Angst vor der Rezession: Wie sich ein niedriges BIP auswirkt

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    Angst vor der Rezession:Wie sich ein niedriges BIP auswirkt

    von Anne Sophie Feil
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    Das Ifo-Institut prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,2 Prozentpunkte sinken wird. Was bedeutet das? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Container Terminal im Hamburger Hafen, aufgenommen am 15.01.2020
    Das Ifo-Institut korrigiert seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft nach unten. Grund: Der Sparkurs der Regierung nach dem Haushaltsurteil.24.01.2024 | 1:32 min
    Die Wachstumsprognose des Ifo-Instituts fällt niedrig aus: Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 0,2 Prozentpunkte sinken, so das Wirtschaftsinstitut. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Was ist das Bruttoinlandsprodukt?

    Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein wichtiger Indikator, der die Größe und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft misst. Es beschreibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in einer Wirtschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraums produziert wurden. Ein niedrigeres BIP deutet auf eine schwächelnde Wirtschaft hin. Es geht oft mit steigender Arbeitslosigkeit, niedrigerem Einkommen und mehr finanziellen Unsicherheiten einher.
    Containerschiffe liegen an einem Terminal im Hamburger Hafen
    Noch im Juni 2023 sind die Exporte überraschend gestiegen.05.06.2023 | 1:36 min
    Das BIP hilft auch der Regierung, die wirtschaftliche Gesundheit des Staates zu überwachen und politische Entscheidungen zu treffen. Es gibt allerdings noch andere Wohlstandsaspekte, die im BIP nicht berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Verteilung des Einkommens oder Auswirkungen auf die Umwelt.

    Wie wird das BIP ermittelt

    Das BIP kann grundsätzlich auf drei Arten ermittelt werden: Über die Entstehungs-, über die Verwendungs- oder die Verteilungsseite.

    • Für die Entstehungsrechnung (Produktionsansatz) werden die Bruttowertschöpfung der Produzenten und die Nettogütersteuern herangezogen. Bruttowertschöpfungen sind die Produktionswerte abzüglich der Vorleistungen. In der Landwirtschaft sind das z.B. die Ernteprodukte abzüglich der Kosten für Saat, Dünger, Erntemaschinen etc. Eine Nettogütersteuer ist die Differenz zwischen den Steuern auf Güter und Dienstleistungen (z.B. Mehrwertsteuer), die von den Unternehmen gezahlt werden, und den Subventionen, die sie erhalten.
    • Bei der Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) wird das BIP anhand der privaten und staatlichen Konsumausgaben, der Investitionen sowie des Außenbeitrags, also der Differenz aus Exporten und Importen bestimmt.

    • Die Verteilungsrechnung (Einkommensansatz) berücksichtigt das Einkommen von Arbeitnehmern, Unternehmen und Eigentümern von Produktionsfaktoren.

    In Deutschland zieht das Statistische Bundesamt sowohl die Entstehungs- als auch die Verwendungsseite heran. Über die Verteilungsseite kann das BIP in Deutschland nicht errechnet werden, weil die dafür benötigten Daten über die Unternehmensgewinne nur lückenhaft vorliegen. Da für die Berechnungen unterschiedliche Datenquellen verwendet werden, kann es zu Abweichungen kommen, die das Statistische Bundesamt in kleinteiligen Abstimmungen korrigiert.
    Brandenburg, Frankfurt (Oder): Eine Baustelle mit neuen Wohnungen in neu gebauten Mehrfamilienhäusern. Der Abruf staatlicher Zuschüsse zu Bausparverträgen hat ein Rekordniveau erreicht
    Die Krise im Wohnungsbau fordert Opfer: Die Branche rechnet damit, dass in den kommenden Monaten etwa 10.000 Jobs wegfallen. Insgesamt könnten es 2024 noch deutlich mehr werden.21.01.2024 | 3:00 min

    Das BIP ist gesunken - besteht nun Grund zur Sorge?

    Zwar fiel der Wirtschaftseinbruch im vierten Quartal mit einem Minus von 0,3 Prozent im Vergleich zum vorherigen Quartal nicht so stark aus. Die dauerhafte Tendenz ist es allerdings, die Experten Sorge bereitet.

    Die deutsche Wirtschaft ist seit fast zwei Jahren nicht mehr gewachsen und es ist keine Trendwende in Sicht.

    Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK-Instituts

    Energiekrise, gestiegene Zinsen, schwache Auslandsnachfrage und Qualitätseinbußen Deutschlands als Wirtschaftsstandort belasten. "In der Industrie und der Bauwirtschaft sind mittlerweile die dicken Auftragspolster abgeschmolzen, die die Unternehmen noch zu Coronazeiten aufgebaut hatten", beobachtet Ifo-Konjunkturchef Timo Wolmershäuser. Seit Monaten gingen immer weniger Aufträge ein und vor allem im Wohnungsbau gab es viele Stornierungen.
    Zusätzlich sei die Wirtschaft aktuell durch hohen Krankenstand, Streiks bei der Deutschen Bahn und den außergewöhnlich kalten und schneereichen Januar belastet. Das Ifo-Institut erwartet für die ersten drei Monate dieses Jahres einen Rückgang des BIP um weitere 0,2 Prozent und damit eine Rezession. Von einer Rezession geht auch das Wirtschaftsforschungsinstitut IMK aus, es rechnet mit einem Minus von 0,3 Prozent.
    Schild des Statistischen Bundesamts
    Das Statistische Bundesamt hat mitgeteilt, dass das BIP 2023 um 0,3 Prozent gesunken ist. Gründe dafür sind sinkender Konsum, gestiegene Zinsen und nachlassende Produktion.15.01.2024 | 0:26 min
    Im vergangenen Jahr fiel der Privatkonsum in Deutschland als wichtige Konjunkturstütze aus. Hier sieht das Ifo-Institut einen Lichtblick. Dank nachlassender Teuerung soll sich dieser wieder besser entwickeln. Sollte die Europäische Zentralbank auf die sinkende Inflation reagieren und das Zinsniveau zur Jahresmitte wieder senken, "werden Unternehmen und Verbraucher profitieren, vor allem aber die angeschlagene Bauwirtschaft", so Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank.

    Was kommt nach einer Rezession?

    Typischerweise schwankt die wirtschaftliche Aktivität eines Landes über die Zeit. Ein sogenannter Konjunkturzyklus bildet diese Schwankungen ab. Er ist ein natürlicher Bestandteil der Marktwirtschaft, der hilft, wirtschaftliche Trends vorherzusagen und darauf zu reagieren.
    Im vergangenen Quartal ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland gesunken. Fällt das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ aus, spricht man von einer technischen Rezession, einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs, in der Produktion und Beschäftigung sinken. Die Rezession ist eine der vier Phasen des Konjunkturzyklus.
    Olaf Scholz vor einem Graphen, der nach unten deutet.
    Kanzler Olaf Scholz prophezeit ein Wirtschaftswunder - trotz Konjunkturflaute. ZDFheute live zur Frage, wie es um den Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich steht.14.08.2023 | 42:17 min
    Im schlimmsten Fall kann sie in eine Depression übergehen. Eine wirtschaftliche Depression ist ein sehr tiefer und langanhaltender Abschwung. Früher oder später folgt darauf eine Expansion, also eine Erholung der Wirtschaft, in welcher Produktion und Beschäftigung wieder zunehmen. Im besten Fall wird daraufhin eine Hochkonjunktur erreicht.
    Von einer Stagnation ist die Rede, wenn eine Wirtschaft weder sinkt noch wächst - so wie im zweiten und dritten Quartal des vergangenen Jahres.

    Wie steht Deutschland im europäischen Vergleich da?

    In der EU sowie der Euro-Zone ist die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal gegenüber den vorherigen drei Monaten stagniert. Von den zwölf Ländern, deren Wachstumsraten bisher veröffentlicht wurden, steht nur Irland mit einem BIP von -0,7 Prozent schlechter da als Deutschland.
    In Frankreich stagnierte die Wirtschaft, Italien schaffte ein Wachstum von 0,2 Prozent. Spanien und Portugal erreichten sogar 0,6 und 0,8 Prozent. Die iberische Halbinsel sei "das europäische Powerhouse", so Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank.
    Sie trugen dazu bei, die Euro-Zone vor einer Rezession zu bewahren. Gitzel vermutet, der positive Trend werde sich für die südeuropäischen Staaten dank einer erneut guten Tourismussaison weiter fortsetzen.

    Die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Exportanteil wird hingegen weiter im Hintertreffen sein, solange die Weltwirtschaft schwach bleibt.

    Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank

    Es bleibt zu hoffen, dass die Teuerung weiter nachlässt und die Zinsen langfristig wieder sinken. Mehr Kaufkraft und günstigere Investitionen können alle Volkswirtschaften der Euro-Zone ordentlich anschieben.

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