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Warum Süßigkeiten-Werbung für Kinder verboten werden sollte

Hintergründe zur heute-show vom 10.03.2023

Warum Süßigkeiten-Werbung für Kinder verboten werden sollte

Bundesernährungsminister Cem Özdemir will zum Schutz von Kindern Werbung für ungesunde Lebensmittel in weiten Teilen verbieten. „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt wird nicht mehr erlaubt“, schlug der Grünen-Politiker bereits Ende Februar vor. Das Verbot soll für Fernseh- und Radiosendungen und Online-Netzwerke wie YouTube von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends gelten.

Özdemir will Werbung für solches Junkfood auch in Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren verbieten, wenn sie sich von der Aufmachung her offensichtlich an Kinder richtet. Außerdem soll es keine Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder anderen Freizeiteinrichtungen für Kinder geben sowie kein Sponsoring. Kontrolliert werden soll das Ganze durch die Marktüberwachungsbehörden der Länder.

Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen hätten nicht dazu geführt, dass Kinder effektiv vor solcher Werbung geschützt werden. Kinder, die Medien nutzen, sähen täglich im Schnitt 15 Werbespots oder -anzeigen für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Deshalb brauche es nun eine strikte Regelung. Zugleich betonte der Minister, dass er kein „allgemeines Werbeverbot“ fordere. „Aber die Werbung darf sich eben nicht mehr gezielt an Kinder richten.“ Mit dem Begriff Kinder sind in diesem Zusammenhang unter 14-Jährige gemeint. Die Feststellung eines zu hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an Nährwertberechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Die WHO empfiehlt etwa für Frühstückscerealien pro 100 Gramm höchstens 10 Gramm Fett, 15 Gramm Zucker und 1,6 Gramm Salz.

Mit den Werbeverboten will Özdemir gegen Fehlernährung vorgehen. Nach Angaben der Bundesregierung sind rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig, fast sechs Prozent sind adipös. Durch falsche Ernährung mitbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt nehmen auch in Deutschland zu. „Im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten für das weitere Leben entscheidend geprägt. Lebensmittelwerbung hat hier einen nachhaltigen Einfluss bei Kindern“, so Özdemir.

Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte, wissenschaftliche Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen fordern eine solche Regelung bereits seit Jahren, denn die Wirksamkeit von an Kinder gerichteter Werbung sei gut belegt. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei „ein großer Wurf gelungen“. Adipositas bei Kindern stelle ein zentrales Gesundheitsproblem dar und die Werbung für Ungesundes sei dafür ein wichtiger Faktor. Der Staat schulde Kindern nach der UN-Kinderrechtskonvention das „erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“, nicht aber der Werbeindustrie das erreichbare Höchstmaß an Einnahmen durch Junkfood-Werbung. Die Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Barbara Bitzer, nannte die Pläne Özdemirs einen „Meilenstein“ für die Kindergesundheit.

Die Hersteller sind nicht begeistert. Nach Ansicht der Süßwarenindustrie droht ein Totalverbot von Süßwarenwerbung. „Die Vorschläge von Bundesminister Özdemir sind aus unserer Sicht nicht verhältnismäßig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich“, kritisierte der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Der Verband halte die geplanten Werbeverbote für nicht zielführend, um die Übergewichtsrate bei Kindern zu verringern, hieß es weiter. Es existierten keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Carsten Bernoth.

Im BDSI sind nach eigenen Angaben mehr als 200 meist mittelständische Süßwarenunternehmen vertreten. Die deutsche Süßwarenindustrie ist laut Verband mit einem Anteil von etwa zehn Prozent am Umsatz die viertgrößte Branche der deutschen Ernährungsindustrie. Mit Süßwaren und Snacks setzten Lebensmittelkonzerne 2022 in Deutschland gut 20 Milliarden Euro um, fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Mit Renditen, die weit höher liegen als für Obst und Gemüse. Entsprechend kräftig werben die Hersteller für ihre Leckerbissen. Pro Jahr investieren sie fast eine Milliarde Euro allein für das Anpreisen ihrer Süßwaren. Das ist ein gutes Drittel dessen, was in die gesamte Lebensmittelwerbung fließt. Hinzu kommt die Reklame für Desserts, Junkfood und Knabbereien.

Widerstand kommt auch aus der Ampelkoalition: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, er sei immer dafür, dass Eigenverantwortung in der Politik eine große Rolle spielt. „Verbote bringen an dieser Stelle aus meiner Sicht nichts.“ Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, kündigte an, Özdemir werde innerhalb der Koalition „keine Mehrheit finden“. Er verfolge anscheinend das Ziel, „aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen“. Allerdings hatte die FDP dem Werbeverbot im Koalitionsvertrag 2021 noch zugestimmt: „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.“

Wie viel staatliche Regulierung bringen kann, zeigt das Beispiel Großbritannien: Dort wurde im April 2018 eine Zuckerabgabe für Getränke eingeführt. Hersteller müssen sie zahlen, wenn ihre Getränke eine bestimmte Menge Zucker überschreiten. Die Folge: Schon vor dem Stichtag hat eine Reihe von Herstellern den Zuckergehalt in ihren Getränken gesenkt. Laut der Verbraucherorganisation Foodwatch senkte Coca-Cola den Zuckergehalt bei seinen Marken Fanta und Sprite für den britischen Markt von 6,9 auf 4,6 beziehungsweise von 6,6 auf 3,3 Gramm pro 100 Milliliter. Foodwatch kritisierte allerdings, dass viele Hersteller den Zucker durch Süßstoffe ersetzten, die von der Abgabe nicht betroffen sind. Änderungen sollten aber darauf abzielen, den süßen Geschmack zu verringern, um der Gewöhnung bei jungen Menschen entgegenzuwirken, forderte die Organisation.

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