Lindner: Minister müssen Mehrbedarf "sehr gut" begründen

    Haushalt: Lindner warnt Minister:Mehr Geld nur mit "sehr guten Argumenten"

    von Torben Schröder
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    Die Wirtschaftspolitik offenbart Differenzen der Ampel. Was den kommenden Haushalt angeht, gibt sich Finanzminister Lindner eisern. Und: Die CDU betont die Nähe zu den Liberalen.

    Von links: Christian Lindner, Maybrit Illner, Yasmin Fahimi, Ricarda Lang, Carsten Linnemann, Gabor Steingart
    Sehen Sie hier die ganze Sendung "maybrit illner" vom 2. Mai 2024.02.05.2024 | 63:18 min
    Ob man es nun, wie Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, "Wirtschaftswende" oder, wie der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, "wuchtiges Entlastungspaket" nennt - es muss sich etwas ändern. Darin herrscht zumindest in der Runde bei "maybrit illner" Einigkeit - bei grundlegenden Differenzen in der Zielrichtung.
    Dass Olaf Scholz (SPD) die deutsche Wirtschaft auf einem guten Weg sieht, mag der Journalist Gabor Steingart ("The Pioneer") kaum glauben: "Der Bundeskanzler hat erkennbar einen Realitätsverlust erlitten in den letzten Jahren. Finanz- und Wirtschaftsminister haben erkannt, dass es so nicht weitergeht." Steingart betont:

    Der Abstieg ist nicht gottgegeben, insofern kann die Politik etwas ändern.

    Gabor Steingart, Journalist

    Christian Lindner (FDP) auf dem Bundesparteitag in Berlin
    Lindner muss seinen Liberalen auf dem Berliner Parteitag Ampel-Kompromisse verkaufen, andererseits schenkt er den Delegierten mit der "Wirtschaftswende" FDP pur ein: ein Spagat. 29.04.2024 | 3:04 min

    Lindner: Generelle Entlastung - statt gezielte Subventionen

    Christian Lindner bekräftigt bei "maybrit illner" Entbürokratisierung, Arbeitsmarkt, Energie- und Steuerpolitik als Bausteine der Wirtschaftswende. Anders als Habeck, wolle er keine gezielten Subventionen einzelner Unternehmen, sondern eine generelle Entlastung. Auf Kritik der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi (SPD) hin sagt Lindner:

    Sie nennen das Gießkanne, ich nenne das verlässliche Rahmenbedingungen.

    Christian Lindner, FDP

    "Wir brauchen in Deutschland deutlich mehr Investitionen, sowohl von privater als auch von öffentlicher Hand", findet Fahimi. Wichtig sei, die Binnenkaufkraft zu stärken. Am Arbeitsmarkt gebe es hohe Überlastungen, daher brauche es verlässliche Arbeitszeiten. "Die großen Potenziale liegen in der unfreiwilligen Teilzeit."

    Lang: Sind uns nicht einig im Weg

    "Wir sind uns einig im Ziel - wir müssen den wirtschaftlichen Aufschwung hinbekommen. Wir sind uns nicht einig im Weg", hält die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, fest. Es gelte, ungenutztes Arbeitspotenzial zu aktivieren, etwa bei Schulabgängern ohne Abschlüsse und häufiger in Teilzeit tätigen Frauen. Die Transformation der Wirtschaft müsse sozial verträglich gelingen.

    Weniger Sozialstaat gleich mehr Wirtschaftswachstum – das wird nicht funktionieren.

    Ricarda Lang, Die Grünen

    Quo vadis deutsche Wirtschaft?
    Ausländische Investitionen in Deutschland sind auf den tiefsten Stand seit 2013 gesunken. Valerie Haller berichtet.02.05.2024 | 0:59 min

    Linnemann: CDU und FDP einig, die Ampel nicht

    "Im Kern gibt es keinen Dissens zwischen der FDP und uns. Aber es gibt einen Dissens in der Ampel", sagt der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.

    Das Kernproblem Deutschlands ist, dass anstrengungsloser Wohlstand eine Illusion ist.

    Carsten Linnemann, CDU

    Die Ampel setze die völlig falschen Prioritäten. Den Menschen fehle die Perspektive, die Hoffnung und Zuversicht gibt. "Wir tun so, als ob der Staat für alles zuständig ist und die Probleme mit Geld zuschüttet. Damit muss Schluss sein", fordert Linnemann mit Verweis auf Ideen zu Aktiv-Rente und steuerfreien Überstunden.
    Logo der OECD
    Im Vergleich zu den anderen großen Industrienationen wächst die deutsche Wirtschaft nur wenig. Ein Grund sei laut OECD die große Zurückhaltung bei staatlichen Investitionen. 02.05.2024 | 2:03 min
    Laut Lindner verharren in unserer alternden Gesellschaft zu viele, die arbeiten können, im Bürgergeld: "Den Menschen, die im Leben vorankommen und mehr arbeiten wollen, dürfen wir keine Steine in den Weg legen." Nach Langs und Fahimis Ansicht wiederum würden steuerfreie Überstunden vor allem die ungewollte Teilzeit von Frauen verschärfen.
    Auch Lindners Vorschlag, den Soli abzuschaffen, lehnt Lang ab, während der Finanzminister, anders als die Grünen-Chefin, an der Schuldenbremse festhalten will.

    Lindner: Minister brauchen "sehr gute Argumente" für mehr Geld

    Eine Ansage macht Lindner in Sachen Haushalt: "Kanzler, Vizekanzler und ich haben den sogenannten Finanzplan als Obergrenze der Ausgaben vorgegeben. Wer also darüber hinaus geht, muss mir schon sehr gute Argumente vortragen, dass ich die Vereinbarung, die ich mit Herrn Scholz und Herrn Habeck habe, da auflöse."
    Von links: Gabor Steingart, Christian Lindner, Carsten Linnemann
    Christian Lindner bei "maybrit illner"02.05.2024 | 0:34 min
    Bis zum Donnerstag hatten die Bundesministerien ihre Haushaltsvorschläge einzureichen. Erwartet wird, dass mehrere Ministerien einen höheren Finanzbedarf als vorgegeben anmelden werden. Wieviel Geld die einzelnen Ressorts tatsächlich haben möchten, werde man "erst in den nächsten Tagen" nach Sichtung der Vorschläge wissen, sagte der Finanzminister.

    Journalist: "Der Wahlkampf hat begonnen"

    "Über dieser Sendung könnte auch der Satz stehen: Der Wahlkampf hat begonnen", resümiert Journalist Steingart. Der Diskussion tue eine Entideologisierung gut. Das wirkliche Neue sei aktuell, dass der Wirtschaftsminister die Wirtschaft nicht fördern, sondern umbauen will. "Und das verursacht Schmerzen." In Richtung Gewerkschaften sagt der Journalist:

    Mehr Lohn für weniger Arbeit wird nicht funktionieren. Das weiß jedes Kind.

    Gabor Steingart, Journalist

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