Ein Doppelpack von Svenja Huth verhilft der deutschen Frauen-Nationalmannschaft zum 2:0 im WM-Qualifikationsspiel gegen Island. Die konzentrierte Leistung in Reykjavik erleichtert auch die DFB-Funktionäre. Die Fahrkarte zur Frauen-WM 2019 wird nun am Dienstag auf den Färöer Inseln gelöst.
Die Frotzelei und Fopperei in der großen Aufwärmhalle im Nationalstadion Laugardalsvöllur von Island ertrug Svenja Huth mit einem schelmischen Grinsen. "Hütchen" rief ihr aus dem Kreis der deutschen Delegation noch jemand hinterher, als die Matchwinnerin beim 2:0-Sieg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft längst die Tasche geschultert hatte. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass die 27-jährige Allrounderin mal "Speedy Gonzalez" genannt wurde. Zu einer fast schon vergessenen Zeit, als jede Spielerin noch einer Comicfigur zugeordnet wurde.
Auf diesen Einfall war vor der EM 2017 die frühere Bundestrainerin Steffi Jones gekommen, deren kurze Amtszeit sich als grandioses Missverständnis erwies, und nichts manifestierte die Überforderung der sympathischen Powerfrau mehr als die 2:3-Hinspielniederlage im WM-Qualifikationsspiel gegen Island im Oktober vergangenen Jahres. Nur daher hatte das Rückspiel überhaupt solch eine Bedeutung bekommen, und dann war es Svenja Huth, die mit einem Doppelpack (42. und 74.) die eigentlichen Kräfteverhältnisse wieder gerade rückte und Deutschland so gut wie zur Frauen-WM 2019 in Frankreich schoss.
Ein Stein fällt vom Herzen
"Beim 1:0 habe ich darauf gehofft, dass die Torhüterin den Ball abklatscht. Beim 2:0 hat mich Carolin Simon super angespielt", sagte die Allzweckwaffe von Turbine Potsdam, die ein Jahrzehnt beim 1. FFC Frankfurt verbrachte, aber erst die Luftveränderung brauchte, um in der Nationalmannschaft mehr Verantwortung zu übernehmen. "Uns fällt definitiv ein großer Stein vom Herzen, aber wir wissen auch, was wir können."
So ganz sicher war das zeitweise im deutschen Frauenfußball ja nicht mehr, der zuletzt auf Vereinsebene mit dem frühen Scheitern des FC Bayern in der Womens Champions League und vor allem im Nachwuchsbereich mit der abermals im WM-Viertelfinale gestrauchelten U20-Nationalmannschaft klare Warnsignale bekommen hatte, dass Deutschland im weiblichen Bereich nicht automatisch zur Weltspitze zählt. Würde der Leistungsabfall auch die A-Nationalmannschaft betreffen, wären Grundsatzdiskussionen wie sie gerade bei den Männern geführt werden, unausweichlich gewesen.
Deshalb waren auch Ralf Kellermann, der Sportliche Leiter des VfL Wolfsburg, Joti Chatzialexiou, der sportliche Leiter beim Deutschen Fußball-Bund sowie nicht zuletzt Präsident Reinhard Grindel und sein Vertreter Rainer Koch auf die wegen ihrer Naturphänomen so beliebte Insel im Nordatlantik gereist, um den Stresstest aus nächster Nähe zu erleben. Sie sahen dabei ein deutsches Team, das sich in der Wahl seiner Stilmittel - zunächst überraschend - eng am Gegner orientierte: viele lange Schläge, lauern auf die zweiten Bälle.
Hrubesch schmiedet eine wetterfeste Taktik
Für Interimstrainer Horst Hrubesch war es die logische Lehre aus der Hinspiel-Blamage, wo Alexandra Popp und Co. beim vielen Kombinieren das Toreschießen versäumten. "Wir haben den Gegner überrascht: Er hat nicht damit gerechnet, dass wir ihn mit den eigenen Waffen schlagen", konstatierte der 67-Jährige und wirkte so zufrieden wie ein Angler, dem in der windigen Bucht von Reykjavik ein prächtiger Dorsch an den Haken gegangen war.
Der Hobbyfischer wusste von einem privaten Island-Besuch kurz vor Weihnachten ("mit meiner Frau, aber die erlaubt mir dann das Angeln nicht"), welche Kapriolen hier das Wetter regelmäßig schlagen würde, was ihn noch einmal bestärkte, eine wind- und regenfeste Taktik zu schmieden. "Der Plan ist perfekt aufgegangen", lobte Popp. Mit heißem Herzen und kühlen Kopf setzten "die Mädels", wie Hrubesch seine Spielerinnen liebevoll tituliert, die Vorgabe um, als wüssten sie die Gegensätze auf dem Land aus Feuer und Eis perfekt zusammenzubringen. Zweimal traf Huth als Kontrapunkt zur "Hu! Hu! Hu!"-Unterstützung von den erstmals mit 15.000 Zuschauern vollbesetzten Tribünen im Stadtteil Laugardalur (Warm-Wasser-Tal).
Für den Verband kommt der Erfolg zur richtigen Zeit
Und auf einmal wirkte der wundervolle Regenbogen, der sich mehrfach über der zugigen Spielstätte zeigte, wie ein Symbol für einen Aufbruch des gesamten deutschen Fußballs. Jedenfalls bettete Grindel die Pflichterfüllung eines zweifachen Weltmeisters gleich ins große Ganze. "Der September ist ein wichtiger Monat für den DFB. Das war ein toller Auftakt, ein verdienter Sieg."
Der DFB-Chef wünscht sich ähnliche Erfolgsmeldungen, wenn das Männer-Team in der Nations League gegen Weltmeister Frankreich gespielt und vor allem die UEFA die Euro 2024 vergeben hat. Eine Grundsatzdiskussion über die verbandsseitigen Versäumnisse im Frauenfußball hätte da empfindlich gestört. Hrubesch habe mal wieder einen "super Job" gemacht, lobte Grindel, "er hat mit seinem Konzept Stabilität reingebracht." Die Stabübergabe an die künftige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kann plangemäß am 15. September erfolgen, sofern die 50-Jährige nicht noch selbst mit der Schweiz in die ungeliebte Playoff-Runde mit den vier besten Gruppenzweiten muss, wo das letzte WM-Ticket vergeben wird.
Dass für Deutschland am Dienstag im abschließenden Qualifikationsspiel auf den Färöer Inseln noch etwas schiefgehen kann, glaubt niemand. Dafür sind die Leistungsunterschiede schlicht zu groß. Den ersten Vergleich in Großaspach gewannen die deutschen Fußballerinnen leicht und locker mit 11:0. "Wenn wir das Spiel wieder mit Spaß und Leidenschaft angehen, bin ich mir sicher, dass wir wieder gewinnen, versprach Sara Däbritz bereits.