild wäre die Norwegerin Lise Klaveness
Der DFB-Boss hat sich zuletzt mit der gegenüber der FIFA sehr kritisch eingestellten norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaveness ausgetauscht. Die mutige Frau war vor einem Jahr bei einem Kongress in Doha sogar ans Rednerpult gegangen, um die FIFA an ihre Vorbildfunktion zu erinnern - in vielen Fragen, von Menschenrechten über Transparenz bis zur Anti-Diskriminierung. Vielen Funktionären stand bei der Courage von Klaveness der Mund offen.
Neuendorf sagt jetzt in Richtung Infantino nur: "Ich habe die Wiederwahl an Bedingungen geknüpft. Ohne Rückmeldung ist es schwer, ihn zu unterstützen." Konkret stört sich der 61-Jährige an dessen vollmundigen Ankündigungen, in Katar so genannte "Migration Working Centers" einzurichten, an die sich Gastarbeiter wenden können.
Oder auch die Einrichtung eines Entschädigungsfonds, den der FIFA-Boss auf einer seiner legendären Pressekonferenzen in Doha ebenfalls versprochen hatte.
Es fehlt immer noch Transparenz
Doch wenn der DFB dazu ganz einfache Frage stelle, was davon umgesetzt sei, bekomme er "keine befriedigenden Antworten" (Neuendorf). Dasselbe gilt übrigens für Frage, ob Saudi-Arabien tatsächlich als Sponsor bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland auftritt.
Neuendorf hält aber nichts davon, "eine Fundamentalopposition" aufzubauen. Der frühere SPD-Politiker und Staatsekretär Nordrhein-Westfalens gibt in diesem Zusammenhang gerne eine Erfahrung aus seinem Berufsleben preis: Oft führe die Politik der kleinen Schritte ans Ziel.
Und wenn es eine Lehre aus der Wüsten-WM gibt, dann doch diese: Sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufzuführen, bringt in diesem Geflecht einer Funktionärswelt aus gegenseitigen Abhängigkeiten am wenigsten.
Frauen-WM 2027 soll nach Deutschland kommen
"Wir müssen versuchen, in der Sache vernünftig zu diskutieren", beteuert Neuendorf, der umstrittene FIFA-Vorhaben wie beispielsweise eine riesige Klub-WM ab 2025 in Saudi-Arabien ohnehin nicht mehr stoppen kann.
Der DFB-Präsident wird formal am 5. April auf dem nächsten UEFA-Kongress anstelle von Peter Peters in das FIFA-Council einziehen. Er möchte dann "Protokolle lesen, Anträge aktiv begleiten" - und letztlich will er für den DFB als nächstes Leuchtturmprojekt die Frauen-WM 2027 gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien an Land ziehen.
- Frauen-WM nicht nach Deutschland?
Der DFB befürchtet, dass die Frauen-WM 2027 nicht nach Deutschland, Belgien und in die Niederlande vergeben wird. Grund sei die kritische Position des Verbandes gegenüber der FIFA.
Dafür hat Neuendorf schon Klinken geputzt und viele Gespräche geführt, aber er weiß auch, welche listigen Winkelzüge gerade Infantino anstellt, um seine (Macht-)Interessen durchzubringen. Beim für Zuwendungen jeder Art empfänglichen FIFA-Boss ist man vor bösen Überraschungen nie gefeit.