Zukunftsforschung für Frieden und Stabilität | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Mit Forschung die Welt zu Frieden steuern

    von Florence Gaub
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    Unser Blick auf die Weltlage und das eigene Land war selten so getrübt wie zurzeit. Entspricht dieser Pessimismus der Realität? Oder kann und sollte man die Welt positiver sehen?

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Florence Gaub
    Quelle: Juliane Eirich

    Hier in Deutschland verlieren die Bürgerinnen und Bürger mehr und mehr den Glauben daran, dass sich Politik überhaupt noch gestalten lässt. Es herrscht eine Art Illusion vor, dass alles immer perfekt sein sollte, damit auch die Zukunft perfekt werden kann.
    Doch eigentlich ist es genau andersherum: Wenn die Verhältnisse in der Gegenwart wirklich schmerzen und für große Unzufriedenheit sorgen, dann erst entsteht ein Handlungsdruck, der Impuls, nach Lösungen zu suchen, der tragfähige Visionen hervorbringt.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Nato hält Kräfteverhältnis aufrecht

    Ich sehe auch internationale Konflikte als Teil dieses natürlichen Prozesses, in die Zukunft zu gehen. Das muss nicht dazu führen, dass wir in einen Krieg verwickelt werden oder es zu einem dritten Weltkrieg kommen muss.
    Unser Job als Nato ist es, indem wir signalisieren "bis hierhin und nicht weiter", ein gewisses Kräfteverhältnis aufrecht zu erhalten. Erst dadurch baut man Kriegen überhaupt wirksam vor. Das wirkt auf den ersten Blick unlogisch, aber genau das sorgt dafür, dass die Dinge nicht eskalieren.
    Florence Gaub bei Richard David Precht (nicht im Bild)
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    Worst-Case-Szenarien verhindern: Rollenspiele in der Forschung

    Eine weitere Aufgabe der Nato ist es, Zukunftsszenarien zu entwickeln, um Kriege zu verhindern. Beispielsweise denken wir am Nato Defense College in Rom im Kontext des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine über verschiedene Szenarien nach à la "Was wäre wenn?". Was passiert, wenn die Waffenlieferungen so weitergehen wie bisher, was geschieht, wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, sich etwas in diese Richtung entwickelt oder in eine andere?
    In einer Art Rollenspiel spielen wir in Gruppen Kausalketten von Ereignissen durch. Wir ziehen dafür unter anderem geschichtliche Analogien heran, eine Menge Daten und Forschungsergebnisse. Entstehen auf diesem Weg extrem negative Szenarien, dann versuchen wir alles, um dem vorzubeugen.
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    Warum sich Debatten langsam vorantasten

    Und genau das wird in der internationalen Politik seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine in Teilen auch umgesetzt, der Versuch, Eskalationen zu vermeiden. Man versucht, der Ukraine ihr Recht zurückzugeben, ohne Russland zu destabilisieren. Das ist der Grund für dieses langsame Herantasten und diese intensiven Debatten um jede einzelne Waffenlieferung.
    Und irgendwann stellt sich hoffentlich die Frage: Unter welchen Umständen seid ihr Ukrainer oder Russen bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren? Ultimativ geht das nur mit der Bereitschaft, Konzessionen zu machen. Krieg und Konfliktlösung sind etwas zutiefst Psychologisches.
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    Beide Seiten zu fragen: Worum geht es euch wirklich - emotional, kognitiv, psychologisch? Es geht nicht nur um Territorien und Sicherheit, es geht um Anerkennung und Stabilität. Dabei kommen die klassischen Harvard-Verhandlungs-Techniken zum Tragen, bei denen Fairness im Zentrum steht.

    Hoffnung formt die Zukunft

    Können wir also noch daran glauben, dass die weltpolitische Zukunft eine gute sein wird? Wir Zukunftsforscher wissen: Je stärker Menschen davon überzeugt sind, dass sie Einfluss auf ihr Schicksal haben, desto positiver denken sie. Egal wo und in welchen Verhältnissen sie leben.
    Es gibt allerdings keine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß an Freiheit und Wohlstand in einer Gesellschaft und dem individuellen Glück. Tatsächlich zeigt eine Umfrage von Unicef, dass dieser Zukunftspessimismus, überspitzt gesagt, ein Problem alter und überwiegend weißer Gesellschaften ist.
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    Der Westen schaut pessimistisch in die Zukunft, während fast überall auf der Welt gerade junge Menschen sehr positiv in die Zukunft blicken und der Aussage zustimmen würden "Meine Zukunft wird besser als die meiner Kinder und besser als meine eigene." Je jünger Gesellschaften sind, umso optimistischer sind sie im Regelfall.

    Mehr Vertrauen für eine bessere Zukunft

    Wir brauchen das Urvertrauen, dass die Entwicklung nach vorn eine positive sein wird. Wir sollten dem Menschen als lernfähigem Wesen vertrauen, auch den Politikerinnen und Politikern in Deutschland. Mit Technologie, Wissenschaft, allen Arten von menschlichem Fortschritt haben wir sehr potente Werkzeuge, so dass es gelingen kann, dass die Welt in Zukunft eine bessere und stabilere sein wird.
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    ... ist deutsch-französische Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Forschungsabteilung des Nato Defense College in Rom. Sie wurde 1977 in München geboren, studierte Politologie, Französisch und Neuere Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität und promovierte 2010 an der Humboldt-Universität in Berlin. Gaub diente im Rang eines Majors von 2012 bis 2015 als Reserveoffizierin der französischen Armee.

    Der Öffentlichkeit ist sie durch ihre militärischen Analysen zum Ukraine-Krieg bekannt geworden. Außerdem beschäftigte sich Florence Gaub intensiv mit den geopolitischen Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika. Sie ist Mitglied des Future Council on Complex Risks des Weltwirtschaftsforums.

    In ihrem aktuellen Buch "Zukunft - Eine Bedienungsanleitung" möchte Gaub Mut machen, sich wieder zuversichtlicher mit der eigenen wie der gesellschaftlichen Zukunft auseinanderzusetzen.

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