5 Gründe, warum Ostdeutsche so selten in Topjobs landen

    Studie des Ostbeauftragten:Warum Ostdeutsche so selten in Topjobs landen

    Christiane Hübscher; ZDFheute live Logo unten links
    von Christiane Hübscher
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    Der Ostbeauftragte Schneider hat sich der Elitenförderung seiner Landsleute verschrieben. Mit bisher mäßigem Erfolg. Weshalb er demnächst auch bei Boris Pistorius anrufen wird …

    Sitzungssaal
    Kaum ostdeutsche Eliten
    Quelle: picture alliance / photothek

    Die Zahlen sind mal wieder ernüchternd. Nur 12,2 Prozent der Spitzenpositionen in Deutschland sind mit gebürtigen Ostdeutschen besetzt - bei fast 20 Prozent Bevölkerungsanteil. Zwar gibt es im Vergleich zu 2018 leichte Anstiege im Bereich der Medien, Verwaltung, Wissenschaft, Justiz. Jedoch ging der Anteil Ostdeutscher in Topjobs in Wirtschaft und Kultur beispielsweise sogar wieder zurück.

    Positive Tendenz in der Bundesregierung

    "Eine leicht positive Tendenz", sieht Carsten Schneider, SPD, Ostbeauftragter der Bundesregierung, aber von einem Trend mag er noch nicht sprechen. Schneider hat die Unterrepräsentanz Ostdeutscher zu einem Topthema seiner Amtszeit erklärt und per Kabinettsbeschluss erwirkt, dass auch die Bundesregierung selbst quer durch ihre Führungsetagen erfasst, wie viele im Osten Geborene dort arbeiten.
    Es sind aktuell 14,3 Prozent der Staatssekretäre, Abteilungs- und Referatsleiter, der Anstieg innerhalb eines Jahres ist marginal (13,9 Prozent waren es am 1.9.2022), aber er ist messbar.

    Es gibt jetzt innerhalb der Bundesregierung eine viel stärkere Sensibilisierung.

    Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung

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    Ostbeauftragter Carsten Schneider, aufgenommen am 28.09.2022 in Berlin

    Kein Ostdeutscher in Führungsposition beim Militär

    "Man sei von einer "eher reservierten Haltung zu einer Go!-Haltung" gekommen, das Problem wirklich anzupacken. Nur mit Verteidigungsminister Boris Pistorius müsse er noch mal sprechen, so der Ostbeauftragte, denn tatsächlich gibt es an der Spitze des Militärs bis heute keinen einzigen Ostdeutschen. Hier zeige sich bilderbuchhaft, wie langfristig der komplette Austausch des Führungspersonals der NVA nachwirke.
    An Schneiders Seite sitzt Prof. Astrid Lorenz, geboren in Rostock, und Studienleiterin des "Elitenmonitor" der Universität Leipzig. Sie sagt:

    Es geht nicht darum, alle Menschen in Führungspositionen schieben zu wollen. Es geht ausschließlich um Chancengleichheit.

    Astrid Lorenz, Studienleiterin des "Elitenmonitor" in Leipzig

    Denn die Unterrepräsentanz Ostdeutscher wird als solche auch empfunden, und zwar in Ost (67 Prozent) und West (63 Prozent). Sie wird dabei mehrheitlich negativ bewertet und gilt als mitverantwortlich für das Gefühl kollektiver Benachteiligung im Osten.

    Fünf Gründe

    Lorenz hat mehr als 3.000 Elitepositionen in ganz Deutschland untersucht und fünf Gründe gefunden, warum Ostdeutsche weniger zum Zuge kommen:
    1. Da sind zuerst die bekannten Langzeitwirkungen des DDR-Systems, der große Elitenaustausch im Osten, die Netzwerke und die Selbstrekrutierung vieler Westdeutscher, die im Osten nach der Wende Karriere machten.
    2. Ostdeutsche studieren immer noch etwas seltener als Westdeutsche (43 vs, 48 Prozent). Ohne Hochschulbildung aber gelangt man kaum an Topjobs.
    3. Ostdeutsche haben immer noch geringere Fremdsprachenkenntnisse, vor allem wenn sie über 50 sind, also in dem Alter, in dem Karrieren für gewöhnlich ihren Höhepunkt erreichen.
    4. Es fehlt an speziellen Förderprogrammen für Studierende ostdeutscher Herkunft. Ihnen ist die Karriererelevanz von Stipendien oft nicht klar, sie bewerben sich auch seltener dafür.
    5. Das Elitenverständnis Ostdeutscher ist immer noch ein anderes als das Westdeutscher. Der Aufstieg scheint weniger attraktiv zu sein. So können sich von Ostdeutschen 36 Prozent vorstellen, eine höhere Führungsposition zu übernehmen, von Westdeutschen 45 Prozent. "Man drängelt sich im Osten nach wie vor nicht vor, selbst wenn man das Potential hat", beobachtet Lorenz.

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    Bedeutung von Role Models

    Die Studienleiterin betont deshalb die Bedeutung von Role Models in der Öffentlichkeit: "Wenn man gar nicht seinesgleichen sieht, dann kommt man vielleicht gar nicht auf die Idee, dass man das auch könnte." Und fordert mehr systematische Erfassung.
    Beispielsweise könne man Bildungsförderwerke, die Bundesmittel bekommen, auch dazu verpflichten, dass sie erheben, wer von ihren Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Ostdeutschland kommt.

    Ein Projekt der Unis Leipzig und Jena sowie der Hochschule Zittau/Görlitz. Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland. Für die Studie wurden von 2018 bis 2023 über 3.000 Elitepositionen ausgewertet.

    Kein Generationswechsel

    Die Babyboomer gehen in Rente, seit 2018 sind 57 Prozent der damaligen Eliten aus ihren Positionen ausgeschieden. Doch selbst jetzt holen die Ostdeutschen nicht im großen Stil auf: Diese freiwerdenden Spitzenjobs wurden in den letzten fünf Jahren nur zu 8,1 Prozent mit Ostdeutschen neu besetzt.
    "Das wächst sich also nicht einfach aus", so Carsten Schneider und schiebt nach: "Ihr müsst aber auch wollen. Es gibt diese Chancen."
    Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF-Hautstadtstudio

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