Bankenbeben: Wie viel 2008 in der aktuellen Krise steckt

    Nach dem Bankenbeben:Wie viel 2008 in der aktuellen Krise steckt

    von Frank Bethmann
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    Die Ereignisse ähneln sich: Banken geraten in Not und müssen in einer Hauruck-Aktion gerettet werden. Droht uns wieder eine Finanzkrise wie vor 15 Jahren?

    Die Hauptsitze der Schweizer Banken Credit Suisse und UBS am Paradeplatz in Zürich
    Die Turbulenzen im Bankensektor wecken Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008.
    Quelle: dpa

    Nach dem Bankenbeben in der Schweiz sind die Sorgen groß - die Erinnerungen an die letzte Finanzkrise sind noch sehr präsent. Kann es ähnlich schlimm wie 2008 werden? Damals wie heute ging es darum, Banken in hektischen Wochenendaktionen zu retten - orchestriert von Regierungen und unter Einsatz von Milliarden an Steuergeldern.

    Was heute anders ist als in der globalen Finanzkrise

    So weit jedoch genug der Parallelen. Heute liegen die Dinge anders, sagen Fachleute. Damals gerieten zunächst US-amerikanische Finanzinstitute - und später Geldhäuser auf der ganzen Welt - in Schwierigkeiten, weil Hypotheken-Darlehen an Personen vergeben wurden, die viel zu wenig Sicherheit bieten konnten.
    Mit diesen Darlehen, weiterverkauft und bis zur Unkenntlichkeit in andere Finanzprodukte verwandelt, wurden große, aber unredliche Geschäfte gemacht - bis das Kartenhaus zusammenfiel.
    Mit Betrug, Zockerei oder Gier hätten die Probleme diesmal aber wenig zu tun, sagt Amerikas Finanzministerin Janet Yellen. Die jüngsten Entwicklungen würden sich erheblich von der globalen Finanzkrise unterscheiden.

    Bankenkrise: Damals kriminelle Energie, heute Management-Fehler?

    So ständen jetzt, abgesehen von der Schweizer Großbank Credit Suisse, vor allem kleinere US-Institute im Mittelpunkt, die hohe Wertberichtigungen in ihren Bilanzen vornehmen mussten. Der Grund: Staatsanleihen, in die sie investierten, verloren stark an Wert. Diese Schieflagen verunsicherten Kunden, die in der Folge teilweise enorme Summe von den betroffenen Banken abzogen, was deren Not noch vergrößerte.
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    Notbremse für die Credit Suisse: die Fusion mit der UBS.21.03.2023 | 2:44 min
    Wie die Lage auf dem Finanzmarkt nach dem Schweizer Bankenbeben aussieht:
    Die Botschaft, die transportiert werden soll: Damals kriminelle Energie, heute Managementfehler. Die Probleme hätte man kommen sehen können.

    Kapital lässt sich heute digital schneller bewegen

    Im Vergleich zur Finanzkrise 2008 sei noch etwas anders, sagt John Waldron. Waldron, der seit 23 Jahren bei der einflussreichen US-Investmentbank Goldman Sachs arbeitet und dort inzwischen das operative Geschäft leitet, hat festgestellt, dass sich Liquidität und Kapital heute digital sehr viel schneller bewegen lassen. Das stellt die Banker vor noch größere Herausforderungen: "Das ist ein Faktor, der bei den Verwerfungen, die wir gerade erleben, sicher eine Rolle spielt."
    [Wohin mit dem Geld in einer Bankenkrise? Und wie sicher sind Anleihen, Gold oder Bitcoin?]
    So oder so - die Banken sind jedenfalls wieder in Schwierigkeiten. Und das, obwohl in den letzten Jahren viel getan wurde, dies zu verhindern. Die Geldhäuser mussten ihre Eigenkapitalbasis erhöhen und den Risikopuffer stärken - auf drei Prozent des Geschäftes; Großbanken sogar auf vier bis fünf Prozent.

    Banken setzen im Notfall noch immer auf den Staat

    "Doch das ist nicht ausreichend", betont Gerhard Schick. Der frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen hat nach der Finanzkrise umgesattelt. Heute ist er Vorstand des Vereins Finanzwende, der sich für eine nachhaltige Reform der Finanzmärkte einsetzt. Schick ergänzt nüchtern:

    95 Prozent des Geschäfts sind damit immer noch schuldenfinanziert.

    Gerhard Schick, Verein Finanzwende

    Auf mindestens zehn Prozent müsse die Eigenkapitalquote Schicks Meinung nach noch wachsen. Funktionieren würde es mit weniger nur, weil große Banken im Krisenfall damit rechnen könnten, dass der Staat sie wegen ihrer Größe und Bedeutung retten würde.

    Lehren aus 2008 gezogen - aber wieder vergessen?

    Genau das wollte man eigentlich ändern. Nach der Finanzkrise 2008 war ein Mechanismus entwickelt worden, wie Banken in Not abgewickelt werden könnten. Nur genutzt wird er nicht, wie man aktuell beobachten kann. Zu groß offenbar die Sorge, dass die Zerschlagung eines Big Players wie der Credit Suisse mit ihren zahlreichen Auslandstöchtern und ihrem weltweiten Geschäft auch andere Banken mitreißen könnte.
    Auch an andere Stelle ist verblasst, dass man nie wieder Banken mit Steuergeldern retten wollte. Zwar existiert unter dem Dach der EZB nun eine europäische Bankenaufsicht, die erst jüngst drohte, die Daumenschrauben wieder anziehen zu wollen. Doch eine europäische Einlagensicherung und Bankenabwicklung mit entsprechenden Vollmachten gibt es zumindest für die Eurozone nicht.
    Hier sei der Reform-Eifer in den letzten Jahren wieder erlahmt, kritisiert Gerhard Schick: "Die Erfahrung zeigt, dass Veränderungen im Bankensektor nur in Krisenzeiten und bei öffentlichem Druck möglich sind. Also Jetzt."

    Martin Suter, der Schweizer Bestseller-Autor, der in einem seiner Romane, "Montecristo", das eidgenössische Bankensystem an den Rand einer Krise schreibt, hatte einst auch ein Konto bei der Credit Suisse. In einem Interview mit dem Handelsblatt sinnierte er neulich, eigentlich habe er sich schweren Herzens von seiner Bank getrennt: "Es hatte damit zu tun, dass ich mich jeden Morgen fragen musste, was ist heute wohl bei meiner Bank wieder schiefgelaufen? So verliert man das Vertrauen, und das ist das wichtigste Kapital einer Bank. Denn Geld hat ja keine Bank genug, um Einlagen ihrer Kunden zurückzuzahlen, wenn etwas schiefgeht. Banken arbeiten prinzipiell mit Geld, das ihnen nicht gehört."

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