Sparen beim Wasser: Warum das nicht nur Privatsache ist

    Interview

    Verbrauch von Firmen überprüfen:Warum Wassersparen nicht nur Privatsache ist

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    Die "Gratiskultur" beim Wasser sollte ein Ende haben, fordert Autor Uwe Ritzer. Vor allem vielen Unternehmen als Großnutzern von Wasser fehlten die Anreize zum Sparen.

    Ein Glas wird unter einem Wasserhahn befüllt.
    Gehen wir zu verschwenderisch mit Wasser um?
    Quelle: Patrick Pleul/dpa

    ZDFheute: Wir pflegen beim Wasser angeblich eine "Gratiskultur" und "Null-Tarif-Mentalität": Woran machen Sie Ihre Kritik fest?
    Uwe Ritzer: Energieversorger, Industrie, Getränke- und Nahrungsmittelhersteller sowie die Landwirtschaft sind mit Abstand die größten Wasserschlucker. Örtliche Behörden und Landesregierungen haben sich oft sehr großzügig gezeigt bei entsprechenden Genehmigungen: Denn der überwiegende Teil der großen Wasserschlucker ist gar nicht ans öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen, sondern pumpt sein Wasser direkt aus eigenen Brunnen.
    Dafür zahlen sie nur marginale Cent-Beträge. In drei Bundesländern, in Bayern, Hessen und Thüringen, zahlen die Unternehmen noch nicht einmal das. Für sie ist die Wasserentnahme kostenfrei.
    Rinnsaal eines Gebirgsbachs im Hochgebirge
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    Europas neue Trinkwassernot - die Doku von "planet e":
    ZDFheute: Was folgt für Sie daraus?
    Ritzer: Die Entnahmerechte für Unternehmen und Betriebe, die eigene Brunnen haben und selbständig Wasser entnehmen, gehören auf den Prüfstand. Und wir brauchen endlich dort ein Entgelt, wo es das noch gar nicht gibt. Zudem darf das Thema Wassersparen nicht nur auf die privaten Haushalte abgewälzt werden.
    Für die großen Wasserschlucker gibt es bislang überhaupt keine Anreize zum Sparen. Es liegt nur im eigenen Ermessen des Unternehmens oder des Betriebs, ob Wasser gespart wird oder nicht. Eine solche Null-Tarif-Mentalität können wir uns angesichts der Trockenheit heute nicht mehr leisten.

    Uwe Ritzer
    Quelle: Martin Hangen

    ... arbeitet seit 1998 für die "Süddeutsche Zeitung". Für seine Recherchen erhielt er mehrere Auszeichnungen, darunter zwei Wächterpreise, den Leuchtturm- und Helmut-Schmidt-Journalistenpreis. Dem Thema Trinkwasser widmet er sich seit Jahren. Kürzlich erschien sein Buch "Zwischen Dürre und Flut - Deutschland vor dem Wassernotstand. Was jetzt getan werden muss".

    ZDFheute: Ein Dorn im Auge sind Ihnen ja vor allem die Mineralwasserhersteller.
    Ritzer: Wasser ist ein Allgemeingut. Und die Mineralwasserhersteller entnehmen dieses Allgemeingut und streichen die Gewinne ein. In Bayern, Thüringen und Hessen müssen sie überhaupt nichts für den Rohstoff Wasser zahlen, in allen anderen Bundesländern zu wenig. Und dabei sind ihre unternehmerischen Risiken auch noch sehr überschaubar.

    Mineralwasserherstellern gelang es perfekt, einen Rohstoff, den die Natur produziert und der einfach da ist, als verhältnismäßig kostspieliges Produkt zu inszenieren und zu vermarkten.

    Uwe Ritzer

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    In Spanien ist der Streit um die Mineralwasserkonzerne schon entbrannt:
    ZDFheute: Nach Strom und Gas, schreiben Sie in Ihrem Buch, wird Wasser das dritte große Thema der Daseinsvorsorge in Deutschland. Was heißt das für unsere Zukunft?
    Ritzer: Die Verknappung ist eine Tatsache. Innerhalb von 20 Jahren hat Deutschland Grundwasser in der Menge des Bodensees verloren. Im März dieses Jahres hat die Bundesregierung eine nationale Wasserstrategie veröffentlicht. Sie geht in die richtige Richtung. Aber jetzt sollte aus dem Wunschkatalog ein Handlungskatalog werden.
    Was in der nationalen Wasserstrategie beschlossen wurde:
    ZDFheute: Und da sollte was drinstehen?
    Ritzer: Politische Leitlinien für ein modernes Wassermanagement. Es geht nicht einfach nur darum, Unternehmen finanziell zu belasten, sondern alle gleichermaßen zum Wassersparen aufzufordern und Wasser mehr Wert einzuräumen. Das bedeutet auch, den Flächenfraß zu beenden, um Wasser im Boden zu halten.
    Und wenn Wasser verbraucht wird, es dann immerhin möglichst lange im Kreislauf zu halten. Ich denke zum Beispiel an mehr Regenwasserzisternen oder mehr Brauchwasserleitungen.

    Die gute Nachricht ist: Gegenüber Öl und Gas haben wir beim Wasser noch etwas mehr Zeit. Aber die gilt es jetzt zu nutzen.

    Uwe Ritzer

    Das Interview führte Eva Schmidt.

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    von Eva Schmidt und Annika Keilen
    Frisches Leitungswasser fließt sprudelnd aus einem Wasserhahn in ein Glas, aufgenommen am 19.04.2020
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