Pro & Contra: Ist Grünes Wachstum möglich?

    Pro & Contra:Ist Grünes Wachstum möglich?

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    Wachstum ist unser Wohlstandsgarant. Doch der Planet ächzt unter den Folgen. Den Ausweg soll Grünes Wachstum bringen. Klimaschutz und Kapitalismus. Geht das? Ein Pro und Contra:

    Ein Mann nimmt an einem Auto mit Plug-in-Hybrid-Antrieb in Berlin-Mitte den Ladestecker raus.
    Ladevorgang an einem E-Auto (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Kann unsere Wirtschaft Jahr für Jahr weiterwachsen - trotz Klimawandel, fortschreitendem Artensterben und Umweltverschmutzung? Heiß und kontrovers diskutiert: Grünes Wachstum. Lars Feld, Wirtschaftsprofessor und Berater von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), glaubt an Grünes Wachstum - Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann dagegen nicht. Lesen Sie im folgenden die unterschiedlichen Experten-Einschätzungen.

    Geht!

    "In unserem Wirtschaftssystem lassen sich Klimaschutz und Wirtschaftswachstum gut vereinen. Für den Klimaschutz ist es von zentraler Bedeutung, Anreize für technischen Fortschritt und Innovation zu setzen. Technischer Fortschritt wiederum erzeugt Wirtschaftswachstum. Es wird allerdings notwendig sein, zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen. Nur so wird es gelingen, dass unser Wachstum weniger natürliche Ressourcen aufbraucht.

    Lars Feld
    Quelle: dpa

    Jahrgang 1966, ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Leiter des Walter-Eucken-Instituts der Universität. Er berät den Bundesfinanzminister. Zuvor war er "Wirtschaftsweiser" - Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage.

    Marktwirtschaftlich geht Klimaschutz vor allem über die Bepreisung von CO2. Denn höhere Preise spornen an einzusparen. Das kann man über besondere Abgaben auf bestimmte umweltschädliche Handlungen erreichen.
    Oder durch den Emissionshandel. Hier macht die Politik Vorgaben, wie viel Emissionen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. In diesem Rahmen regelt dann der dadurch entstehende Markt den Preis. Für diejenigen, die leicht CO2-Emissionen einsparen können, wird es also attraktiv, ihren CO2-Ausstoß tatsächlich zu verringern. Beispielsweise geht das in der Industrie leichter als im Gebäudesektor. Da brauchen wir schließlich im Winter immer eine gewisse Wärme.
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    Es ist auch ein effizientes System. Das ist wichtig. Denn so erreicht man wirklichen Klimaschutz: Als Verbraucher werden wir weniger Güter kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, auf denen ein zusätzlicher CO2-Preis liegt.
    Wenn man hingegen versucht, das mit festen Vorgaben für jede Branche und jeden Privathaushalt im Voraus durchzuplanen, wird es für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für Unternehmen schwierig, mit den Einschränkungen, die der Klimaschutz mit sich bringt, umzugehen. Da ist eine Bepreisung eine ganz andere Geschichte.
    Und wenn sich mehrere Länder zusammenschließen und einen Mindestpreis für den CO2-Ausstoß festlegen, dann werden die großen Emittenten schon dafür sorgen, dass es eine ordentliche Reduktion gibt. Damit kann man es schaffen."

    Geht nicht!

    "Der Kapitalismus ist ein tolles System, weil er Wachstum und Wohlstand produziert. Nachteil: Der Kapitalismus braucht auch Wachstum, um stabil zu sein. Sonst gibt es Krisen und Millionen von Arbeitslosen. Es ist aber unmöglich, in einer endlichen Welt unendlich zu wachsen.

    Ulrike Herrmann
    Quelle: Gordon Volk

    Jahrgang 1964, ist Journalistin und schreibt als Wirtschaftskorrespondentin für die Tageszeitung "taz". Zu ihren Buchveröffentlichungen gehören "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen" und "Das Ende des Kapitalismus" (2022).

    Zudem laufen die Maschinen nur mit Energie, die bisher fossil war und die Klimakrise extrem befeuert hat. Das hat dazu geführt zu sagen: 'Dann machen wir jetzt eben Grünes Wachstum. Wir setzen auf technische Lösungen.'
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    Das E-Auto ist das Symbol hierfür. Es wird suggeriert, dass alles bleiben könne, so wie es ist: Straßen, Parkplätze und die Autoindustrie, nur die Batterie ersetzt den Verrennungsmotor. Man tankt dann eben Strom. Und so stellt man sich das irgendwie für die ganze Wirtschaft vor: Grüne Chemie, Grüner Stahl, Grünes Fliegen, Grüne Wärmepumpen. Jedenfalls Technik.
    Es wäre begeisternd, wenn es funktionieren würde. Aber die Grüne Energie wird nicht reichen. Wir bräuchten diese sauberen Energien in enormen Mengen, bezahlbar, flächendeckend und schnell - das ist nicht zu sehen: Wenn die Industrie, egal ob Stahl, Chemie oder Schifffahrt, versucht, grün zu werden, dann sind die nötigen Energiemengen gigantisch. So viel Ökostrom wird nicht zur Verfügung stehen.
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    2045, in nur 22 Jahren wollen wir komplett klimaneutral wirtschaften. Wir sprechen also nicht über die Zukunft, sondern über die Gegenwart. Wenn man sich aber die verfügbaren Technologien anschaut, dann ist ganz klar: Das läuft nicht auf Grünes Wachstum hinaus, sondern auf Grünes Schrumpfen.
    Grüne Energien werden nur ausreichen, wenn wir lernen, uns zu beschränken. Ich glaube, dass viele Manager, Unternehmer, Ingenieure und Banker ebenfalls ahnen, dass es kein Grünes Wachstum geben wird."

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