Können aus Atomkraftwerken Stromspeicher werden?

    Pläne für das AKW Brokdorf:Können Atomkraftwerke Stromspeicher werden?

    Andreas Ewels
    von Andreas Ewels
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    Wenn es nach AKW-Betreiber PreussenElektra geht, soll auf dem Gelände des ehemaligen AKW Brokdorf der größte Batteriespeicher Europas entstehen. Doch wie realistisch ist dies?

    AKW Brokdorf
    Das Atomkraftwerk Brokdorf (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Es klingt wie eine gute Idee: Ein ehemaliges Kernkraftwerk soll zum Batteriespeicher umfunktioniert werden - so lauten die Pläne von AKW-Betreiber PreussenElektra für den Standort Brokdorf. Wenn die Sonne im Winter weniger scheint und die Windräder mal unter Windstille leiden, dann soll von hier aus die fehlende Energie ins Netz gehen.
    Zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt ging PreussenElektra mit seinen Plänen im Dezember an die Öffentlichkeit. Noch gibt es keine Entscheidung über die Höhe der Investitionen. Aktuell geht man von einer Größenordnung im dreistelligen Millionenbereich aus, aber nicht einmal die für den Rückbau des Kraftwerks erforderliche Stilllegungs- und Abbaugenehmigung liegt aktuell vor.

    Schleswig-Holstein als erstes klimaneutrales Bundesland?

    Alles, davon geht man bei PreussenElektra aus, würde wunderbar in die Pläne der Landesregierung passen. Laut aktueller Planung wäre das Projekt 2036 fertig und könnte so dazu beitragen, dass Schleswig-Holstein zum ersten klimaneutralen Bundesland wird. Wenn die zweite Ausbaustufe fertig ist, dann soll die Gesamt-Speicherkapazität 1.600 Megawattstunden betragen.
    Damit könnten circa 1,5 Millionen Haushalte für etwa zwei Stunden mit Strom versorgt werden. Die erste Ausbaustufe des Speichers mit einer Leistung von 100 Megawatt (MW), so der Plan von PreussenElektra, könnte sogar schon 2026 fertig sein.
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    Batteriespeicher sollen Schwankungen im Netz ausgleichen

    Einer, der sich mit dem Thema besten auskennt, ist Bernhard Wille-Haußmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Die von ihm begleitete Studie "Bat4CPP" war die Grundlage für die Gründung der GESI - Green Energy Storage Initiative Deutschland. Die soll - geführt von einigen Dax-Vorständen und Energieexperten - Pionierarbeit für die Entwicklung und den Betrieb von Großbatterien an Kraftwerkstandorten leistet.
    Deshalb ist seine Begeisterung für die ersten groben Planungen von PreussenElektra auch nicht verwunderlich:

    Für die Realisierung der Energiewende braucht es Batteriespeicher - vor allem um Tagesschwankungen auszugleichen. Bis 2030 sind es mindestens 100 GWh Kapazität.

    Bernhard Wille-Haußmann, Fraunhofer-Institut für Solare Energie Systeme

    Deshalb hält Wille-Haußmann gute Netzanschlüsse wie im Fall Brokdorf für einen wichtigen Schritt und meint, "durch die Nähe zu viel Winderzeugung und Stromtrassen in den Süden ist der Standort Brokdorf sinnvoll."

    Der Standort ist entscheidend

    Auch für PreussenElektra spricht vor allem der Standort für Brokdorf, da das ehemalige Kernkraftwerk in der Nähe einer der wichtigsten Netzknotenpunkte in Schleswig-Holstein, dem Umspannwerk Wilster, liegt. Über diesen Ort wird vor allem Strom aus Windkraft transportiert. Zudem ist der Kraftwerksstandort selbst über das noch vorhandene Umspannwerk mit dem Stromnetz verbunden und verfügt, so PreussenElektra, über eine leistungsfähige Infrastruktur.
    Ein Ersatz für Gaskraftwerke sind solche Speicher allerdings nicht, es geht nur darum, Tagesschwankungen auszugleichen. "Für längere Phasen", meint auch Bernhard Wille-Haußmann, "also sogenannten Dunkelflauten, sind Gaskraftwerke notwendig, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden".

    Batteriespeicher können aber die notwendigen Rampen abschwächen, so dass die Gaskraftwerke nicht ganz so schnell sein müssen.

    Bernhard Wille-Haußmann, Fraunhofer-Institut für Solare Energie Systeme

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    Gibt es auch Alternativen für die Nutzung des Reaktors?

    Heinz Smital ist Kernphysiker und Atomkraft-Experte bei Greenpeace. Auch er hält das Projekt für sinnvoll und machbar: "Ich denke, die Rückbauarbeiten des AKW sind gut überschaubar und mit der Projektentwicklung des Speichers grundsätzlich vereinbar."
    Problematisch sieht er allerdings die Zwischenlagerung der hochradioaktiven Abfälle in den Castor-Behältern. Diese werden in einem Zwischenlager direkt neben dem Kraftwerk gelagert. Das Inspektions- und Reparaturkonzept für überalterte Castor-Behälter am Standort ist nicht schlüssig, meint Smital, "hier müsste der Raum für Erweiterungen berücksichtigt werden".
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    Eher kritisch sieht Michael Braungart das Projekt. Der Professor der Leuphana Universität Lüneburg und Vorsitzende des Hamburger Umweltinstituts meint, man sollte lieber mal einen Ideenwettbewerb für die weitere Nutzung des ehemaligen AKW ausschreiben.

    Ich halte das Projekt für nicht sinnvoll, da Kosten und Nutzen in keiner Relation stehen. Im Energiebereich gibt es sicher bessere Lösungen. Vielleicht sollte man mal über die Nutzung als Druckluftspeicherkraftwerk nachdenken?

    Michael Braungart, Leuphana Universität Lüneburg

    Ein ehrgeiziges Projekt - ohne staatliche Mittel
    Doch für Brokdorf hat PreussenElektra nun ein klares Ziel. Es soll der größte Batteriespeicher Europas entstehen. Ein ehrgeiziges Projekt. Das könne man nur zusammen mit dem Mutterkonzern E.ON hinbekommen, so ein Sprecher. Immerhin, so vermuten Insider, geht es um Investitionskosten von 500 Millionen Euro. Dabei, so hört man aus dem PreussenElektra Vorstand, sollen ausdrücklich keine staatlichen Mittel beantragt werden.

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