35 Jahre Dax: Ein Spätstarter entwickelt sich

    35 Jahre deutscher Leitindex:Spätzünder Dax entwickelt sich

    Frank Bethmann
    von Frank Bethmann
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    Im Juli 1988 startete der Dax mit 1.000 Punkten und wächst seitdem. Im internationalen Vergleich aber schwächelt er. Den größten Umbau erfährt er nach dem Wirecard-Skandal.

    Der Kurs des Deutschen Aktien-Index (Dax)
    Der Dax feiert am 1. Juli seinen 35. Geburtstag.
    Quelle: Boris Roessler/dpa

    Wer erinnert sich nicht noch an Namen wie Deutsche Babcock, Dresdner Bank, Hoechst oder VEBA? Alles Unternehmen, die längst in andere Konzerne aufgegangen sind; die aber allesamt mal Schwergewichte im Dax waren.
    Damals, in den siebziger Jahren, als auf dem Parkett noch reges Treiben herrschte und man sich wunderte, wenn wie aus dem Nichts ein Händler (damals noch fast ausschließlich Männer) in den Saal schrie: "1.000 Degussa." Und ein anderer hinter der Handelsschranke, dort, wo die Kursmakler saßen, zurückerwidert: "An Sie!" Woraufhin Ersterer den Deal besiegelt mit: "Von Ihnen!" Kein Computer, der alles festhält. Das gesprochene (besser: das laut zugerufene) Wort gilt. Der Handelstag ist kurz, in den Anfängen ist bereits nach zwei Stunden Schluss.
    Collage aus Bildern und Grafiken
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    Dax erlebt Deutsches Wirtschaftswunder oder "Schwarzen Montag" noch nicht

    Den Dax gibt es da noch nicht. Aber bereits seine Vorläufer. In den sechziger Jahren sind dies der Index der Börsenzeitung und der FAZ-Index. Die Kursschwankungen sind noch nicht so gewaltig wie heute. Früh zeigt sich aber: Das, was in der Welt passiert, findet immer auch seinen Niederschlag in den Aktienkursen.
    Es wundert daher wenig, dass das deutsche Wirtschaftswunder zwischen 1958 und 1961 die Stimmung an den Börsen beflügelt. Die Ölkrise der Siebziger sie aber drückt. Es folgt eine Hausse nach der politischen Wende in Deutschland (Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt 1982, die CDU/CSU, der man mehr wirtschaftliche Kompetenz zutraut, löst die SPD ab). Spät abgelöst vom Börsen-Crash 1987 (Schwarzer Montag), der die Kurse abstürzen lässt.
    Montage: Rechts Olympiasiegerin Ulrike Meyfarth; links junge Menschen, die aufgrund der Ölkrise mit Pferdewagen durch eine Großstadt fahren.
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    Dax - ein Spätstarter

    Erst danach wird der Dax aus der Taufe gehoben. Am 1. Juli 1988 feiert der Deutsche Aktienindex seine Premiere. Mit 1.000 Punkten startet das Börsenbarometer damals. In ihm enthalten, die 30 höchstkapitalisierten und liquidesten börsennotierten deutschen Unternehmen.
    Die Besetzung wechselt im Laufe der Jahre ständig. Ähnlich wie in der Fußball-Bundesliga gibt es Auf- und Absteiger; aber auch Aussteiger, weil beispielsweise ein Unternehmen durch eine Übernahme seine Eigenständigkeit und damit auch seinen Platz im Dax verliert.

    Gravierendste Abstürze 2001 und 2008

    Das Auf und Ab geht nicht nur weiter, es wird auch intensiver. Seine gravierendsten Abstürze erlebt der Dax infolge der Anschläge auf das World Trade Center im September 2001 und nach der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008.
    Wenig verwunderlich, dass es die globalen Katastrophen sind, die dem Dax am schwersten zusetzen. Die Finanzmärkte sind inzwischen eng zusammengewachsen. Und das bedeutet auch: Ob Nikkei, Nasdaq oder Dow Jones - der Dax konkurriert weltweit um die Gunst der Anleger.
    lehman brothers in frankfurt/main
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    Wie erfolgreich ist der Dax im internationalen Vergleich?

    Oberflächlich betrachtet kann er mit den großen Indizes mithalten. Auch der Dax feiert - trotz aller Rückschläge - in unregelmäßigen Abständen immer wieder neue Allzeithochs.
    Von anfänglich 1.000 ist er in der Spitze zwischenzeitlich auf über 16.000 Punkte geklettert. Doch während beim Dow Jones oder Nasdaq beispielsweise die reine Kursentwicklung, der in ihnen enthaltenden Aktien berechnet wird, "schummelt" der Dax.

    Der Deutsche Aktienindex bezieht für seinen "Erfolg" auch die Dividendenzahlungen mit ein. Er betrachtet Dividenden, also die Gewinnausschüttungen an Aktionäre wie Kursgewinne. Rechnet man die Dividenden raus, um die Dax-Entwicklung international besser vergleichen zu können, stellt man Ernüchterndes fest:
    Das deutsche Leitbarometer schwankt nicht nur stärker als andere internationale Indizes, er entwickelt sich auch schlechter. Börsianer erklären das unter anderem damit, dass im Dax viele exportstarke Firmen vertreten sind. Somit ist der Deutsche Aktienindex sehr viel stärker von den Entwicklungen an den Weltmärkten abhängig.

    Nach Wirecard-Skandal: Aufstockung von 30 auf 40 Titel

    Kritik begleitet das wichtigste deutsche Aktienbarometer fast von Beginn an. Doch seine größte Veränderung erfährt der Dax erst mit 33 Jahren. 2021 wird der Leitindex von 30 auf 40 aufgestockt.
    30 Konzerne würden die deutsche Wirtschaft nicht gut genug abbilden, wird immer wieder moniert. Mehr Werte würden den Dax zudem weniger anfällig für Schwankungen machen. Doch erst der Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard zwingt die Börsenmacher zum Umdenken. Die Deutsche Börse entschließt sich für die Aufstockung auf 40 Titel und verschärft die Aufnahmeregeln in den renommierten Leitindex.
    Zuvor hatte Wirecard jahrelang seine Bilanzen gefälscht. Trotz umfassender Prüfungen und einem strikten Regelwerk fiel das nicht auf und sorgte für eine Vertrauenskrise in den Dax.
    "Game Over - Der Wirecard-Skandal und die Folgen": Das Hauptgebäude von Wirecard mit Firmenlogo in Aschheim.
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    Börsen-Chef zuversichtlich

    Schwer zu sagen, ob die überwunden ist. Für Börsen-Chef Theodor Weimer stehen jedoch zwei Dinge außer Frage. Erstens: "Der Dax als ein internationaler Leitindex hat seine Daseinsberechtigung." Und zweitens:

    Ein guter Index wird sich im Laufe der Zeit immer weiterentwickeln.

    Theodor Weimer, Vorstandsvorsitzender Deutschen Börsen AG

    Nur eines glaubt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börsen AG nicht: dass der Dax in absehbarer Zeit noch mal so radikal umgebaut wird wie vor zwei Jahren. Ein Dax mit 50 Unternehmen wird es so schnell also nicht geben.

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