HVO als Dieselersatz: Wie Wissing den Verbrenner retten will

    FAQ

    Neuer Dieselersatz aus Abfällen:Wie Wissing mit HVO Verbrenner retten will

    von Julian Schmidt-Farrent
    |

    Verkehrsminister Wissing will mit einem neuen Biokraftstoff aus alten Verbrennern klimaneutrale Autos zaubern. Das Zauberwort: HVO. Doch der Dieselersatz hat auch seine Tücken.

    HVO 100
    E-Fuels sind in der Herstellung noch aufwendig und teuer und es wird wohl noch dauern, bis sie CO2-neutral für den Massenmarkt zur Verfügung stehen könnten. HVO 100 ist ein Diesel-Ersatz aus Pflanzenöl-Resten. Was kann dieser Treibstoff - und was nicht?09.06.2023 | 3:32 min
    HVO heißt der neue Wundersprit, mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ausgerechnet im Verbrennungsmotor den Klimaschutz voranbringen möchte: Sprit aus alten Speiseölen und anderen Abfällen.
    In der Theorie könnten so Treibhausgase eingespart werden, erklärt Martin Lange vom Umweltbundesamt - doch es gebe auch Zweifel. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

    Wie funktioniert der neue Dieselersatz?

    Die Idee hinter HVO ist zunächst simpel: Abfälle und alte Pflanzenöle werden zu Treibstoff recycelt, bereits gebundenes CO2 wird im Motor wieder verbrannt - und der alte Diesel rollt beinahe klimaneutral.
    "Es ist ein bisschen wie ein Kreislauf", erklärt Kraftstoff-Experte Andreas Menne vom Fraunhofer-Institut. Hersteller versprechen CO2-Einsparungen von bis zu 90 Prozent.
    Andreas Menne zu HVO
    Kann der aus Speiseöl-Resten hergestellte Treibstoff-Ersatz HVO 100 wirklich eine Alternative zu anderen Kraftstoffen sein? Andreas Menne vom Fraunhofer-Institut klärt, ob damit jedes Auto fahren kann und ob wirklich weniger CO2 ausgestoßen wird.09.06.2023 | 5:26 min

    Was ist der Unterschied zu Biodiesel und E10?

    Eigentlich tankt jeder Dieselfahrer bereits heute Biokraftstoff, erklärt Menne. Sieben Prozent des fossilen Kraftstoffs stammen aus erneuerbaren Quellen. Allerdings können Biodiesel und auch Bioethanol für Benziner bislang nur beigemengt werden - HVO funktioniert dagegen als Reinkraftstoff. Chemisch ähnelt der Kraftstoff dem fossilen Diesel.
    Außerdem ist die Klimawirkung bisheriger Biokraftstoffe umstritten - Stichwort: Tank oder Teller. Umweltverbände kritisieren seit Jahren, dass der Anbau von Energiepflanzen der Lebensmittelindustrie wertvolle Flächen klaue. HVO soll genau das anders machen: Für den Kraftstoff kommen lediglich Abfälle zum Einsatz, kein Rohstoff wird extra angebaut.
    Ein junger Mann läuft vor dem Europäischen Parlament in Brüssel
    Die EU hat endgültig grünes Licht gegeben für das geplante Aus von Verbrenner-Motoren ab 2035. Autos, die ausschließlich mit E-Fuels fahren, sollen erlaubt bleiben.28.03.2023 | 2:59 min

    Wie sieht es im Ausland aus?

    In Schweden gibt es HVO bereits seit Jahren. Dort hat der Kraftstoff dennoch lediglich einen Marktanteil von 3,5 Prozent - trotz der erhofften Klimawirkung. Pures HVO richte sich mehr an Unternehmen als an normale Autofahrer*innen, erklärt die Schwedische Energieagentur auf Anfrage. Denn HVO ist teuer: Ein Liter kostet in Schweden rund 50 Cent mehr als normaler Diesel. Auch in Deutschland werde HVO immer teurer als fossiler Diesel bleiben, glaubt Experte Andreas Menne.
    Allerdings wird der größte Teil des schwedischen HVO den herkömmlichen Kraftstoffen einfach beigemischt, statt ihn in seiner Reinform zu tanken. Das ist auch in Deutschland bereits heute möglich - bis zu 26 Prozent HVO kann im fossilen Diesel landen. Tatsächlich mischen die Mineralölkonzerne bislang nur zwei Prozent HVO bei, erklärt das Bundesumweltministerium. Und das hat - neben den Kosten - einen weiteren entscheidenden Grund.
    Grafik: Harald Lesch steht neben Zapfsäule
    Klimaneutrale Mobilität könnte so einfach sein: CO2 aus der Atmosphäre und ein bisschen Wasserstoff mischen, das Ganze in ein stinknormales Auto tanken, fertig. Geht das?06.04.2023 | 21:56 min

    Welche Probleme gibt es bei HVO?

    Es fehlt an Altfetten für den grünen Dieselersatz.

    Das Angebot an HVO reicht aktuell und auch in den nächsten Jahren absehbar nicht für die Nachfrage

    en2x, Lobbyverband der Mineralölindustrie

    Das gelte insbesondere nicht für eine komplette Substitution des deutschen Dieselbedarfs, erklärt der Lobbyverband der Mineralölindustrie en2x auf Anfrage. Die weltweite Produktion an Biokraftstoffen reiche etwa für das aus, was allein alle Pkw in Deutschland schlucken, pflichtet Andreas Menne vom Fraunhofer-Institut bei.
    Die Reststoffe sind keineswegs in rauen Mengen vorhanden - auch weil sie schon heute in Branchen wie der Chemie-Industrie effizient zum Einsatz kämen, meint Martin Lange vom Umweltbundesamt. Würden sie dort künftig fehlen, könnten diese Industrien wieder vermehrt auf fossile Alternativen zurückgreifen. Und die Wirkung gegen den Klimawandel verpufft.

    Wo könnte HVO in Zukunft zum Einsatz kommen?

    Bundesverkehrsminister Wissing hält trotz der Kritik an der Idee fest. "Jedes Fahrzeug, das mit HVO betrieben wird und damit weniger CO2 emittiert, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz", so Wissing.
    Der Mineralölverband plant hingegen, den neuen und raren Kraftstoff vorrangig an Speditionen mit ihren großen Lkw zu verkaufen. Sinnvoll sei HVO aber vor allem bei Flugzeugen oder Schiffen, sind sich die Kraftstoffexperten Lange und Menne einig - also bei allem, was schwer elektrifzierbar ist. Für normale Autofahrer*innen gäbe es bereits eine Lösung, die sowohl das Klima als auch die Geldbörse schone: das Elektroauto.

    Tipps zum Irrtum an Tankstelle
    :Wenn Benzin statt Diesel getankt wurde

    Benzin statt Diesel oder Diesel statt Benzin. Immer wieder betanken Menschen ihren Wagen falsch. Doch wie sollte man reagieren, wenn man sich an der Tankstelle vergriffen hat?
    von Josua Schwarz
    Zapfsäulen einer Tankstelle in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen), aufgenommen am 18.04.2023
    mit Video

    Mehr zur Verkehrswende

    Weitere Ratgeber-Themen