Maue Konjunkturaussichten: Wo Wirtschaftsweise Risiken sehen

    Maue Konjunkturaussichten:Wo die Wirtschaftsweisen große Risiken sehen

    von Anne Sophie Feil
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    Rezession für 2023, ein kleines Plus für 2024 - das erwarten die Wirtschaftsweisen für die Konjunktur in Deutschland. Sie dringen in ihrem Jahresgutachten auf Reformen.

    "Wirtschaftsweise" legen Jahresgutachten 2023/24 vor
    Deutschland droht den Wirtschaftsweisen zufolge eine Rezession und ohne baldige Reformen eine chronische Wachstumsschwäche.08.11.2023 | 1:37 min
    Die Wirtschaftsweisen schauen pessimistisch auf die deutsche Konjunktur. Im Frühjahr hatten sie vorhergesagt, Deutschland werde haarscharf an einer Rezession vorbeischrammen. Diese Prognose haben sie in ihrem Jahresgutachten am Mittwoch nach unten korrigiert.
    Statt eines leichten Wachstums gehen die Experten nun davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen wird. Die Energiekrise und die Auswirkungen der Inflation belasten die Wirtschaft weiterhin, während das höhere Zinsniveau Investitionen und Bau dämpft.

    Experten halbieren Wachstumserwartung für 2024

    "Die unerwartet schleppende Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere Chinas, dürfte sich aber fortsetzen und auch im Jahr 2024 die deutschen Exporte bremsen", heißt es in dem Jahresgutachten. Für 2024 hat sich die Wachstumserwartung der Sachverständigen von 1,3 Prozent auf 0,7 Prozent halbiert. Bundeskanzler Olaf Scholz kommentierte, die weltweite Nachfrage habe gelitten:

    Wir müssen dafür sorgen, dass wir wieder auf die Spur kommen."

    Bundeskanzler Olaf Scholz

    Für dieses Jahr liegt die Erwartung der Wirtschaftsweisen in etwa gleichauf mit jenen der Bundesregierung (-0,4 Prozent) und der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute (-0,6 Prozent). Für das kommende Jahr hatten allerdings beide ein Wachstum von 1,3 Prozent vorhergesagt, hier sind die Wirtschaftsweisen verhaltener. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird Deutschland in diesem Jahr als einzige große Volkswirtschaft schrumpfen.
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    Wäre ein subventionierter Industriestrompreis gut für die Konjunktur? Was dafür spricht - und was dagegen.29.08.2023 | 3:32 min
    Die Prognose der Wirtschaftsweisen sei die realistischere, da sie aktuellere Daten berücksichtige, sagt Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Hier zeige sich, "wie brutal" der Energie- und Nahrungsmittelpreisschock die Wirtschaft getroffen habe und wie stark diese Belastungen noch nachwirkten.

    Strompreise und Fachkräftemangel belasten Wirtschaft

    Positiv sehen die Experten die Entwicklung der Löhne, Entspannung der Verbraucherpreise und eine zurückkehrende Kaufkraft. Jedoch hemmen die vor allem seit dem Krieg in der Ukraine stark gestiegenen Strompreise die energieintensive Industrie.
    Das Expertengremium empfiehlt daher schnellere Genehmigungsverfahren und Bürokratieabbau beim Ausbau der erneuerbaren Energie sowie eine niedrigere Stromsteuer für Unternehmen. Eine entsprechende Steuerreform befürwortete am Dienstag auch Maschinenbau-Präsident Karl Haeusgen.
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    Wegen des demografischen Wandels fehlen außerdem Fachkräfte in Deutschland - eins der größten mittel- und langfristigen Risiken für die deutsche Wirtschaft, so die Wirtschaftsweisen. Damit mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden können, sollte die Zuwanderung erleichtert und Einwanderer besser integriert werden.

    Wirtschaftsweise empfehlen späteren Renteneintritt

    Außerdem warnen sie, die Alterung der Gesellschaft könne das Wachstumspotenzial Deutschlands erheblich schwächen. Um dem entgegenzuwirken, sollte das Renteneintrittsalter dynamisch an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden. Aktuell wird die Altersgrenze bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich gegen eine weitere Erhöhung ausgesprochen. Das würde aus seiner Sicht zulasten der jüngeren Generation gehen, die nach den Babyboomern in Rente geht.
    Eigentlich dürfen die Sachverständigen laut Gesetz nicht einmal Empfehlungen aussprechen. Doch in ihrem Gutachten machen sie der Politik eine lange Liste an Vorschlägen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Nun muss sich die Ampel-Koalition nur noch einig sein und an einem Strang ziehen.

    Die Wirtschaftsweisen sind ein politisch unabhängiges Expertengremium aus fünf renommierten Wirtschaftswissenschaftler*innen, die vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung berufen werden. Sie erstellen regelmäßige Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Lage Deutschlands und prognostizieren die konjunkturelle Entwicklung.

    Dabei berücksichtigen sie die vier wirtschaftspolitischen Ziele: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum. Damit sollen sie der Bundesregierung bei der Entscheidung wirtschaftlicher Angelegenheiten helfen.

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